Um 19:25 Uhr war Schluss im Ruhrstadion, die Männer in den blauen Trikots, die Vertreter des VfL Bochum, nahmen die gebeugte Haltung von Trauernden an, die Spieler in Rot dagegen, die Profis von Hertha BSC, umarmten sich erleichtert. In der Ecke riefen ein paar Hundert mitgereiste Berliner "Auswärtssieg, Auswärtssieg", und mancher Besucher mag sich gefragt haben: Wie konnte das geschehen?
An mangelnder Unterstützung der einheimischen Zuschauer hat es jedenfalls nicht gelegen, dass der VfL am Sonntag gegen Hertha 1:3 (0:2) verloren hat, und es war auch nicht die Übermacht des Gegners, die dem Aufsteiger die Niederlage beschert hat. Die Berliner wehrten sich ordnungsgemäß und verteidigten einigermaßen entschlossen ihre Führung, gelegentlich auch im Liechtenstein-Modus - alle Mann stellen den Strafraum zu -, aber wenn VfL-Trainer Thomas Reis dem Problem auf den Grund geht, dann wird er vor allem in den eigenen Reihen fündig werden.
Gemeinschaftlich begangene Abwehrfehler des VfL Bochum
Den ansonsten außerordentlich harmlosen Berlinern gestatteten die Bochumer durch drei gemeinschaftlich begangene Abwehrfehler drei Treffer, die sie trotz heftigen Anstürmens nicht aufholten konnten. Suat Serdar wusste davon zwei Mal zu profitieren, der eingewechselte Neueinkauf Myziane Maolida ein weiteres Mal. Sein Solo entschied die Partie, die nach Simon Zollers Anschlusstreffer wieder spannend geworden war.
So unterschiedlich die Tore waren, so verwandt kamen den Zuschauern die Szenen vor. Beim 0:1 (37. Minute) ließ sich Anthony Losilla im Mittelfeld von Niklas Stark den Ball stehlen, weil ihn offenbar der Sekundenschlaf ergriffen hatte, und dann machten Elvis Rexhbecaj, Vasilios Lampropopoulos und Konstantinos Stafylidis mit vereinten Kräften alles falsch, was falsch zu machen war, ebenso wie Armel Bella-Kotchap und Lampropoulos beim 0:2 (43.).
Das 1:3 (77.) gelang Maolida mit einem mangels mitgelaufener Mitspieler aus Verlegenheit gestarteten Alleingang, den vier Bochumer nicht stoppen konnten. Während VfL-Trainer Reis verzweifelte, machte Pal Dardai einen beachtlichen Luftsprung. Diesen Sieg hatte er gebraucht, um seine bedrohte Stellung ein wenig zu festigen.
Dabei hatte die Berliner Fankurve nach einer halben Stunde den berüchtigten Ruf "Wir wollen euch kämpfen sehen" angestimmt, Ausdruck berechtigten Missmuts, aber auch ein klassisches Alarmsignal im Abstiegskampf, der scheinbar schon wieder auf der Tagesordnung stand beim Hauptstadtklub. Die Null-Punkte-Hertha, von Dardai gründlich umgebaut, spielte nicht wie ein Team, das eigentlich viel besser ist als der Tabellenstand.
Den Berliner Spielaufbau störten die Bochumer durch energisches Pressing wirkungsvoll, es ging kaum konstruktiv vorwärts für die Hertha, die Angreifer Ishak Belfodil und Marco Richter wirkten lediglich am Rande mit. Der VfL war die deutlich aktivere Mannschaft, aber dabei auch nicht frei von Fehlern. Leidenschaft zeichnete die Hausherren aus, zu viel Leidenschaft ließ sie jedoch zu oft kopflos werden. Die VfL-Fans trösteten sich später mit einem anderen Klassiker unter den Schlachtrufen. "Zieht den Bayern die Lederhosen aus", sangen sie in Erwartung des nächsten Heimspielgegners.