Streit um Polizeieinsatz:IAA-Gegner klagen über massive Repressionen durch Polizei

Streit um Polizeieinsatz: Polizisten setzten mehrfach Pfefferspray gegen Klimaaktivisten ein.

Polizisten setzten mehrfach Pfefferspray gegen Klimaaktivisten ein.

(Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Die Vorwürfe der Aktivisten reichen von Einschüchterung bis Körperverletzung - offenbar sehen auch manche Polizisten das Vorgehen kritisch.

Von Joachim Mölter

Während Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Sonntag lobte, das rigide und konsequente Einsatzkonzept der Münchner Polizei bei der am Sonntag zu Ende gegangenen Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) habe sich "hervorragend bewährt", kritisierten Vertreter anderer Parteien sowie von Klima- und Umweltschutzgruppen die Maßnahmen der Sicherheitskräfte. Bei einer Bilanz des Mobilitätswende-Camps auf der Theresienwiese, wo sich rund um das Aktionsbündnis "Sand im Getriebe" eine IAA- und Auto-kritische Szene eingefunden hatte, sprach Anna Meyer vom Bündnis Smash IAA von "massiven Repressionen" und "völlig überzogenen Maßnahmen".

Diverse Aktivisten, die in der vorigen Woche aus unterschiedlichen Gründen in Gewahrsam genommen wurden, berichteten, dass sogar Polizisten auf unteren Ebenen ihr Unverständnis geäußert hatten, warum sie nach der ersten Vernehmung und Feststellung der Personalien weiter festgehalten werden mussten. Auch im Münchner Präsidium selbst soll es Unruhe gegeben haben, weil manche Beamte die vorgegebene Linie für unverhältnismäßig und in manchen Fällen sogar für rechtswidrig hielten - etwa, wenn IAA-Gegner, die lediglich Handzettel bei sich hatten und sich bei Kontrollen ausweisen konnten, dennoch stundenlang festgehalten wurden.

Die massive Polizeipräsenz speziell im Umfeld des Mobilitätswendecamps und der Demonstrationen, die daraus hervorgingen, wurde von den Sicherheitskräften jedenfalls als Erfolg gewertet: Dadurch sei es zu keinen weiteren und womöglich schlimmeren Zwischenfällen gekommen. Seitens der Aktivisten wurde das Polizeiaufgebot indes als Einschüchterungsversuch gesehen. "Die Polizei hat versucht, den Demonstranten Angst zu machen", fand Fritzi Krämer von BlockIAA.

Insgesamt wurden den Organisatoren des Mobilitätswendecamps von den dortigen Teilnehmern 302 Vorfälle mit Polizeikontakt gemeldet - Kontrollen, Durchsuchungen, Festnahmen. Dazu bemerkte der Anwaltliche Notdienst, eine Gruppe von Juristinnen und Juristen aus ganz Deutschland, die den Demonstranten während der IAA zur Seite stand: "Geringste Vorkommnisse wurden vorgeschoben, um stundenlange Freiheitsentziehungen durchzuführen. Aus nichtigen Anlässen kam es bei angemeldeten Versammlungen am Freitag und Samstag zu Schlagstock- und Pfeffersprayeinsätzen."

In einem besonders drastischen Fall seien die Sanitäter, die einen Demonstrationszug begleiteten, sogar zunächst gehindert worden, einer verunglückten Aktivistin Erste Hilfe zu leisten. Eine Frau war am Freitag in der Karlstraße beim Versuch, vor einem besetzten Haus auf einen Baum zu klettern, von Polizisten heruntergezogen worden und aus rund zwei Metern Höhe zu Boden gestürzt. Für Milan Martin vom Anwaltlichen Notdienst war das Eingreifen der Polizisten "nichts anderes als Körperverletzung im Amt". Auf Bäume zu klettern, sei nicht einmal eine Ordnungswidrigkeit, geschweige denn eine Straftat. Den Umstand, dass die Polizisten den Abtransport der Verletzten erst nach Angabe ihrer Personalien gestatteten, empfand Martin zudem als "Nötigung". Ob juristische Mittel gegen die Beamten eingeleitet werden, werde derzeit noch geprüft.

Politiker der bayerischen Grünen, die am Freitag und Samstag als "parlamentarische Beobachter" bei diversen Demonstrationsveranstaltungen unterwegs waren, fordern bereits, die Polizeieinsätze gründlich aufzuarbeiten. Bürgermeisterin Katrin Habenschaden fand: "Insgesamt scheint die Polizei besonnen gehandelt zu haben. Die Initiativen haben Wort gehalten und gewaltfrei demonstriert." Ihre Kritik richtete sich gegen die bayerische Staatsregierung: "Sie hat von vornherein den falschen Ton angeschlagen und die Protestierenden in die kriminelle Ecke gestellt." Der Stadtrat Thomas Lechner von den Linken, der ebenfalls als Beobachter unterwegs war, vermutete als Grund für die harte Polizeilinie, "dass die CSU noch ein Wahlkampfthema braucht und versucht hat, Szenarien der Eskalation zu konstruieren."

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