Bundestagswahl:Wahl mit besonderem Ergebnis

Bundestagswahl 2021: Wahllokal in Berlin beim Auszählen der Ergebnisse

Die Stimmzettel sind weitgehend ausgezählt, das Ergebnis aber noch unklar.

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Deutschland wollte den Wechsel, aber nicht so ganz. Warum das Wahlergebnis mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Eine Analyse in Daten und Grafiken.

Von Sabrina Ebitsch, Berit Kruse, Lea Weinmann und Benedict Witzenberger

Deutschland hat gewählt, aber sich nicht eindeutig entschieden. Am Morgen nach der Wahl liegen zwar die Ergebnisse vor, aber alles ist offen - und möglich. Die SPD gewinnt deutlich hinzu und liegt knapp vor der Union, die massiv verliert; die Grünen legen kräftig zu, sind aber trotzdem enttäuscht. Diese Bundestagswahl wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet. Der Grund ist ein Widerspruch: Die Deutschen sehnten sich nach Aufbruch, trauten sich dann aber doch nicht so recht.

Das Auf und Ab im Wahlkampf

Dass sich die Wählerwünsche immer wieder verändern, hat der wechselhafte Wahlkampf in den vergangenen Monaten unter Beweis gestellt. Seit Jahresbeginn gab es in der Sonntagsfrage drei verschiedene in der Wählergunst führende Parteien.

Insofern ist es nur bedingt überraschend, dass sich auch auf den letzten Wahlkampfmetern eine leichte Trendverschiebung andeutete: Vom zwischenzeitlich gar nicht so kleinen Vorsprung der SPD vor der Union blieb am Ende nicht mehr viel übrig.

Volksparteien ohne Volk

Hier kommt womöglich eine jahrzehntealte Entwicklung an ihr Ende, denn vom klassischen Bild der Volkspartei muss sich die Bundesrepublik nun wohl endgültig verabschieden. Die CDU hat große Teile ihres Wahlvolks verloren. Schon die Bundestagswahl 2017 war eine Schlappe für die Christdemokraten; damals ging noch knapp jede dritte Stimme an CDU und CSU. Davon ist die Union in dieser Wahl weit entfernt. Die SPD wiederum gewinnt zwar deutlich an Zuspruch, sie liegt zum ersten Mal seit 2002 sogar wieder leicht vor der CDU. Doch auch für sie sind die Höhenflüge der Siebzigerjahre in weite Ferne gerückt.

Der Absturz der Volksparteien bedeutet im Umkehrschluss: Noch nie war die voraussichtlich stärkste Partei in einer Bundestagswahl so schwach. Die SPD liegt laut aktuellen Hochrechnungen bei 26 Prozent - vereint also gerade einmal ein gutes Viertel der Stimmen auf sich. Ein Blick auf vergangene Wahlen zeigt: Es ist das erste Mal, dass sämtliche Parteien unter der Marke von 30 Prozent bleiben. Theoretisch gäbe es immer noch eine Mehrheit für eine Große Koalition aus SPD und CDU - doch der Rückhalt der Wählerinnen und Wähler für ein solches Bündnis bröckelt sichtlich.

Wechselstimmung - vor allem unter den Jungen

Damit trifft eine langjährige Entwicklung - die wachsende Zersplitterung des Parteiensystems in Deutschland - auf eine Wechselstimmung nach 16 Jahren Unionsregierung unter Angela Merkel. Eine Wechselstimmung, die sogar ausgeprägter war als vor den vergangenen Regierungswechseln 1998 und 2005. Damals wünschten sich 50 beziehungsweise 45 Prozent kurz vor der Wahl einen Regierungswechsel, diesmal waren es sogar zwei Drittel. Dieser Wandel zeigt sich auch im Vergleich der Wahlergebnisse verschiedener Altersgruppen. Selbst unter den älteren Wählern gab es hier deutliche Verschiebungen hin zu SPD und Grünen, besonders klar aber im nachwachsenden Wahlvolk: Die unter 30-Jährigen haben etwa doppelt so häufig die Grünen gewählt als 2017, während sich hier der Anteil der Union mehr als halbierte.

Doch keine Klimawahl

Der Wille zum Wechsel war offenbar da, zugleich aber anscheinend auch eine Unsicherheit, wie und wohin es weitergehen soll. Vor allem in den Themen Klima- und Umweltschutz. Denn obwohl das Wahljahr von Waldbränden, Flutkatastrophen und einem verheerenden Bericht der Weltklimarats geprägt war. Und obwohl die Stimmung in der Bevölkerung sich auch entsprechend entwickelt hat, können die Grünen davon kaum profitieren.

Die Zeit der Volksparteien ist vorbei, nun auch für die Union. Doch niemand konnte aus dieser Schwäche der regierenden Parteien einen substantiellen Vorteil ziehen. Entsprechend schwierig dürften die Koalitionsverhandlungen werden.

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