ARD-Mittwochsfilm:"Es muss wehtun"

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Fast wie im wirklichen Salzburger Festspielleben: Pressekonferenz mit Festspielpräsidentin Hedi Gebetsreuther (Michou Friesz, v.l.), Maestro Atterson (Ulrich Tukur), Opernregisseurin Beate Zierau (Catrin Striebeck) und Festspielintendant Winterblum (August Zirner). (Foto: SWR/ORF/David Steinbach)

In Michael Sturmingers Komödie "Die Unschuldsvermutung" rächen sich Frauen an einem Stardirigenten bei den Salzburger Festspielen.

Von Christine Dössel

Gerade erst ist die Jubiläumsedition der Salzburger Festspiele zu Ende gegangen, da gibt es schon einen Insider-Film dazu. Keine Dokumentation, sondern eine ironische Komödie, total fiktional und doch so stilecht und kulissengerecht, dass es eine Freude ist: Die Unschuldsvermutung (ARD) von Michael Sturminger. Es geht um "Me Too" in der Theaterwelt, verwoben mit einer Neuinszenierung von Mozarts "Don Giovanni" anlässlich "100 Jahre Salzburger Festspiele". Der Dirigent dieser Oper, deren Titelheld ein sexuell übergriffiger Frauenverschlinger ist, ist selber ein solcher. Nein, nicht Teodor Currentzis!

Der Stardirigent im Film heißt Marius Atterson und repräsentiert den alten weißen Mann in seiner patriarchalen Selbstherrlichkeit. Mehrere Frauen tun sich zusammen, um es ihm heimzuzahlen oder braten ihm einzeln eins über. Etwa Brigitte Hobmeier kurz mal mit einem Regenschirm. Diese Backstage-Komödie ist auch ein Rachefeldzug, Abteilung "Female Revenge". Ulrich Tukur spielt den macht- und erfolgsverwöhnten Maestro schon deshalb virtuos, weil er die Figur nicht denunziert oder als einen billigen Dieter-Wedel-Abklatsch karikiert, was ja einfach wäre. Sein Atterson ist in seiner Präpotenz zwar schwer erträglich, aber er ist auch sympathisch, er hat Charme und Witz. Und er hat ein Mutterproblem, personifiziert in der großartigen Christine Ostermayer, die sich als blinde "Maman Clarisse" an seiner Seite hofieren lässt, im Hotel Sacher wie bei jedem Champagnerempfang.

Kaum ist die Ex-Frau in Salzburg angekommen, beginnt sofort der Rosenkrieg

Die große Festspielkrise setzt ein, als der "Don Giovanni"-Regisseur Roth (saftiger Kurzauftritt von Simon Schwarz) bei den Proben einen solchen Tobsuchtsanfall bekommt, dass er in die Psychiatrie muss. Soll vorkommen. Als Ersatzregisseurin wird Beate Zierau engagiert, Attersons Ex-Frau (Catrin Striebeck). Man ist nicht im Guten auseinandergegangen. Kaum in Salzburg angekommen, geht der Rosenkrieg wieder los. Regelmäßig platzen Proben, die Produktion ist gefährdet. Der Festspielintendant Winterblum (August Zirner) und die Festspielpräsidentin Gebetsreuther (Michou Friesz) müssen permanent beschwichtigen, hintenrum Strippen ziehen, Schmeichel- und Streicheleinheiten verteilen. Das hat seine Komik.

Beate Zierau ist eine sehr selbstbewusste, sehr anstrengende, buchstäblich schlagkräftige Frau (und Dauerraucherin). Eine Paraderolle für die - wirklich - arschcoole Catrin Striebeck, die schon manch einen Mann das Fürchten gelehrt hat. Als herrische Regie-Despotin ("Es muss wehtun!") ist Zierau keinen Deut besser als die männlichen Alphatiere der Branche. Das ist ein cleverer Kniff in dieser anspielungsreichen Theaterbetriebssatire, und Striebecks Spiel speist sich da offenbar aus jahrzehntelanger Erfahrung mit brüllenden Chauvi-Regisseuren. Applaus!

"Es muss wehtun": Catrin Striebeck als Regie-Despotin Beate Zierau. (Foto: SWR/ORF)

Die anderen Frauen haben nicht so ein scharfes Profil. Etwa die blasse, anorektisch wirkende Jungdirigentin Karina Samus (Laura de Boer), die nicht nur Attersons Meisterschülerin, sondern auch von ihm schwanger ist. Sie wird bei diesen Festspielen noch ihre große Chance bekommen, beruflich wie in der Liebe, denn es gibt ja auch Robert Stadlober als sehr netten Bühnenmeister. Karinas Freundin, die Agenturassistentin Ada (Daniela Golpashin), wird von Atterson ebenfalls angebaggert. Für den Gegenschlag tun sich die beiden mit der Fernsehjournalistin Franziska Fink (Marie C. Friedrich) zusammen, die den Maestro gerne als "Me Too"-Täter überführen möchte und dafür unter vollem Körpereinsatz nicht ganz lautere Mittel auffährt.

Michael Sturminger (Buch und Regie) kennt den Salzburger Festspielbetrieb, er ist nicht nur der Regisseur des aktuellen "Jedermann", er hat auch die "Tosca" inszeniert. Dass er weiß, welcher Wahnsinn da abläuft, ist ein großer Gewinn für seinen Film, der auch davon lebt, dass er an Originalschauplätzen gedreht wurde. Da geht es bis hin zu den Leitungsbüros wirklich ins Innerste des Festspielhauses. Zwar fehlt der Komödie der Schritt zum wirklich großen Wurf, sie bleibt im fernsehtauglich Wohlfühlkomischen stecken. Aber geistreich ist sie, keine Frage, und superb besetzt auch. Und wie gewitzt darin mit Motiven und Zitaten aus Mozarts "Don Giovanni" gespielt wird, ist für Kenner ein Extra-Bonus.

Die Unschuldsvermutung, Das Erste, Mittwoch, 20.15 Uhr, und in der Mediathek

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