Extremismus:Seehofer macht dem Bundestag Vorwürfe

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Nach dem mutmaßlichen Mord in Idar-Oberstein beklagt der Innenminister, dass Initiativen der Regierung gegen Extremismus im Parlament gestoppt wurden - vor allem von Unions-Abgeordneten.

Von Constanze von Bullion

Nach der Tötung eines Tankstellenmitarbeiters in Idar-Oberstein und Aktionen von Neonazis im Wahlkampf drängt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf mehr gesetzgeberische Konsequenz. "Das ist alles tief erschütternd und vollkommen inakzeptabel. Solche brutalen Taten müssen wir abstellen", sagte Seehofer der Süddeutschen Zeitung. Seit Langem warne er vor einer Verrohung der Gesellschaft. "Wir verzeichnen hier eine Zunahme, ob im linksextremistischen, rechtsextremistischen, islamistischen oder antisemitischen Bereich. Aber keiner hat das aufgegriffen." Zuletzt habe der Bundestag wesentliche Initiativen gegen Hasskriminalität ausgebremst. "Wichtige Vorschläge der Bundesregierung wurden nicht umgesetzt."

Am Samstag war ein 20 Jahre alter Mitarbeiter einer Tankstelle im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein in den Kopf geschossen worden. Zuvor hatte er einen Kunden gebeten, eine Maske zu tragen. Ein 49-jähriger Tatverdächtiger gab nach seiner Festnahme an, er lehne die staatlichen Corona-Maßnahmen ab und habe ein Zeichen setzen wollen. In den Tagen zuvor hatte die neonazistische Partei "Der III. Weg" in Würzburg drei mit Kunstblut bespritzte Puppen aufs Pflaster gelegt, offenbar eine Anspielung auf die drei Bewerber fürs Kanzleramt. Zuvor hatte die Partei in Zwickau Plakate mit dem Text "Hängt die Grünen!" aufgehängt. Zudem wurde bekannt, dass eine Polizistin aus Sachsen-Anhalt Briefe an den Attentäter geschrieben hat, der 2019 die Synagoge in Halle angegriffen hatte.

Die Vorkommnisse seien nicht hinzunehmen, sagte Innenminister Seehofer. Statt immer neuer Strafnormen sei nun aber vor allem "Bewusstseinsbildung" nötig. Denn gute Entwürfe zur Bekämpfung von Extremismus gebe es bereits. Sie seien in den letzten Monaten im Parlament aber in Serie abgelehnt worden. So habe er sich mit der damaligen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) auf ein "Wehrhafte-Demokratie-Gesetz" verständigt. Es sollte Initiativen und Organisationen, die sich für demokratische Werte und gegen extremistische Tendenzen einsetzen, mehr Geld sichern. "Leider hat der Bundestag dem Gesetz nicht zugestimmt", sagte Seehofer.

Was Seehofer nicht dazusagen möchte: Es war die CDU/CSU-Fraktion, die das Wehrhafte-Demokratie-Gesetz im Juni ablehnte. Und auch mit einem weiteren Kabinettsbeschluss kam Seehofer bei den eigenen Leuten nicht durch: Die Bundesregierung wollte das Diskriminierungsverbot aufgrund von "Rasse" aus Artikel 3 des Grundgesetzes streichen und stattdessen rassistische Diskriminierung untersagen. Das Vorhaben scheiterte im Parlament, ebenfalls an der Unionsfraktion. Ein Fehler, gibt Seehofer nun zu verstehen.

Und noch ein Gesetzentwurf des Innenministers wurde nie umgesetzt: eine Verschärfung des Waffenrechts, die unter anderem vorsah, psychisch auffälligen Personen den Waffenschein entziehen zu können. "Auch dieser Kabinettsbeschluss ist vom Bundestag gestoppt worden", so Seehofer. Nach erheblichem Widerstand aus Schützenvereinen und der Union scheiterte der Gesetzentwurf.

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