IAA-Neuheiten: VW ID Life:Zu spät und zu plump

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Die Kleinwagen-Studie ID Life von VW ist eine plumpe Mischung aus Ur-Golf und Kübelwagen. Aber bis zum Serienstart des ID 1 ist ja noch ein bisschen Zeit. (Foto: VW)

Im IAA-Schaulaufen gibt es einen ersten Verlierer: die Kleinwagen-Studie VW ID Life. Selbst der Design-Chef von Volkswagen tut sich bei der Präsentation schwer, lobende Worte zu finden.

Von Joachim Becker

Wo momentan das beste VW-Design entsteht? Also die Weiterentwicklung des nüchtern-zeitlosen Bauhausstils von Giorgio Giugiaro? Mit dem Golf 1 und Audi 80 brach der italienische Blechschneider radikal mit den runden Käfer-Formen und schuf eine Ikone, die von seinen ehrfürchtigen Nachfolgern nur behutsam verändert wird. Aber wie würde der Golf 1 wirklich radikal modern aussehen? Die Antwort kommt nicht aus Wolfsburg, sondern aus Korea: "Ich halte den Ioniq 5 für ein sehr gut gemachtes Auto mit schönen Proportionen. Hyundai erfindet sich in Zeiten der Elektromobilität und der digitalen Transformation gerade neu", lobt kein Geringerer als Klaus Zyciora. "Ich kenn ja die Protagonisten", fügt der oberste Design-Chef des gesamten Volkwagen-Konzerns hinzu, "die kommen ja von VW".

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In Bezug auf die IAA-Studie VW ID. Life klingt das Lob dann etwas verhaltener. Zyciora spricht von abwaschbaren Recycling-Materialien; von schönen Proportionen sagt er nichts. Mag ja sein, dass mancher den Kleinwagen in Wolfsburg als "klar, reduziert und hochwertig" (Eigenwerbung) empfindet. Die Krux an einer strengen, puristischen Formensprache ist, dass am Ende mehr als ein Bauklötzchen-Minimalismus fürs Kinderzimmer übrigbleiben sollte. "Wir haben den ID Life konsequent an den Bedürfnissen junger Zielgruppen ausgerichtet", tönt Markenchef Ralf Brandstätter, "es geht dem Kunden von morgen nicht nur um die Mobilität, sondern noch viel stärker darum, was man mit dem Auto erleben kann." Aha. Gemeint ist wohl der Verzicht auf Status und Prestige. Aber deswegen wird aus einer uninspirierten Schachtel noch lange keine tolle Kiste wie der Fiat Panda (auch von Giugiaro), geschweige denn ein edel-einfaches Apple iCar.

Bauklötzchen-Minimalismus für junge Kunden

Die frohe Botschaft der IAA-Studie klingt laut Brandstätter so: "Schon 2025, und damit zwei Jahre früher als ursprünglich geplant, wird ein Fahrzeug der ID-Familie im Kleinwagensegment auf den Markt kommen. Der Einstiegspreis soll bei ungefähr 20 000 Euro liegen." Wieder reibt sich die Autowelt verwundert die Augen. Warum dauert das so lange, wenn das Tesla Model 2 zum genannten Preis schon zwei Jahre früher kommen wird? An den geplanten Eisenphosphat-Batterien kann es jedenfalls nicht liegen, die setzt Tesla bereits heute bei der günstigsten Variante des Model 3 ein. VW spricht von einer vollen Entwicklungs-Pipeline und ausgelasteten Werken. Mag schon sein. Aber das erlösende Wort sagt dann Klaus Zyciora: "Das Serienauto muss ja nicht so aussehen wie die Studie." Puuh.

Von hinten erinnert die Studie ein wenig an Mini. Wirklich eigenständig wirkt das nicht. (Foto: VW)

Hoffnung schöpft der geplagte Messegänger im neuen Showroom der Konzernmarke Cupra am Münchner Odeonsplatz. Dort steht die Studie Urbanrebel, die wie ein Mini-Porsche für die Rennstrecke aussieht. Denkt man sich die übertriebene Spoiler-Schminke weg, dann sieht man vor dem inneren Auge einen Tesla-Fighter allererster Güte: Mit einer ähnlich fließenden, muskulösen Formensprache ohne Sicken und Kanten, wie sie auch die Kalifornier nutzen. Ein Fahrzeug auf der neuen elektrischen Frontantriebsarchitektur des Konzerns muss also nicht billig wirken, sondern kann auch auf verführerische Weise Platz sparend sein.

Schon klar, dass das entsprechende Einstiegsmodell von VW einen kantigeren Weg gehen will. Aber die Weiterentwicklung des nüchtern-zeitlosen Bauhausstils ist eben eine hohe Kunst - siehe oben. Leichter ist in jedem Fall der Tesla-/Cupra-Weg: Kein radikaler Bruch mit Sehgewohnheiten wie etwas bei der BMW IAA-Studie Circular, die ja auch in der Vier-Meter-Klasse spielt.

Cupra-Chef Wayne Griffith mit dem Showcar Urbanrebel, das auf derselben Plattform steht wie der VW ID Life. (Foto: Uli Weber/Seat)

Wie sieht also eine neue (voll-digitale) Zeit und eine "Neue Klasse" (BMW) aus? Hoffentlich möglichst vielfältig, das zumindest verspricht Klaus Zyciora: "Ein Badge-Design, also den bloßen Austausch von Markenemblemen auf ein- und demselben Modell wird es im Konzern nicht mehr geben. Genau das ist meine Aufgabe, dass wir uns nicht mehr wie beim VW Up, dem Seat Mii und dem Škoda Citigo selbst kopieren." Der Schönheits-Wettbewerb zwischen den Konzernmarken ist wohl das beste Mittel gegen jede Form von Trabi-Tristesse im Kleinwagensegment. VW wird sich anstrengen müssen, nicht hinter die Modernität der bisherigen ID-Modelle zurückzufallen. Und nicht zum Aschenputtel neben den ehrgeizigen Konzerntöchtern Škoda und Cupra zu werden, die ihre neuen (Design-)Freiheiten sehr wohl zu nutzen wissen.

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