La Boum:Mäuse unterm Küchenboden

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(Foto: Steffen Mackert)

Unsere Kolumnistin hat einen Wasserschaden in der Wohnung. Und stellt danach erstaunliche Verbindungen zwischen Nagetieren, Klippen und der EU fest.

Von Nadia Pantel

Früher habe ich mir unter dem Begriff Wasserschaden eine nasse Angelegenheit vorgestellt. Wie eng gedacht. Ein Wasserschaden, diese Weisheit teilt meine Pariser Wohnung mit mir, kann alle Formen annehmen. Er kann zum Beispiel wie vor meinem Kühlschrank aussehen, wie eine langsam anschwellende Beule, die das Parkett nach oben wölbt. Er kann zu einer schroffen Klippe werden, wie vor meinem Herd, wenn er den Boden aufreißt. Er hat sogar die Kraft, unsichtbar in den Alltag einzugreifen, indem er verhindert, dass man den Toaster und den Wasserkocher gleichzeitig anschalten kann, weil sonst die Sicherung rausfliegt.

Dass Beulen, Klippen und Toastunfälle alle auf einen mutmaßlichen See unter dem Küchenboden zurückzuführen sind, weiß ich von dem Handwerker, der diese Woche vorbeikam. So wie wir auch, lebt er noch nicht lange in Paris, aber er kann die wichtigsten Gegenspieler friedlichen Wohnens klar benennen: Nagetiere und Wasser. Da wird einem direkt schummerig in der Seele, weil Nagetiere Wasser völlig in Ordnung finden. Man kann die zwei Feinde also nicht gegeneinander ausspielen. An der Übermacht der Nagetiere ist übrigens außerdem auch die EU schuld, weil die "alles gute Gift vom Markt genommen hat". Diese Behauptung habe ich nicht überprüft, aber ich denke, sie ist eine gute Nachricht für die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Die will ja nun Präsidentin Frankreichs werden, und in den schicken Vierteln im Westen der Stadt schäumen sie vor Wut. Da halten sie Hidalgo nämlich für eine Rattenzüchterin. Aus erster Hand, also von dem Mann, der die Beule weggeklopft hat, weiß ich nun, dass gar nicht Hidalgo den Ratten den Pelz krault, sondern die EU.

Man sieht auf dem Schild drei Ratten, die nach Käse gieren

Möglicherweise ist das Rattenproblem aber älter als Hidalgo (Jahrgang 1959) und sogar noch älter als die EU (Jahrgang 1951, wenn man die Montanunion mitzählt). Im frisch wiedereröffneten Musée Carnavalet, das die Geschichte von Paris vom Faustkeil bis heute dokumentiert, hängt gleich im ersten Saal ein Rattenschild. Es ist aus dem 18. Jahrhundert und gehörte zu einem Käseladen, der "Aux trois rats" hieß. Der Laden hatte sich ein schmiedeeisenes Schild gegönnt, auf dem man drei Ratten im Profil sehen kann. Ein paar Säle weiter hängt ein Gemälde, dass den Pont Neuf 1666 zeigt, aber auch sehr heutig wirkt. Mitten auf der Brücke hockt ein Mann und, Verzeihung, kackt. Neben ihm telefoniert jemand, oder kratzt sich einfach am Ohr. Gestritten wird auch, und eine Frau muss ihr gehfaules Kind auf dem Rücken über die Brücke schleppen. Auch das kommt mir bekannt vor.

Das Einzige, was sich wirklich verändert hat: Nagetiere essen keinen Käse mehr. Also wenigstens nicht die Mäuse, die in dem See unter unserem Küchenboden leben. Ich habe sie erst drei Mal gesehen, ihre Spuren begegnen mir öfter. Will man sie fangen, funktionieren nur zwei Lockmittel: Erdnussbutter und Nutella. Käse verschimmelt in der Falle.

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La Boum
:Erst Detox, dann Retox

Unsere Kolumnistin befindet sich auf der Ja-Straße, die führt direkt ins Yoga-Retreat. Dort trinkt sie tagsüber Smoothies, abends balanciert sie Champagnergläser auf dem Kopf und isst ein ganzes Boot voller Meerestiere.

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