SZ-Serie: Wie das Wasser die Stadt prägt:Wie aus Kiesgruben Ausflugsziele wurden

SZ-Serie: Wie das Wasser die Stadt prägt: Wo heute Menschen Spaß am Feldmochinger See haben, wurde früher Kies abgebaut.

Wo heute Menschen Spaß am Feldmochinger See haben, wurde früher Kies abgebaut.

(Foto: Robert Haas)

Die Seenplatten im Münchner Norden waren einmal Kiesgruben. Heute erfreuen sich Ausflügler an den renaturierten Abbauflächen.

Von Karin Kampwerth

Eine Liebeserklärung gefällig? "Zum Laufen, zum Baden oder einfach nur zum Luft schnappen, hier kann man seine Seele baumeln lassen!" Oder dies: "Top See, man kann hier schwimmen, Sport treiben, chillen, grillen und ruhen." Oder einfach nur: "Wunderbar, malerisch, sauber."

Die Münchner mögen den Feldmochinger See. Nachzulesen ist das in zahlreichen Google-Bewertungen. Oder - noch besser - anzuschauen an schönen Wochenenden bei einem Besuch der Freizeit-Oase selbst. Zwischen Hasenbergl und Ludwigsfeld gelegen gehört der Feldmochinger See mit dem Fasaneriesee und dem Lerchenauer See zur sogenannten Münchner Seenplatte. Wer aber glaubt, dass es sich hier um ein natürliches Wasservorkommen handelt, vielleicht sogar um einen Eiszeit-Sprössling wie der Starnberger See, nur eben in klein, der irrt. Zu verdanken ist dieses Naherholungsgebiet dem Ausbau der Deutschen Reichsbahn in den 1930er-Jahren. An der Stelle der heutigen Seenplatte wurde der Kies für neue Strecken ausgehoben.

Ausbeutung lautet der offizielle Begriff für das Baggern nach dem begehrten Baustoff. Als Synonym für den Frust von Nachbarn aktiver Kiesgruben würde er sicher auch durchgehen. Aktuell gibt es Widerstand gegen die geplante Kiesförderung im Forst Kasten. Die Fläche dort ist übrigens so ziemlich die einzige momentan, wo ein Kiesabbau in der Landeshauptstadt möglich ist. Insgesamt weist der Regionalplan, der die Vorrangflächen für Kiesgruben in München und den angrenzenden Landkreisen auflistet, für die Landeshauptstadt 50,41 Hektar Fläche aus. Zum Vergleich: Spitzenreiter für den Kiesabbau ist der Landkreis Freising mit einer Vorrangfläche von 535 Hektar. Erding und Ebersberg folgen mit 323 beziehungsweise 199 Hektar. Längst handelt es sich in der Region also nicht nur um den Speck-, sondern auch um einen Schottergürtel.

Doch nicht jede Kiesgrube kann am Ende auch ein Badesee werden, erklärt der Chef des Münchner Wasserwirtschaftsamtes, Christian Leeb. Das sei abhängig vom Grundwasserspiegel. Kurzum: Je tiefer der liegt, desto unwahrscheinlich sind spätere Badefreuden. Im Forst Kasten beginnt das Grundwasser erst in 30 bis 40 Meter Tiefe. Für den Kiesabbau gilt deshalb, dass die Bagger dem Wasser nicht zu nahe kommen dürfen, damit die Grube nicht vollläuft. "Die Ausbeutung wird nur mit Sicherheitsabstand genehmigt", sagt Leeb.

Doch damit nicht genug der Auflagen für die Kies-Unternehmen. "Am Ende steht immer die Rekultivierung", sagt Leeb. Ob die Fläche der Freizeit und Erholung dienen soll, oder naturnah angelegt wird, ist bereits Teil des Genehmigungsverfahren. Leeb kann sich gut vorstellen, dass es bei künftigen Kiesgruben-Anschlussnutzungen eine gesunde Mischung geben wird. Ein Teil der Fläche könnte dann naturnah rekultiviert werden, damit auch Platz für Schilfgürtel und Wasservögel ist. Ein anderer Teil könnte Freizeitzwecken zur Verfügung gestellt werden. "So wurde es auch beim Hollerner See in Eching gemacht", sagt Leeb über einen der jüngeren Baggerseen.

Für die Entstehung der Münchner Seenplatte muss man einige Kalenderblätter rückwärts gehen. Mit dem Umbau zum Naherholungsgebiet wurde vor rund 60 Jahren begonnen. Zu einer Zeit, wo der Münchner Norden einwohnerzahlenmäßig kräftig zulegte, waren sich die Verantwortlichen einig, die Kiesgruben nicht einfach mit irgendeinem Bauschutt zu verfüllen, sondern den Stadtteil mit drei Badeseen deutlich aufzuwerten.

Der Feldmochinger See ist der größte im Trio. Er misst 15 Hektar, hinzu kommt eine Grünfläche von noch einmal 13 Hektar, auf der bis zu 12 000 Menschen ihre Badehandtücher ausbreiten können. Auf einem 2,2 Kilometer langen Weg kann man außerdem um den See herumspazieren. Für die Unterhaltung gibt es einen Minigolfplatz, Beachvolleyball-Plätze, Tischtennisplatten und einen Sandspielplatz für die Kleinen. Besonders schätzen Münchner ohne Balkon und Garten, dass es am Westufer eine große Fläche gibt, an der gegrillt werden darf. Und wem im Sommer selbst die Badehose noch zu warm ist, der findet im Südwesten einen FKK-Bereich.

Lerchenauer- und Fasaneriesee sind deutlich kleiner, aber nicht minder attraktiv. Weil die Zeit des Kiesabbaus auch hier schon Jahrzehnte her ist, konnten um den Fasaneriesee herum etwa viele Bäume hoch wachsen, die an heißen Tagen Schatten spenden. Der Lerchenauer See ist der Innenstadt am nächsten. Ruhesuchende finden hier aber immer ein erholsames Fleckchen.

Eine ähnliche Entstehungsgeschichte hat auch die Langwieder Seenplatte mit Langwieder See, Birkensee und Lußsee am nordwestlichen Stadtrand. Die drei früheren Kiesgruben werden wie in einem Dreieck von den Autobahnen A 99 und A 8 eingerahmt. Der Langwieder See entstand, weil der hier geförderte Kies für den Bau der Güterumgehungsbahn Olching-Trudering im Jahr 1938 benötigt wurde. Der Lußsee ist der jüngste im Bunde. Hier wurde für die Entstehung der Eschenrieder Spange gebaggert. Das Naherholungsgebiet um die drei Seen wurde im Jahr 2000 geschaffen.

Der Langwieder See ist aber nicht nur als Erholungsoase bekannt. Autor Bernd Ohm hat ihn zum Tatort für seinen Kriminalroman "Wolfsstadt - Eine Geschichte aus der Nachkriegszeit" gemacht. Am Ufer wird laut Roman im Frühjahr 1948 eine Frauenleiche gefunden, die offenbar mit einem Lastwagen über die nahegelegene Autobahn dorthin gebracht wurde. Dass es mitunter am See blutig zugeht, unterstreicht auch eine Google-Bewertung. Verbrecher sind dafür aber nicht die Ursache, sondern einzig und allein die spitzen Steine auf dem Weg ins Wasser, wie eine Rezensentin schreibt.

Zur SZ-Startseite
Sommerserie: Künstlerpaare

SZ PlusSZ-Serie: Künstlerpärchen
:"Die häufigste Frage, die wir hören, ist: 'Wie schlaft ihr?'"

Seit fast sieben Jahren sind die Tänzerinnen Anna Konjetzky, Sahra Huby und Quindell Orton in einer Liebes - und Arbeitsbeziehung. Sie sagen: Zu dritt sein hat Vorteile. Doch die Gesellschaft glaubt noch nicht an eine Beziehung wie ihre.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: