San Marino:Älteste Republik der Welt legalisiert Abtreibungen

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Eine Aktivistin wirbt an einem Informationsstand in San Marino für die Abschaffung des strikten Abtreibungsverbots. (Foto: Jennifer Lorenzini/Reuters)

Bis zu sechs Jahre Haft: Das Abtreibungsverbot von San Marino galt als besonders streng. Jetzt haben die Sammarinesi das Gesetz abgeschafft - komplett verboten ist Schwangerschaftsabbruch künftig nur noch in einem europäischen Land.

Von Oliver Meiler, Rom

Das kleine San Marino, die älteste Republik der Welt, hebt das Abtreibungsverbot auf. In einer historischen Volksabstimmung haben sich am Sonntag 77,3 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Streichung der Artikel 153 und 154 im Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1865 ausgesprochen. In dem Stadtstaat wurden Schwangerschaftsabbrüche bisher mit drei bis sechs Jahren Haft bestraft. Ausnahmen ließ man nicht gelten, auch nicht bei einer Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung. Und so reisten ungewollt schwangere Frauen in den vergangenen Jahrzehnten, seit Abtreibung in Italien zugelassen ist, dafür nach Italien - vor allem in das nur 20 Kilometer entfernte Krankenhaus in Rimini. 2500 Euro kostet dort der Eingriff.

San Marino mit seinen rund 35 000 Einwohnern gilt als "mittelalterliche Blase", als antimoderner Staat. Auf dem Monte Titano, dem Berg hoch über der Adria zwischen den italienischen Regionen Emilia Romagna und Marken, sah man im Bewahren alter Traditionen immer die größte Chance, möglichst unabhängig zu bleiben. Die Sammarinesi sind stolz auf ihre lange Geschichte, gegründet wurde die Republik 301 nach Christus.

Doch wegen dieses Beharrens blieb San Marino in manchen Belangen rückständig, ganz besonders bei den Frauenrechten. Eine Zeit lang war es zum Beispiel so, dass Bürgerinnen, die Ausländer heirateten, automatisch die Staatsbürgerschaft verloren. Der Europarat musste einschreiten.

Drastische Kampagne mit blutenden Föten

Doch keine Angelegenheit spaltete die Bewohner mehr als die Abtreibungsfrage. Frühere Versuche von Frauenrechtlerinnen, die Gesetzgebung zu ändern, waren an konservativen Parteien und der lokalen katholischen Kirche gescheitert. Die Kampagnen vor der Abstimmung wurden deshalb mit drastischen Mitteln geführt, vor allem von den Gegnern einer Liberalisierung.

Die Abtreibungsgegner plakatierten in den Straßen Bilder blutender Föten, versehen mit dem Slogan: "Mit zwölf Wochen bin ich schon ein Kind. Rette mich, stimme Nein." Die Plakate der Befürworter, angeführt von der Vereinigung "Unione Donne Sammarinesi", wurden von den Mauern gerissen oder mit Kommentaren wie "Terroristinnen" und "Mörderinnen" übermalt. Die Spaltung führte quer durch die Regierungskoalition. San Marinos größte politische Kraft, die Christdemokraten, waren gegen eine Reform, die alliierte Bürgerbewegung "Rete" dafür.

Am Sonntag der Abstimmung läuteten die Kirchenglocken den ganzen Morgen lang, um die Gläubigen noch ein letztes Mal zu ermahnen. Erwartet wurde deshalb ein knappes Resultat. Dass es am Ende so deutlich ausfiel, erklärt man sich in San Marino damit, dass viele junge Menschen und im Ausland lebende Sammarinesi am Referendum teilnahmen.

Nach dieser historischen Entscheidung ist der Schwangerschaftsabbruch nur in einem europäischen Land noch komplett verboten: in Malta. Auf der Insel ganz im Süden der Europäischen Union dürfen Frauen unter keinen Umständen abtreiben. Tun sie es dennoch, drohen ihnen Gefängnisstrafen.

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