Österreich:Sammelbecken der Skeptiker

Wahltag der Landtagswahlen im österreichischen Bundesland Oberösterreich, mit Präsentaton der Wahlergebnisse im Ursulin

Landtagswahlen im Bundesland Oberösterreich: Der Spitzenkandidat der Impfgegner-Partei MFG, Joachim Aigner, ist überraschend ins Parlament eingezogen.

(Foto: Rudolf Gigler/imago images)

Impfgegner und Corona-Leugner kommen in Oberösterreich in den Landtag. Ihre Partei MFG schafft aus dem Stand 6,2 Prozent. Wie konnte das passieren?

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Die eigentliche Überraschung bei der Landtagswahl im Bundesland Oberösterreich am vergangenen Sonntag war nicht der klare Sieg von Amtsinhaber Thomas Stelzer von der ÖVP mit 37,6 Prozent. Landeshauptmann Stelzer, ein konservativer, angesehener Politiker, hatte trotz einiger Probleme der Bundespartei rund um Kanzler Sebastian Kurz nie um den ersten Platz bangen müssen. Überrascht hat auch nicht unbedingt, dass die rechtspopulistischen FPÖ auf knapp 20 Prozent abgesackt ist, was einen Verlust von zehn Punkten bedeutete. Die Freiheitlichen hatten vor sechs Jahren, während der Flüchtlingskrise, überdurchschnittlich gut abgeschnitten; es war also erwartet worden, dass sie auf ihre alte Stärke zurückfallen würden.

Die eigentliche Überraschung, der eigentliche Schock vielleicht sogar, dürfte für viele Beobachter gewesen sein, dass eine neue, erst vor etwa einem halben Jahr gegründete Liste mit dem Namen "Menschen, Freiheit, Grundrechte" (MFG) aus dem Sprung mit 6,2 Prozent in den Landtag kam - und damit beispielsweise vor den bekannten, fleißigen und im Nationalrat vertretenen Neos landete.

Zustrom aus allen Parteilagern

Die MFG konnte sich während der Corona-Krise in Oberösterreich als Sammelbecken von Impfgegnern und Corona-Skeptikern profilieren. Sie wurde, laut Wählerstromanalyse, von Anhängern aller Parteien gewählt, die mit dem Corona-Management der Regierung unzufrieden gewesen waren. Vor allem die FPÖ hatte eigentlich gehofft, diese Klientel in der Wahl abgreifen zu können. Aber die Rechtspopulisten konnten mit ihren unterschiedlichen Botschaften offenbar nicht viele Corona-Skeptiker überzeugen: FPÖ-Chef Herbert Kickl etwa hatte sich als Impfgegner geoutet und sogar einen Bluttest vorgelegt, um zu beweisen, dass er nicht geimpft sei. Der oberösterreichische Landeschef Manfred Haimbuchner, der noch im Frühjahr mit einer Covid-Infektion auf der Intensivstation gelegen hatte, war mit einer Sowohl-als-auch-Position in den Wahlkampf gezogen: Impfen sei schon okay, aber allein nicht entscheidend.

Die MFG verwahrte sich zwar nach dem Wahltag dagegen, als "Impfschwurbler" oder "Corona-Verharmloser-Partei" eingestuft zu werden; der Impfstatus jedes Menschen sei eine "zutiefst private Angelegenheit". Man wehre sich aber gegen den "aktuellen Impfzwang" mit einem Medikament, das "schwerste Nebenwirkungen und nicht einmal eine reguläre Zulassung" habe. Tatsächlich sind die aktuellen Impfstoffe, die in Europa verabreicht werden, regulär zugelassen; schwere Nebenwirkungen der Impfung selbst sind höchst selten. Vertreter der Liste hatten sich im Wahlkampf gegen Testen, Impfen und andere Corona-Maßnahmen ausgesprochen. Im Landtag will man sich nun nicht nur Pandemie-spezifischen Themen widmen.

Die ÖVP, die unter Thomas Stelzer auf hohem Niveau stabil blieb, dürfte wohl, wie bisher, mit der FPÖ koalieren. In Oberösterreich gilt, anders als in den anderen Bundesländern, immer noch das Proporzprinzip, nach dem allen größeren Parteien Posten in der Landesregierung zustehen. Daher dürften auch die SPÖ, die auf 18,6 Prozent kam, und die Grünen, die 12,3 Prozent erreichten, Minister stellen.

Zur SZ-Startseite
Gemeinderatswahl in Graz

Kommunalwahlen
:Graz wird kommunistisch

Elke Kahr, Stadträtin der KPÖ in Graz, hat überraschend die Lokalwahlen gewonnen. Warum das in der Hauptstadt der Steiermark alles andere als schockierend ist.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: