Klimawandel:Größere Ohren, längere Schwänze

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Waldmäuse haben in den vergangenen Jahrzehnten längere Schwänze entwickelt. (Foto: AGAMI/T. Douma/imago/blickwinkel)

Kann man manchen Tierarten bereits die Erderwärmung ansehen? Durch evolutionäre Anpassung sind offenbar jene Körperteile gewachsen, die den Hitzeausgleich erleichtern.

Von Katrin Blawat

Zeige mir deine Ohren, und ich sage dir, wo du lebst. Genauer: welche Klimaverhältnisse in deiner Heimat herrschen. Denn es gilt ein Grundsatz, unter Biologen bekannt als Allen'sche Regel. Demnach haben Tiere in wärmeren Gebieten häufiger große Körperteile wie Ohren oder Schnäbel als ihre Verwandten in kühleren Lagen. Ein Beispiel dafür sind Polar- und Wüstenfuchs. Bei ersterem ragen die kleinen Ohren kaum aus dem dichten Pelz heraus, während die Ohrmuscheln des Wüstenfuchses gemessen an seiner Gesamtgröße überproportional üppig ausfallen.

Doch die Allen'sche Regel gilt nicht nur bezogen auf Unterschiede in verschiedenen Lebensräumen, sondern auch dann, wenn sich die Temperaturen an einem Ort infolge des Klimawandels ändern. Manche Tierarten haben in den vergangenen Jahrzehnten offenbar größere Ohren oder längere Beine und Schnäbel bekommen. Dies lasse sich zwar nicht mit letzter Sicherheit, aber doch sehr plausibel auf den Klimawandel zurückführen, schreibt ein Team um Sara Ryding von der australischen Deakin University im Fachmagazin Trends in Ecology and Evolution.

Die Flügel mancher Fledermäuse sind ebenfalls gewachsen

Vor allem zu Vögeln gibt es entsprechende Daten. So hätten sich die Schnäbel mehrerer australischer Papageienarten seit dem Jahr 1871 um vier bis zehn Prozent vergrößert, schreiben die Autoren. Diese Veränderungen korrelierten mit den jeweiligen Sommertemperaturen. Ebenfalls auf den Klimawandel zurückführen ließen sich die länger gewordenen Schwänze von Waldmaus und Amerikanischer Maskenspitzmaus. Bei letzterer sind zudem die Beine länger geworden. Auch die Flügel mancher Fledermäuse sind - vermutlich ebenfalls wegen des Klimawandels - gewachsen. "Die Größenzuwächse, die wir bisher sehen, sind ziemlich gering und fallen deshalb oft nicht sofort auf", sagt Erstautorin Ryding. "Aber auch prominente Körperfortsätze wie Ohren werden sich vergrößern. Wir könnten also in nicht allzu ferner Zukunft bei einer Art lebendigem Dumbo landen."

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Große, gut durchblutete Körperfortsätze wie Ohren, Schnäbel oder Beine erleichtern in warmen Regionen die Temperaturregulation des Organismus. Das Blut transportiert die Wärme nach außen und kann dafür eine große Fläche nutzen. Auf einem ähnlichen Prinzip beruht eine weitere Daumenregel, die das Verhältnis von gesamter Körpergröße zur Klimazone beschreibt. Der sogenannten Bergmann'schen Regel zufolge werden Tiere in kühleren Regionen größer als ihre Verwandten in wärmeren Gebieten. Größere Körper haben im Verhältnis zu ihrem Volumen eine kleinere Oberfläche, über die Wärme verloren gehen kann. In warmem Klima dagegen ist genau dieser Temperaturausgleich erwünscht. Erkennen lassen sich die Folgen dieser Regel etwa beim großen, am kalten Südpol lebenden Kaiserpinguin, und seinem Verwandten, dem kleineren Humboldt-Pinguin auf den wärmeren Galapagos-Inseln.

Ryding warnt jedoch davor, angesichts der Anpassungen den Klimawandel nicht mehr als Gefahr für viele Arten zu betrachten. Zum einen seien längst nicht alle Spezies derart flexibel. Welche Arten mit morphologischen Änderungen auf den Klimawandel reagieren können und welche nicht, lasse sich nicht vorhersagen. Zum anderen hätten auch jene Arten, bei denen sich bereits jetzt Veränderungen zeigten, nur begrenzte Anpassungsfähigkeiten. "Auch wissen wir nicht, welche anderen ökologischen Konsequenzen diese Veränderungen haben", sagt die Biologin. Zum Beispiel könnte ein vergrößerter Schnabel die Möglichkeiten eines Vogels einschränken, an Nahrung zu gelangen. Dann ist dem Tier vielleicht weniger warm, dafür hat es Hunger - langfristig gesehen wäre das vermutlich kein guter Tausch.

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