Raketentests:Starke Signale aus einem geschwächten Land

Raketentests: Südkoreaner verfolgen im Fernsehen Bilder aus Nordkorea, die einen neuen Raketentest zeigen sollen.

Südkoreaner verfolgen im Fernsehen Bilder aus Nordkorea, die einen neuen Raketentest zeigen sollen.

(Foto: Lee Jin-man/AP)

Nordkorea gibt bekannt, es habe "erfolgreich" einen Langstrecken-Marschflugkörper getestet. Damit lenkt Machthaber Kim von der großen Not ab, die das Land niederdrückt.

Von Thomas Hahn, Tokio

Am Montag redeten Südkorea und Japan in Tokio wieder darüber, wie man am besten mit Nordkorea redet. Noh Kyu-duk und Takehiro Funakoshi, die Sonderbeauftragten der beiden Nachbarländer, berieten über einen Plan zur gemeinsamen Annäherung an das Regime des Staatschefs Kim Jong-un. Und nach der neuesten Nachricht aus Pjöngjang dürften sie besonders motiviert gewesen sein, ihre Mission zum Erfolg zu führen.

Denn nur wenige Stunden zuvor hatte die staatliche Nachrichtenagentur KCNA über Nordkoreas Auslandsrundfunk Voice of Korea berichtet, die Akademie für nationale Verteidigungsforschung habe einen Langstrecken-Marschflugkörper "erfolgreich" getestet. Das Ereignis sei von "strategischer Bedeutung, weil es ein weiteres wirksames Abschreckungsmittel ist, das die Sicherheit unseres Staates stärker gewährleistet und mit Kraft die gegen die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) gerichteten Militärbewegungen der feindlichen Mächte übertrifft".

Mit besagten Militärbewegungen dürfte KCNA die Militärübungen meinen, welche die Bündnispartner Südkorea und USA im August abhielten. Und es ist wahr, dass Nordkoreas Test vom Wochenende ein machtvolleres Zeichen setzte. Dieser erprobte immerhin die Zündung von Raketen, mit denen man Bomben auf konkrete Ziele lenken kann. Bei der südkoreanisch-amerikanischen Routineübung im August ging es vor allem um Verteidigungsaktionen, welche die Streitkräfte am Computer simulierten. Nordkoreas Regime war seinerzeit trotzdem wütend. Kim Yo-jong, Kim Jong-uns einflussreiche Schwester, warf Südkorea "perfides Verhalten" vor und sagte, Seoul und Washington riskierten "eine ernste Sicherheitskrise". Den Kontakt mit dem Süden, der gerade erst wiederaufgelebt war, brach der Norden ab.

Die südkoreanischen und amerikanischen Reaktionen auf Nordkoreas neuen Raketentest fielen im Vergleich dazu gemäßigt aus. Südkoreas Generalstab teilte mit, man analysiere den Vorgang noch in Zusammenarbeit mit den zuständigen US-Behörden. Das Indo-Pazifik-Command der amerikanischen Streitkräfte meldete, man sei sich des Testabschusses bewusst und prüfe die Lage mit den Bündnispartnern. Es erklärte außerdem: "Diese Aktivitäten verdeutlichen, dass die DVRK weiterhin auf die Entwicklung ihres Militärprogramms und die damit verbundene Bedrohung für ihre Nachbarn und die internationale Gemeinschaft setzt."

Das Regime lässt kaum noch Hilfe ins Land

Nordkorea geht es gerade nicht gut. Zum Schutz gegen das Coronavirus hat sich das Land mehr denn je abgeschottet. Das Regime lässt kaum noch Hilfen ins Land, Unwetter haben Ernten zerstört, Lebensmittel sind knapp. Die Menschen erleben die schwerste Ernährungskrise der vergangenen Jahre. Das Land wirkt schwach, deshalb muss das Regime Zeichen der Stärke setzen.

Nach innen tat es das vergangene Woche zum 73. Jahrestag der Staatsgründung mit einer mitternächtlichen Parade. Schwere Waffen wurden dabei nicht über den Kim-Il-sung-Platz gefahren, stattdessen Feuerwehrautos, Traktoren, Motorräder. Dazu marschierten paramilitärisches Personal, lokale Reservisten und öffentliche Sicherheitskräfte auf. Die Botschaft lautete: Das Land ist in sicheren Händen. "Nordkorea muss seine Bevölkerung beruhigen", erklärte Jina Kim, Professorin von der Hankuk-Universität in dem Portal NK News.

Das Signal der Stärke nach außen folgte dann am Wochenende mit dem Marschflugkörper-Test. KCNA berichtete: "Die gestarteten Langstrecken-Marschflugkörper flogen 1500 Kilometer und 7580 Sekunden lang auf einer ovalen und achteckigen Flugbahn über dem Territorium und der Hoheitsluft unseres Staates, bevor sie die Ziele trafen." Wie technisch fortgeschritten die nordkoreanische Waffentechnik wirklich ist, kann aus der Ferne niemand sagen. Aber dass die Nordkoreaner ihr Arsenal trotz aller Schwierigkeiten weiterentwickeln, wurde deutlich.

An diesem Dienstag treffen Noh Kyu-duk und Takehiro Funakoshi, die Sonderbeauftragten Südkoreas und Japans, mit Sung Kim zusammen, dem Nordkorea-Beauftragten der USA. Dann wollen sie zu dritt beraten, wie man mit Nordkorea in den Dialog tritt. Sie dürften mehr denn je das Gefühl haben, dass Redebedarf besteht.

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