Finanzaffäre:CDU und SPD werfen einander Filz vor

SPD-Bundesparteitag

Norbert Walter-Borjans: "Das Lebenselixier der Konservativen waren schon immer die Strippen".

(Foto: picture alliance/dpa)

In der Endphase des Wahlkampfs eskaliert der Streit der Koalitionspartner über die Durchsuchung im Finanzministerium. Die Rede ist von mangelnder Kanzler-Eignung und Missbrauch der Justiz.

Von Peter Burghardt, Hamburg, Cerstin Gammelin und Mike Szymanski, Berlin

Knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl überziehen SPD und Union einander mit schweren Vorwürfen und Verdächtigungen. Der Co-Vorsitzende der SPD, Norbert Walter-Borjans, beschuldigt die CDU, möglicherweise die Justiz zu missbrauchen, um das Ansehen von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zu beschädigen. CDU-Wirtschaftsexperte Friedrich Merz hingegen zieht die Eignung von Olaf Scholz als Kanzler wegen einiger Finanzaffären in Zweifel. Hintergrund sind Durchsuchungen im von Scholz geführten Finanzministerium sowie im Justizministerium in der vergangenen Woche, die die Staatsanwaltschaft Osnabrück beantragt hatte.

Es geht um Ermittlungen gegen die Geldwäsche-Spezialeinheit des Zolls, die Financial Intelligence Unit (FIU), wegen einiger Vorfälle in Niedersachsen. Die FIU arbeitet unabhängig, das Finanzministerium hat die Rechtsaufsicht. Die Durchsuchungen sorgten für Empörung. In einer Pressemitteilung hatte die Staatsanwaltschaft von Untersuchungen bis in die Leitungsebene der Ministerien gesprochen. Im Durchsuchungsbeschluss selbst war davon keine Rede. Für weitere Aufregung sorgte, dass der Chef der Osnabrücker Staatsanwaltschaft für die CDU aktiv ist.

Nun sagte Walter-Borjans der Süddeutschen Zeitung: "Der schwerwiegende Verdacht der Instrumentalisierung staatlicher Behörden durch konservative Parteigänger wäre noch einmal eine neue Dimension im Wahlkampf."

Der Union wirft er in drastischen Worten Filz vor. "Das Lebenselixier der Konservativen waren schon immer die Strippen, mit denen sie Lobbyisten den Weg in Regierungskreise ebnen." Er nannte als Beispiel unter anderem die "Maskendeals", bei denen Unionsabgeordnete Profite aus Geschäften mit Schutzmasken gezogen hatten. Er führt weiter aus: "Wenn die Strippen zu Gönnern und Geldgebern und der Einfluss auf Ämter verloren zu gehen drohen, war der Partei mit dem C im Namen selten etwas heilig."

Ein Sprecher der ermittelnden Staatsanwaltschaft Osnabrück sagte auf SZ-Anfrage: "Der Maßstab für unser Handeln ist nicht Parteipolitik, nicht Wahlkampf, nicht Wahltermine, sondern es ist allein Recht und Gesetz und die Verpflichtung, umfangreich und möglichst zeitnah zu ermitteln."

Friedrich Merz (CDU) wiederum sieht Scholz wegen angeblicher Verfehlungen im Finanzministerium in der Defensive. "Die Menschen fangen an, darüber nachzudenken, ob Olaf Scholz wirklich der richtige Bundeskanzler für die Bundesrepublik Deutschland ist", sagte Merz bei einem Auftritt mit Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet in Stuttgart. "Wenn man sieht, in welche Zahl von Finanzskandalen er verstrickt ist", wüchsen die Zweifel.

Merz zeigte sich auch irritiert darüber, wie lax Finanzminister Scholz mit den Ermittlungen gegen dessen Staatssekretär Wolfgang Schmidt umgehe. Schmidt selbst sei nicht tragbar. "Und dieser Mann soll Chef des Bundeskanzleramts werden?", sagte Merz. All das führe dazu, dass die Union "auf der Schlussgeraden wieder Vertrauen gewinnt". Auch Laschet sagte, viele hätten wegen guter Umfragewerte für die SPD gedacht, "Olaf Scholz wäre schon gesetzt". Jetzt zeige sich, dass der SPD-Kandidat sein Ministerium nicht im Griff habe.

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hatte in einer Pressemitteilung vom 9. September erklärt, dass bei der Durchsuchung geprüft werden sollte, "ob und gegebenenfalls inwieweit die Leitung sowie Verantwortliche der Ministerien ... in Entscheidungen der FIU eingebunden waren". Gegen die Spezialeinheit wird laut Staatsanwaltschaft seit 2020 ermittelt, weil von Banken gefertigte Verdachtsmeldungen nicht an Polizei und Justiz weitergeleitet worden seien. Auffällig ist, dass sich die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft an einer wichtigen Stelle anders liest als der Durchsuchungsbeschluss. In dem Beschluss des Amtsgerichts heißt es schlicht, die Durchsuchung diene der Identifizierung beteiligter FIU-Mitarbeiter.

Wolfgang Schmidt, Staatssekretär im Finanzministerium und Vertrauter von Olaf Scholz, hatte den Gerichtsbeschluss und die Diskrepanz öffentlich gemacht. Deswegen läuft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren.

In Niedersachsen will nun der SPD-Landtagsabgeordnete Wiard Siebels in einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung von SPD und CDU wissen, wie es zu der Durchsuchung kam. Die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza (CDU) sagte der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, sie habe auf das Ermittlungsverfahren "selbstverständlich keinen Einfluss genommen". Allerdings hatte sie dem Bund im August Versäumnisse im Kampf gegen Schwarzgeld vorgeworfen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) will sich zu laufenden Ermittlungen nicht äußern.

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