"Dune" im Kino:Von Dünen und Sandwürmern

Dune (2021)

Kampf um halluzinogene Drogen im Sand des Wüstenplaneten: Zendaya und Timothée Chalamet in der Neuverfilmung von "Dune".

(Foto: Warner)

Frank Herberts Science-Fiction-Epos "Dune" gilt als unverfilmbar. Der Regisseur Denis Villeneuve wagt trotzdem einen neuen Versuch.

Von Tobias Kniebe

Es gibt Momente betörender Schönheit in diesem Film. Wenn der aufgewirbelte Sand glitzert und irisiert, weil er Kristalle einer halluzinogen Droge enthält, Spice genannt. Wenn ein unglaublich elegantes Fluggerät mit acht schmalen mechanischen Libellenflügeln, wirklich neu in der Filmgeschichte, sich brummend und vibrierend in die Luft erhebt. Und wenn man als Zuschauer zum ersten Mal über eine brutalistische Wüstenmetropole fliegen darf, deren Designprinzip scheinbar direkt von der Cheops-Pyramide zu stammen scheint.

Der Kanadier Denis Villeneuve macht derzeit vielleicht nicht die besten Blockbuster Hollywoods, aber auf jeden Fall die bestaussehenden. Das Raumschiff der Aliens in "Arrival" war schon verführerisch schön. Von "Blade Runner 2049" blieben vor allem die herrlich dystopischen Bilder im Kopf. Und "Dune" übertrifft diese Vorgänger jetzt noch mal um Längen. Was natürlich auch daran liegt, dass die Vorstellung eines Wüstenplaneten, dessen Dünen von vierhundert Meter langen Sandwürmern durchwühlt werden, ohnehin schon ein visuelles Fest ist.

Warum in Gottes Namen trägt die Hauptfigur den unaussprechlichen Namen "Kwisatz Haderach"?

Die Idee dieses fast wasserlosen, lebensfeindlichen Himmelskörpers namens Arrakis stammt aus den Sechzigerjahren, aus dem weitsichtigen und ideenreichen Kopf des amerikanischen Autors Frank Herbert. Ein ganzes Universum umgibt diesen Planeten, das in sechs Bänden immer weiter expandierte in Raum und Zeit, bis sein Schöpfer starb und die große Erzählung unvollendet zurückließ. Sie ist ein Schlüsselwerk der Science-Fiction, eigentlich von Anfang an wie geschaffen für die größtmögliche Leinwand, wenn nicht... hach.

Wo die Stolpersteine liegen, erkennt man, sobald in den ersten Minuten der Held des Films eingeführt wird, Paul Atreides. Er ist ein Königssohn, Spross eines Herrscherhauses, das sich die Macht im Universum mit anderen Häusern teilen muss. Krieg liegt in der Luft. Paul, schmalbrüstig, lockenköpfig und sexy hohlwangig, verkörpert vom Mädchenschwarm du jour Timothée Chalamet, ist gezeichnet von der Macht und Verantwortung, die er bald tragen muss. Sie hängt von Beginn an wie Blei an ihm.

"Dune" im Kino: Vorsicht, Sandwurm! Die Dünenmonster in "Dune" werden bis zu 400 Meter lang.

Vorsicht, Sandwurm! Die Dünenmonster in "Dune" werden bis zu 400 Meter lang.

(Foto: Warner)

Dazu kommt, dass er ein Hochbegabter und Auserwählter ist, der den Gang der Dinge im Universum verändern wird. Da kennt das Kino inzwischen ja einige. Luke Skywalker aus "Star Wars" und Harry Potter waren das auch, aber die wussten es nicht sofort, die durften sich noch als normale, benachteiligte Jungs fühlen, bevor der Wahnsinn losging - und also sympathisch sein. Der arme Paul hat diesen Vorteil nicht, er wird von Anfang an als der Erlöser präsentiert, der in den Prophezeiungen sogar schon einen Namen hat. Er ist, jetzt aufgepasst: der Kwisatz Haderach.

Der Kwisatz... bitte was? Wer bitte in aller Welt würde ein kosmisches Superwesen erfinden, dafür ausersehen, mit perfekten Visionen in die Zukunft zu schauen und alles Wissen der Vergangenheit in sich zu tragen, über Jahrtausende gesammelt von einem intergalaktischen Orden von Seherinnen, fähig, Raum und Zeit zu überbrücken und an vielen Orten gleichzeitig zu sein, nur um es dann... Kwisatz Haderach zu nennen?

Klimakrise, Rohstoffmangel, Afghanistan, künstliche Intelligenz: In dieser Science-Fiction-Geschichte steckt alles drin

Herbert lehnt diesen und andere Namen an alte Sprachen und Quellen an, aber das hat einfach keinen Klang, der beim Aussprechen widerhallt. J.R.R. Tolkien ist bis heute so etwas wie der Herr aller Fantasiewelten, weil er im Hauptberuf Philologe war und vielleicht dadurch auch ein Genie der Namensgebung. Sein Universum wirkt wie durch Jahrhunderte gewachsen, weil er seine Namen aus dem durch Jahrhunderte gewachsenen Sprachgefühl der Menschen so geschickt herausdestilliert hat. Frank Herbert hingegen... tja.

