Video-Schiedsrichter in Köln:Der unsichtbare 24. Mann

Lesezeit: 3 min

Vier von fünf geschossenen Toren in Zweifel gezogen: Nach der Rückmeldung aus dem Kölner Videokeller muss Schiedsrichter Felix Brych immer wieder auf den Bildschirm starren. (Foto: Mika Volkmann/imago)

In der spektakulären Partie zwischen Köln und Leipzig muss der Video-Schiedsrichter mehrmals eingreifen - und steht doch nicht als Spielverderber da. Eine Heldengeschichte gibt es obendrauf.

Von Philipp Selldorf, Köln

Als um 20:22 Uhr Felix Brych dem Spektakel ein Ende machte, da dürfte drüben auf der anderen Rheinseite im Stadtteil Deutz auch Robert Hartmann erschöpft aufgeatmet haben. Der Video-Schiedsrichter hatte in seiner Keller-Kammer einen harten Arbeitstag erlebt. Ständig waren sein kundiger Blick und sein Rat gefragt, er war der unsichtbare 24. Mann auf dem Feld und eine Figur, die immer wieder in den Mittelpunkt rückte, das Kölner Publikum widmete ihm minutenlange Pfeif-Tiraden, aber es bejubelte auch seine Urteile.

FC Bayern
:Eine perfekte Woche

Mit einer 7:0-Gala gegen Aufsteiger Bochum löst der FC Bayern Wolfsburg als Tabellenführer ab - zumindest für eine Nacht. Neben Joshua Kimmich nutzt vor allem Leroy Sané das Spiel zur Eigenwerbung.

Aus dem Stadion von Maik Rosner

Wenn der Video-Richter von fünf geschossenen Toren vier wieder aberkennt bzw. in Zweifel zieht, dann kann er in den Ruf des Spielverderbers geraten und seinen Daseinszweck zur Disposition stellen. Aber dass die Partie zwischen dem 1. FC Köln und RB Leipzig 1:1 endete und damit ein großartiges Fußballspiel den gerechten Ausgang fand, das war auch Hartmanns Verdienst. Er korrigierte, was zu korrigieren war und half damit den Feld-Schiedsrichtern mindestens zweimal aus der Verlegenheit, ohne sie dabei zu beschämen.

Nur zwei Tore - das wirkt fast wie ein Witz

Darüber hinaus blieb für beide Teams genügend Spielraum, um das Resultat zu eigenen Gunsten zu gestalten. Zwei Treffer waren eine arme Ausbeute in einer Partie, die aufregend war wie ein Endspiel und vom Anfang bis zum Ende atemlos von Torchance zu Torchance hetzte. Die Krönung erfolgte in der dritten Minute der Nachspielzeit, als die Kölner Sebastian Andersson und Andrej Duda binnen Sekunden zwei Gelegenheiten vergaben, von denen die eine der Kategorie 99-prozentig und die andere der Kategorie 100-prozentig angehörte. Wie es Duda fertigbrachte, statt ins leere Tor in die Arme von Torwart Peter Gulasci zu schießen, wird ihn selbst noch lange beschäftigen. Ein Kölner Sieg wäre durchaus verdient gewesen, ein Leipziger Sieg aber kein bisschen weniger, das Remis war die fairste Lösung.

Die Partie brauchte keinerlei Anlauf, um hektisch und rasant zu werden. Nach fünf Minuten gab es den ersten Treffer, doch der Keller in Deutz bestätigte den Entscheid des Assistenten im Stadion - Dominik Szoboszlai hatte nach Dani Olmos Pass minimal ein Abseits ausgelöst. Drei Minuten später schloss Christopher Nkunku ein enormes Solo mit einem Schuss gegen den Pfosten ab, die Kölner Abwehr wankte bedenklich, aber sie fiel nicht, und sie bekam Unterstützung von der Kölner Offensive, die das Spiel auf einmal in die andere Hälfte verlagerte.

Auch Duda traf nun die Torstange, aus dem einseitigen Leipziger Sturmlauf der ersten Minuten wurde ein Schlagabtausch zwischen beiden Parteien - ein Spiel ganz nach dem Geschmack der beiden angriffsverliebten Trainer und der 25 000 Augenzeugen. Voetbal total, wie die Holländer sagen. In hohem Tempo ging es weiter bis zum Pausenpfiff, zwischendurch hatte Mark Uth ein Tor geschossen, über dessen Aberkennung musste man nicht streiten: Vorlagengeber Anthony Modeste hatte im Abseits gestanden.

Die erste Halbzeit war stark. Die zweite noch stärker

Die erste Hälfte hatte bereits große Unterhaltung geboten, die Leipziger schienen etwas mehr Hubraum, Zylinder und PS zu haben, die Kölner aber hielten mit anderen Qualitäten dagegen - und das waren keineswegs die Mittel des Außenseiters. Doch die zweite Hälfte sollte im selben Geist sogar noch besser werden.

Es gab ein 1:0 durch Modeste, das nicht zählte (Abseits, knapp) und ein weiteres 1:0 durch Modeste, das zunächst auch nicht zählte, nach Hartmanns Hinweis und Brychs eingehender Prüfung am Bildschirm dann aber doch für rechtmäßig erklärt wurde (54. Minute): Uth hatte den Leipziger Mohamed Simakan im Strafraum attackiert, was auf den ersten Schiedsrichter-Blick noch regelwidrig ausgesehen hatte, auf den dritten und vierten Blick aber nicht mehr.

Hielt so gut wie wohl noch nie in seiner Karriere: Timo Horn (rechts) rettet gegen Dominik Szoboszlai. (Foto: Martin Meissner/AP)

Den nächsten Treffer setzte der eingewechselte Emil Forsberg (67.), der Stadionsprecher hatte schon das 1:1 verkündet und beide Mannschaften hatten zum Anstoß Aufstellung genommen, doch wieder gab es berechtigten Einspruch, wieder hatte ein einzelnes Bein (hier von Forsberg) ins Abseits geragt. Was für ein Abend. Gegen Amadou Haidaras vergleichsweise profane Kopfballrakete zum 1:1 vier Minuten später hatte dann aber niemand mehr etwas einzuwenden.

Schließlich brachte die Partie auch noch eine Heldengeschichte hervor. Während bei den Mitspielern die Kräfte schwanden, wurde der Kölner Torwart Timo Horn immer stärker und verdarb den nun doch ziemlich dominanten Leipzigern den Lohn ihres Anrennens, indem er einen Ball nach dem anderen parierte. Den Höhepunkt seiner Taten servierte er pünktlich zum Finale im Privatduell mit Szoboszlai. FC-Trainer Steffen Baumgart steuerte nach dem Abpfiff geradewegs auf Horn zu, um dem Torwart die verdienten Komplimente zu machen.

Es war nur ein 1:1, könnte man beim Blick aufs Resultat meinen. Aber dieses 1:1 war nicht weniger aufregend als ein 5:4 oder 4:5.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Hertha BSC
:Der Neue löst die Krämpfe

Jurgen Ekkelenkamp befreit Hertha BSC 87 Sekunden nach seiner Einwechselung. Das 2:1 gegen Aufsteiger Fürth ist trotzdem ein erstaunlicher Kraftakt, der bei den Berlinern für wenig Beruhigung sorgen dürfte.

Von Jens Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: