Mitten in Vaterstetten:Erststimme ist Grüffelo-Stimme

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Aha - ein neuer Bewerber für den Bundestag? Das legt jedenfalls die Plakatierung in Vaterstetten auf den ersten Blick nahe

Glosse von Wieland Bögel

Dass die Wahl auch eine Qual sein kann, ist hinlänglich bekannt, bei der aktuellen Bundestagswahl gilt das natürlich ebenso und vielleicht sogar ganz besonders. Finden es doch diesmal laut Demoskopen zwar so viele Leute wie selten zuvor wichtig, wählen zu gehen - und so viele Leute wie selten zuvor sagen, sie wüssten nicht wen oder was. Der Blick auf die Wahlplakate hilft da naturgemäß auch nur bedingt weiter - außer in Vaterstetten, dort ist nun ein weiterer Bewerber ins Rennen eingestiegen.

Könnte man zumindest meinen, denn seit einigen Tagen lächelt zwischen den schon allseits bekannten Porträts der Direktkandidaten und -kandidatinnen, der Parteichefs und Kanzlerinnenaspirantinnen ein neues Gesicht den Vorbeigehenden entgegen. Gut, man könnte auch sagen, er schaut schon ein wenig linkisch und vielleicht ist es auch eher ein Grinsen, denn ein Lächeln, was aber auch am in unserer Photoshop-optimierten Plakatlandschaft ungewöhnlichen Zahnschema liegen mag. Aber alles in allem wirkt er nicht komplett unsympathisch. Auffällig ist, dass der Kandidat auf einen Vor- oder vielleicht auch Nachnamen verzichtet, genau lässt sich das nicht sagen, und einer Partei scheint er auch nicht anzugehören, zumindest fehlt der entsprechende Hinweis.

Natürlich fällt spätestens auf den zweiten Blick auf, dass es sich nicht um einen echten Kandidaten zur Bundestagswahl handelt, sondern um die Ankündigung eines Theaterstücks: Der Grüffelo tritt vom kommenden Donnerstag an am Volksfestplatz in Vaterstetten auf. Ob die beliebte Kinderbuchfigur nun Grüffelo mit Vor- oder mit Nachnamen heißt, haben seine Erfinder ebenso offengelassen, wie, ob er eine Partei favorisieren würde, wenn es in seiner Welt denn überhaupt solche gäbe. Die indes einige interessante Parallelen zur Situation vor der Bundestagswahl aufweist, in dem bekannten Buch geht es schließlich um die Frage, wer eigentlich vor wem Angst haben muss, und warum. Diese Frage wird ja derzeit je nach politischer Kolorierung sehr unterschiedlich beantwortet, im Gegensatz zur Welt des Grüffelo geht es aber - wenigstens bislang - noch nicht darum, wer wen im Bedarfsfall als Püree, mit Zuckerguss oder am Spieß verspeisen wollen würde.

Der Grüffelo hat seinen letzten Auftritt in Vaterstetten übrigens am Wahlsonntag. Vielleicht wird er danach ja in Berlin gebraucht, um die nächste Koalition auszuhandeln.

© SZ vom 11.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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