Wenn man sich fragt, warum seine visuell so verführerischen Ideen schon so viele Regisseure zur Verzweiflung getrieben haben, bis hin zum Ruf der totalen Unverfilmbarkeit, braucht man nicht viel weiter zu suchen. Er ist immer ein bisschen zu ernst, zu abgehoben, zu zungenbrecherisch. Selbst David Lynch, aus dem die Traumbilder sonst nur so herausströmen, brachte 1984 nur eine sagenhaft steife Adaption zustande. Alejandro Jodorowsky, ein weiterer großer Fantast des Kinos, scheiterte bereits bei der Finanzierung.

Ein Scheitern aber wünscht man Denis Villeneuve nicht. Man fiebert geradezu mit, wenn er die zugänglichsten Aspekte des Herbertschen Universums in den Vordergrund rückt, ohne die schwierige Vorlage zu verraten. Brillant zum Beispiel die Idee, dass eine Wüstenkriegerin, die zur indigenen Bevölkerung des Planeten Arrakis gehört, im Film als erste ihre Stimme erheben darf. Man sieht sie mit angedeutetem Hijab-Schleier, gespielt von der Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin Zendaya. Irritierend blaue Augen leuchten aus ihrem Gesicht, das erinnert gleich an das berühmte Frauenbildnis, das die National Geographic einst auf dem Titel hatte, aufgenommen in einem Flüchtlingslager in Afghanistan.

Wie die unvorhersehbaren Zufälle der Filmproduktion manchmal so spielen, wirkt das dank aktueller Weltereignisse plötzlich wie ein Kommentar auf die Nachrichten. Die Kriegerin erzählt von ihrem geliebten Wüstenplaneten, der von brutalen Besatzern beherrscht und ausgebeutet wird. Wegen der im Sand verstreuten Droge Spice, die für Weltraumreisen unerlässlich ist und daher zum wertvollsten Rohstoff im Universum wurde. Das weckt alle möglichen Assoziationen - von der Erdölförderung im Irak bis zum Drogenanbau der Taliban in den Bergen des Hindukusch.

"Dune" im Kino: Schon die Regisseure Alejandro Jodorowsky und David Lynch scheiterten an "Dune". Jetzt unternimmt Denis Villeneuve einen neuen Versuch.

Schon die Regisseure Alejandro Jodorowsky und David Lynch scheiterten an "Dune". Jetzt unternimmt Denis Villeneuve einen neuen Versuch.

(Foto: Warner)

Diese verstärken sich noch, als die alten Besatzer plötzlich abziehen, ohne Abschied und Erklärung, und eine neue Macht von außen die Kontrolle übernimmt - das Haus Atreides mitsamt seinem Thronerben Paul. Der Wüstenplanet wird nun ein Schauplatz für brutale Stellvertreterkriege sein, ein wertvolles Pfand in einem intergalaktischen Ringen um Macht, das der Film gar nicht auserzählen muss, so abstoßend offensichtlich, wie es ist. Paul mit seinen übersinnlichen Gaben aber wird der Überlebende sein, der ein Verständnis für die Indigenen entwickelt, ihre Zähigkeit und ihre unterschätzte Kampfkraft. Mit der blauäugigen Frau an seiner Seite wird sein Aufstieg beginnen...

Mit "Dune" hat Denis Villeneuve nur die erste Hälfte des ersten Romans aus der Saga verfilmt, und natürlich hofft er, an der Kinokasse erfolgreich genug zu sein, um weitermachen zu dürfen. Das hofft man als Betrachter auch. Gar nicht so sehr wegen des nächsten Teils, der Pauls offensichtlichen Aufstieg zum Herrn der Galaxis erzählt, der in seinen Träumen bereits vorgezeichnet ist.

Der weiße Messias, der ein geknechtetes Wüstenvolk in die Freiheit führt, das ist fast der banalste und unzeitgemäßeste Teil von Herberts Welterbauungsdrang, auch wenn Religion bei ihm immer Machtinstrument und in die Gehirne hineingepflanztes Konstrukt ist, nie wirklich ein tief empfundener Grund des Handelns.

Die folgenden Bände aber enthalten einen Gottkaiser, der den kriegerischen und ökologischen Wahnsinn der menschlichen Wachstumsideologie durchschaut hat - und der der Galaxis einen jahrhundertelangen, heilenden Stillstand verordnet. Oder eine unbesiegbare Frauenarmee, die alles männliche Soldatentum obsolet macht. Oder die mörderische Rückkehr der künstlichen Denkmaschinen, die für Jahrtausende verboten waren... selbst die hochaktuelle Angst vor Artificial Intelligence hat Herbert schon vor mehr als sechzig Jahren vorausgesehen.

Könnte Denis Villeneuve der Filmemacher sein, der all das endlich in angemessen gewaltige Bilder verwandelt? Weil er der Erste ist, der es schafft, das alles auch aus der Perspektive von Underdogs zu erzählen, das allzu Ernste und Abgehobene und zungenbrecherisch Verrückte dieses Universums zu überwinden? Man wünscht es ihm sehr. Denn die großen Ideen darin könnten zeitgemäßer nicht sein. Und die visuelle Schönheit, die es in dieser endlosen Galaxis noch zu entdecken gäbe - schon beim Gedanken daran können einem die Augen übergehen.

Dune, USA 2021 - Regie: Denis Villeneuve. Buch: Villeneuve, Eric Roth, Jon Spaihts. Kamera: Greig Fraser. Musik: Hans Zimmer. Mit Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson, Oscar Isaac, Zendaya. Warner Bros, 155 Minuten.

Anmerkung: Eine frühere Fassung des Textes konnte ungewollt den Eindruck erzeugen, Frank Herbert habe den Namen "Kwisatz Haderach" frei erfunden. Dies haben wir korrigiert.

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