Filmstarts der Woche:Welche Filme sich lohnen - und welche nicht

Lesezeit: 5 min

Mads Mikkelsen (r) als Markus und Andrea Heick Gadeberg als Mathilde in "Helden der Wahrscheinlichkeit". (Foto: Verleih)

Anders Thomas Jensen erfindet eine mörderische Gruppentherapie für schräge Vögel, und David Wnendt dreht auf Englisch in Spitzbergen. Plus alle Filme in Kürze.

Von den SZ-Kritikern

Die außergewöhnliche Reise der Celeste Garcia

Nicolas Freund: Von Kuba aus gesehen ist ja irgendwie alles ein fremder Planet, aber die ehemalige Lehrerin Celeste Garcia möchte nicht nur ihre Heimatinsel, sondern gleich die ganze Erde verlassen. Neuerdings ist das auf Kuba auch möglich: Wie sich in den Abendnachrichten herausstellt, war die Gesellschaft nämlich von Außerirdischen unterwandert, die von den Menschen und insbesondere dem kubanischen Staat dermaßen angetan waren, dass sie nun gerne allen, die Interesse haben, ihren Heimatplaneten zeigen möchten. Also wartet Celeste mit Hunderten anderen Außenseiter in einer Art Ferienarbeitslager darauf, dass ein Raumschiff kommt und sie abholt. Arturo Infante erzählt im Ton des magischen Realismus vom Ende des Sozialismus und dem Wunsch nach einem Neuanfang.

Dogs Don't Wear Pants

Sofia Glasl: Wie durch einen Kaninchenbau in Richtung Wunderland trudelt der Witwer Juha, als er aus Versehen in das Studio einer Domina stolpert. Für kurze Momente lässt diese ihn wieder bei seiner Frau sein: Wenn sie ihn bis zur Bewusstlosigkeit würgt, halluziniert er sich in die Vergangenheit. Was sensationslüstern klingt, ist vor allem ein empathisches Drama über den Umgang mit Verlust und Trauma. Zwischen schwarzem Humor und Körperhorrormomenten, die den "Marathon-Mann" erblassen lassen, gelingt dem Finnen Jukka-Pekka Valkeapää ein emotionales Porträt und ein interessierter Blick in die BDSM-Kultur.

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Donnie Darko (Wiederaufführung)

Helena Zacher: In 28 Tagen, 6 Stunden, 42 Minuten und zwölf Sekunden geht die Welt unter. Das wird dem psychisch labilen Teenager Donnie Darko von einem Wesen im Hasenkostüm verkündet. Das sich daraufhin einstellende Gefühl der inneren Unruhe wächst durch kleine Details: Gelesen wird Stephen King, im Hintergrund spielt "The Killing Moon". Der Film von Richard Kelly über Angst, der trotzdem Spaß macht, kommt zum Jubiläum des Kinostarts vor 20 Jahren zurück auf die Leinwand.

Helden der Wahrscheinlichkeit

Tobias Kniebe: Eine Frau stirbt bei einem Zugunglück, ihre Teenage-Tochter und ihr Mann (ein von Kriegseinsätzen als Soldat gezeichneter Mads Mikkelsen) versinken in Trauer. Bis zwei komische Zahlen-Nerds auftauchen, die wissen wollen, dass alles kein Zufall war, sondern ein Anschlag. Damit beginnt der wohl seltsamste Rachefeldzug der Filmgeschichte, eine mörderische Gruppentherapie für liebenswert schräge und emotional beschädigte Vögel. Die lernen kämpfen, und Anders Thomas Jensen, der große Drehbuch-Psychologe der dänischen Seele, lernt als Regisseur auf die Kacke zu hauen. Gewaltverherrlichend, fragwürdig, lustig und bizarr unterhaltsam.

Herr Mo

Anke Sterneborg: Herr Mo spricht wenig, bewegt sich stoisch durch die Welt und scheut seit dem Tod seiner Frau die Nähe zu Menschen. Die Diagnose Magenkrebs katapultiert ihn aus seiner Lebensroutine. Einen Traum will er sich noch erfüllen, mit seinem entfremdeten Sohn, einem angehenden Filmregisseur, und dessen Freundin einen Stummfilm drehen und zugleich ein Familiengeheimnis lüften. In seinem Regiedebüt findet der Südkoreaner Lim Dae- hyung in den schwarz-weiß gefilmten Industriewüsten, Randbezirksbrachen und Hochhaussiedlungen von Seoul eine eigentümlich schöne Balance zwischen dem Slapstick Charlie Chaplins und der Melancholie der Nouvelle Vague.

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Lionhearted - Aus der Deckung

Doris Kuhn: Erzählt wird, was man schätzt: vom Einfluss des Sports auf den Charakter, gerade wenn es ein Kampfsport ist. Von der Erziehung durch die Gemeinschaft im Verein, in diesem Fall der Boxabteilung des TSV 1860 München. Da der porträtierte Trainer aber seine Schützlinge auf eine Reise zu Kollegen in Accra, Ghana, mitnimmt, geht Antje Drinnenbergs Boxerdoku darüber noch hinaus. Sie zeigt, anrührend und spannend zugleich, Erziehung durch den Vergleich von Lebensumständen.

Mitgefühl - Pflege neu denken

Johanna Adorján: Ein leiser, zutiefst berührender Dokumentarfilm über ein Pflegeheim in Dänemark, in dem Demenzerkrankten gleichwertig begegnet wird. Zugleich ein Film über das Kranksein und Sterbendürfen in Würde. Der Regisseurin Louise Detlefsen ist es gelungen, den Erkrankten ganz nahezukommen, ohne deren Schicksal auszustellen. Man lernt sie kennen, schließt sie ins Herz - und möglicherweise weint man überraschende Tränen, wenn einer oder eine von ihnen stirbt. Sehr sehenswert.

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Oasis: Knebworth 1996

David Steinitz: 1996 spielten die Gebrüder Liam und Noel Gallagher ein legendäres Konzert in Knebworth, wo schon die Stones und Pink Floyd und Paul McCartney aufgetreten waren - aber eben niemand vor so vielen Menschen wie Oasis damals. Die Dokumentation von Jake Scott ist halb Konzertfilm, halb nostalgische Erinnerung an den Höhepunkt des Britpop, als Tickets 22 Pfund und 50 Pence kosteten - also ungefähr so viel wie heute auf einem Konzert ein Bier.

Schachnovelle

Nicolas Freund: Stefan Zweigs "Schachnovelle" von 1942 ist ein großes Rätsel. Um was geht es eigentlich in diesem Schachduell zwischen einem animalischen Genie und einem von der Nazi-Folter versehrten Flüchtling auf einem Ozeandampfer? Doch offensichtlich nicht nur um Schach. Wo die Vorlage vage bleibt, gibt Philipp Stölzl in seiner Verfilmung des Literaturklassikers eine sehr klare Antwort: Spiel und Dampfer werden mit dramatischer Geste zu einer großen Metapher auf den Widerstand gegen die Methoden des Naziregimes. Das nimmt dem Stoff seine Offenheit und gibt ihm doch gerade das entscheidende Moment, das der Vorlage fehlte, ohne sie zu sehr zu verfälschen. Einer der seltenen Fälle, in denen der Film besser ist als das Buch.

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The Sunlit Night

Susan Vahabzadeh: Frances (Jenny Slate) braucht dringend neuen Boden unter den Füßen - daheim in New York wird ihre Arbeit niedergemacht, ihr Freund serviert sie ab, und ihre Eltern trennen sich. Also reist die junge Künstlerin ans Ende der Welt, nach Norwegen, um sich beim Bemalen einer Scheune neu zu erfinden. Und einen anderen Mann zu treffen, der sich auch aus New York dorthin verirrt hat. Der erste englischsprachige Filme von David Wnendt ("Feuchtgebiete") hat einen wunderbaren Cast und großartige Landschaftsaufnahmen - aber die Liebesgeschichte mit Wikingerbegräbnis plätschert viel zu ziellos dahin. Man wird nie das Gefühl los, dass hier irgendetwas fehlt.

Ted Bundy: No Man of God

Dennis Müller: Wie charmant und einnehmend Serienmörder Ted Bundy sein konnte, bekommt in diesem Film FBI-Profiler Hagmeier zu spüren, der einzige Mensch, dem sich der inhaftierte Killer je öffnen wollte. Regisseurin Amber Sealey und Autor C. Robert Cargill nutzten für ihr dichtes, kammerspielartiges Drama die realen Abschriften Hagmeiers, dem Darsteller Elijah Wood die richtige Mischung aus Faszination und Ekel verleiht. Ein Film gegen Hollywoods Serienkiller-Verherrlichung.

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Toubab

Annett Scheffel: Wenn aus einer Männerfreundschaft eine schwule Scheinehe wird: Frisch aus dem Knast gerät Babtou sofort wieder mit der Polizei aneinander und heiratet seinen weißen Freund Dennis, um der Abschiebung nach Senegal zu entgehen - dem Land, das er nur aus Erzählungen seines Vaters kennt. Florian Dietrichs tragikomischer und von den beiden jungen Hauptdarstellern getragener Debütfilm will beides: Spaß machen und trotzdem ernsthaft von Homophobie und Rassismus erzählen. Eine humorige Sozialstudie, die die billigen Gags umschifft.

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Trans - I got Life

Philipp Stadelmaier: Doris Metz und Imogen Kimmel porträtieren in ihrer Doku Trans-Personen, während oder nach ihrer operativen Geschlechtsangleichung, sowie ihren Münchner Chirurgen. Gut, dass hier deutlich wird: Trans-Personen sind überall, in der Mitte der Gesellschaft, sie sind Mechatronikerinnen, Busfahrer, Offizierinnen der Bundeswehr. Eine stärkere Kritik an der Idee der Zweigeschlechtlichkeit wäre dennoch wünschenswert gewesen.

Why Are We (Not) Creative?

Anna Steinbauer: Nachdem Regisseur Hermann Vaske 30 Jahre lang namhafte Künstler, Autoren und Aktivisten nach den Geheimnissen ihrer Kreativität befragt hat, begibt er sich nun im zweiten Teil seiner smarten, höchst vergnüglichen Doku-Trilogie auf die Suche nach den Betablockern der Kreativität. Wodurch wird diese bedroht? Staatliche Unterdrückung, Angst, Konformität, Geld? Zu hören und zu sehen: viele kluge, nachdenklich machende, inspirierende Stimmen berühmter Kunstschaffender wie u. a. den Pussy-Riot-Aktivistinnen, T. C. Boyle, Shirin Neshat und Björk bis hin zum Dalai Lama. Fazit: Ideen kann man nicht töten.

© SZ vom 23.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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SZ Plus"Schachnovelle" im Kino
:Spiel ums Leben

Regisseur Philipp Stölzl hat Stefan Zweigs "Schachnovelle" neu fürs Kino adaptiert. Ist sein Film vielleicht sogar besser als das Buch?

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