Brasilien:Finstere Nacht am helllichten Tag

Brasilien, Stadt Franca nach langer Trockenheit in Staub gehüllt September 26, 2021, Franca, Sao Paulo, Brazil: Dust clo

Zuerst türmten sich riesige Wolken am Horizont, dann fegte Staub durch die Straßen von Franca im Süden Brasiliens.

(Foto: Igor Do Vale/imago images/ZUMA Wire)

Eine Dürre hat Südamerika seit Monaten fest im Griff, die neuesten apokalyptischen Bilder kommen aus der Stadt Franca in Brasilien, durch die ein Sandsturm tobte. Wissenschaftler sagen: Das ist nur ein Vorgeschmack auf den Klimawandel.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Es war Sonntagnachmittag, als sich der Himmel über Franca verdunkelte. Die Kleinstadt liegt im Norden des brasilianischen Bundesstaates São Paulo, 350 000 Einwohner, gepflegte Parks und sanfte Hügel, die nun aber zum Schauplatz von Szenen wie aus einem Katastrophenfilm wurden: Bewohner filmten, wie sich auf einmal riesige braun-beige Wolken hinter den Häusern am Horizont auftürmten. Kurz darauf fegten dann heftige Windböen durch die Straßen und schließlich wurde es Nacht am helllichten Tag, dichter Staub verdunkelte die Sonne.

Normalerweise ist Franca vor allem für die Damen- und Herrenschuhe bekannt, die hier produziert werden, dass nun stattdessen apokalyptische Bilder aus der Stadt kommen, liegt an einer immer dramatischer werdenden Dürre, die Südamerika seit Monaten fest im Griff hat.

Zwischen Patagonien und dem Amazonas ist in manchen Gegenden so wenig Regen gefallen, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Paraguay-Fluss ist auf dem niedrigsten je gemessenen Stand und der mächtige Paraná, der sonst eine wichtige Lebens- und Verkehrsader der gesamten Region ist, führt so wenig Wasser, dass Schiffe nur noch leicht beladen auf ihm fahren können.

Die Iguazú-Wasserfälle - ein Rinnsal

In Chile hat die Regierung in mehreren Regionen den landwirtschaftlichen Notstand verhängt, selbst die mächtigen Iguazú-Wasserfälle zwischen Argentinien und Brasilien sind zu dünnen Rinnsalen zusammengeschrumpft und in Brasilien hat Präsident Jair Bolsonaro schon Ende August die Menschen dazu aufgerufen, das Licht auszuschalten, um Strom zu sparen. Das Land bekommt einen Großteil seiner Energie aus Wasserkraftwerken, aber die Stauseen laufen langsam leer.

Die extreme Trockenheit ist einerseits auf zyklische Dürren zurückzuführen, andererseits steht für die meisten Experten außer Frage, dass auch der weltweite Klimawandel zumindest eine Mitschuld trägt, ebenso wie die Abholzung im Amazonas.

Über dem dichten Blätterdach der Urwaldriesen regnen jedes Jahr nicht nur Abertausende Liter ab, sondern ein Großteil der Feuchtigkeit verdunstet in dem schwül-heißen Klima auch wieder. So bilden sich sogenannte "fliegende Flüsse", feuchte Luftströme also, die großen Mengen Wasser transportieren und dann teils Tausende Kilometer weit entfernt wieder abregnen.

Eines der größten Feuchtgebiete der Welt steht in Flammen

Das Pantanal zwischen Brasilien, Paraguay und Bolivien, eines der größten Feuchtgebiete der Welt, speist sich auch aus diesen Luftströmen. Durch die Abholzung von immer größeren Flächen im Amazonas könnten sie aber langsam austrocknen, fürchten Umweltschützer und Experten. Schon vergangenes Jahr sind riesige Teile der Sümpfe abgebrannt und auch dieses Jahr wüten wieder Großfeuer. Die gleichen Szenen wiederholen sich im Delta des Paraná in Argentinien, in der Dornbuschsavanne des Chaco oder dem Cerrado in Brasilien. Oft sind es Viehzüchter, welche die Feuer legen. Rasend schnell breiten sich die Flammen dann aus, die Vegetation ist staubtrocken, kein Regen löscht die Flammen.

All dies, warnen Experten, könnte nur ein Vorgeschmack auf das sein, was Südamerika in den nächsten Jahren und Jahrzehnten durch den Klimawandel bevorsteht. Die Folgen für die Pflanzen- und Tierwelt sind schon jetzt teils dramatisch; immer deutlicher wird aber auch, welche Konsequenzen die Dürreperioden und der Wassermangel für die Menschen und die Wirtschaft der Region haben könnten.

Felder vertrocknen, einstmals grüne Weiden verwandeln sich in trockene Steppe. Skigebiete haben nicht mehr genug Schnee und Bergbaufirmen müssen die Produktion drosseln, weil ihnen Wasser für die Verarbeitung des geförderten Gesteins fehlt. In einigen Regionen Südamerikas haben Gemeinden und Städte schon jetzt das Wasser für ihre Bürger rationiert, unter anderem auch in Franca. Dort hat sich der Staub längst wieder gelegt, viele beginnen nun, aufzuräumen und zu putzen. Dabei sollen sie aber sparsam mit dem Wasser sein, bittet die Verwaltung: Das Nass sei einfach zu kostbar, als dass man es verschwenden dürfe.

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