Kratzers Wortschatz:Im Land der Deichselschewerer

Wenn ein Mensch aus der Gattung der Deichselschewerer schwer gearbeitet hat, dann schadet es ihm keineswegs, wenn er Zugriff auf eine Irxnschmier hat

Kolumne von Hans Kratzer

Irxnschmier

Vor 14 Tagen ist die Münchner Autorin Cilly Kaletsch gestorben. Sie veröffentlichte Bücher, organisierte Lesungen und trat in Sendungen des Bayerischen Rundfunks auf. Im Jahr 2018 erhielt sie den Poetenteller des Bayerischen Ministerpräsidenten. Kultusminister Bernd Sibler (CSU) würdigte damals den Facettenreichtum ihrer Mundart-Lyrik. "Mit einem Augenzwinkern, klug und pointiert greifen Sie Geschichten und Erlebnisse auf, wie sie das Leben mit sich bringt", sagte Sibler. Auch zu dieser Wortschatz-Kolumne hat sie manche Anregung beigesteuert. Vor Jahren machte sie in einer Mail auf das Wort Irxn aufmerksam, das sie in einem Drogeriemarkt in Bad Birnbach aufgeschnappt hatte. Dort hörte sie mit, wie eine Kundin, die nach etwas suchte, die Verkäuferin fragte: "Wo gibt's denn do a Irxnschmier?" Wobei sie gestisch den Gebrauch eines Deorollers andeutete. Irxn ist ein alter Begriff für die Achsel. Ein Spruch besagt: "Einem Faulen fehlt es unter der Irxn." Über einen kräftigen Menschen sagte man, er besitze Irxnschmalz. Die Irxnschmier wiederum ist jener Stoff, den man unter die Achsel schmiert, um Schweißgeruch zu unterbinden, also ein Deodorant. "Schee, dass es so was no gibt!", schrieb Cilly Kaletsch am Ende ihrer Mail über ihr Erlebnis in der Drogerie, und gewiss hat sie dabei gelächelt.

Deichselschewerer

Als der aus Niederbayern stammende Feuerwehrmann Xaver Altschäfl neulich den SZ-Reporter am Telefon über diverse feuerwehrtechnische Entwicklungen aufklärte, brachte er nebenbei das wunderbare Wort Deichselschewerer ins Spiel. Auf die Nachfrage, was denn ein Deichselschewerer sei, antwortete er, so sage man bei ihm daheim zu einem Kleinbauern. Also zu einem, der ein Zeugl besitzt, ein kleines Sachl, in dem noch Zugtiere stehen. In Zehetners Wörterbuch ist folgender Spruch zitiert: "Luada, reiß d'Eichsel o, is de letzt no ned zahlt." So bildhaft wurde, als die Deichsel noch Eichsel hieß, geschimpft, wenn etwas nicht funktionierte auf dem Hof. Störrische Zugtiere zerbrachen allzu oft die Deichsel, mit deren Hilfe sie gelenkt wurden.

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