Börse:So funktioniert der Dax

A general view shows the trading floor at the stock exchange in Frankfurt

Hier entstehen Kurse: der Handelsraum der Börse in Frankfurt am Main.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Von 30 auf 40: Seit dieser Woche hat der Dax neue Mitglieder, allerdings nicht mehr Punkte. Die fünf unglaublichsten Fakten zum deutschen Leitindex.

Von Victor Gojdka, Frankfurt

Erste Börsenliga, Oberhaus am Parkett oder Prestigeindex: Die Deutschen haben inzwischen viele nette Umschreibungen für ihren Aktienindex gefunden. Seit 1988 klettert der Dax im Frankfurter Handelssaal, seit dieser Woche nun ist er zehn Titel größer. Aus dem Dax 30 ist also der Dax 40 geworden, es ist die einschneidendste Reform in der Geschichte des Börsenbarometers. Fünf Fakten der SZ zeigen allerdings: Auch wenn fast jeder den Dax kennt, oft bleibt er dennoch unverstanden.

1. Ursprünglich sollte der Dax "Kiss" heißen.

Früher kamen die Kurse per Rohrpost: Die Kursmakler im Frankfurter Handelssaal schrieben die aktuellsten Notierungen auf Zettelchen, Läufer warfen sie in eine Rohrpostbombe - und wenige Sekunden später tippten Sekretäre die Kurse an die große Leuchttafel im Börsensaal.

1987 wollte die Börse Schluss machen mit der Zettelwirtschaft und führte ein elektronisches Kursinformationssystem ein. Die vielsagende Abkürzung: Kiss. Die Kursmakler tippten ihre Kurse fortan elektronisch ein. Schon bevor der Dax offiziell startete, berechnete die Börse aus den Kiss-Kursen einen Testindex. Nachdem sich die einflussreiche Finanzzeitung Financial Times jedoch über den anzüglichen Namen mokierte, fanden die Börsenchefs einen neuen Namen: Dax. Sparkassen-Grande Manfred Zaß soll der Einfall ausgerechnet bei einem Spaziergang gekommen sein, wohlgemerkt mit seinem Hund.

2. Trotz neuer Mitglieder macht der Dax keinen Kurssprung.

Von A wie Airbus bis Z wie Zalando: Mit dem Start dieser Woche ist der deutsche Leitindex größer geworden. Zehn neue Titel stießen zu den bisherigen 30 Titeln, sodass der Index nun "Dax 40" heißt. Viele Anleger verblüfft, dass der Index trotz neuer Mitglieder keinen Sprung nach oben gemacht hat. Das erscheint kurios, schließlich muss die Deutsche Börse jetzt zehn Aktienkurse mehr in den Index hineinrechnen.

Der Clou: Die Börse rechnet für den Dax-Stand nicht einfach alle Aktienkurse der Mitglieder in Euro und Cent zusammen, auch wenn das viele Anlegerinnen und Anleger so denken. Stattdessen gibt sie den Dax-Wert in Punkten an: 1987 ließen die Börsenoberen den Dax vor dem Start bei genau 1000 Punkten loslaufen, eine vollkommen willkürliche Zahl.

Seitdem addieren die Börsenleute jeden Tag vereinfacht gesagt die Kursveränderungen der Index-Unternehmen dazu - allerdings nicht eins zu eins. Große Unternehmen beeinflussen den Dax stärker, kleine Firmen weniger deutlich. So hat das Dax-Schwergewicht SAP einen Anteil von rund zehn Prozent am Index, kleine Börsenwerte wie Zalando nur etwa ein Prozent. Wenn ein großes Aktienunternehmen um ein Prozent im Börsenwert klettert, schiebt das den Dax daher stärker nach oben als ein Prozent mehr Börsenwert bei einer kleineren Aktienfirma.

Strich drunter: Als der Dax nun von 30 auf 40 Mitglieder anwuchs, blieb der Punktestand exakt derselbe. Statt die Punktezahl zu erhöhen, hat die Börse einfach das Gewicht der bisherigen 30 Aktien im Index gedrückt - um Platz für die neuen zehn zu machen.

3. Der Dax ist gar nicht deutsch.

Kapitalmarktexperten sagen gern, eigentlich sei der deutsche Aktienindex Dax gar kein deutscher Index. Wer es genau nimmt, müsste das Börsenbarometer "ausländischer Aktienindex" taufen. Hintergrund dieser Spötteleien: Viele Aktien der Konzerne gehören längst ausländischen Investoren.

So hat die Beratungsfirma EY vor zwei Jahren berechnet, dass rund 55 Prozent der Aktien im Leitindex in ausländischen Depots liegen. Und den Großteil ihres Umsatzes erwirtschaften die Dax-Firmen sowieso nicht mehr in Deutschland, nur rund ein Viertel des eigenen Geschäfts machen die Indexunternehmen zwischen Alpenrand und Waterkant.

4. Eigentlich beschummelt der Dax die Anleger.

In den Augen vieler Investoren ist der Dax eine optische Täuschung: künstlich aufgepumpt, so sehen es viele. Denn in den Dax fließen nicht nur die reinen Kursveränderungen der Unternehmen ein, die Börse rechnet obendrein auch alle Dividenden dazu - also Gewinnausschüttungen der Unternehmen. Dabei packt die Börse nicht den Eurowert der Gewinnausschüttungen auf die Kurse drauf, sondern tut so, als würden Anleger die Dividenden sofort eins zu eins wieder in den Dax investieren.

Das Problem: Nicht jeder Anleger investiert tatsächlich alle Dividenden wieder, manche verfrühstücken die regelmäßigen Zahlungen auch. Wer den Geldregen deswegen aus dem Dax herausrechnet, kann gewissermaßen einen "reinen" Dax berechnen. Dieser sogenannte Dax-Kursindex zeigt ein ernüchterndes Bild. Während der normale Dax seit der Jahrtausendwende wegen der kräftigen Dividenden deutlich gestiegen ist, hat sich der reine Kurs-Dax seit der Jahrtausendwende unter dem Strich fast gar nicht vom Fleck bewegt. Problematisch ist das vor allem im internationalen Vergleich: Viele ausländische Börsenbarometer wie der amerikanische S&P 500 oder der Londoner FTSE 100 sind reine Kursindizes, rechnen die Dividenden also nicht mit ein. Wer sie mit dem Dax nebeneinanderhält, vergleicht also Äpfel mit Birnen.

5. Hinter dem Dax stehen 87 400 Magnetplättchen.

Sie ist Deutschlands berühmteste Anzeigetafel: Auf der Kurstafel im Frankfurter Handelssaal klettert der Dax - und manchmal kracht er auch. Die Anzeigetafel funktioniert dank 87 400 Magnetplättchen, jedes gerade einmal rund fünf mal fünf Millimeter klein. Verändert sich der Dax, wird an die kleinen Plättchen ein magnetischer Impuls gesendet, der die Plättchen von schwarz auf weiß umklappt und so die Dax-Kurve formt. Übrigens: Seit wenigen Monaten macht ein riesiger LED-Bildschirm unter der Kurstafel dem Magnetmodell Konkurrenz.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: