Mandatsträger:Das Triell

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Die Last des Favoriten: Am Wahlabend hat sich Florian Hahn ein bisschen rar gemacht, dann aber doch noch das ein oder andere Interview gegeben. (Foto: Claus Schunk)

Florian Hahn, Anton Hofreiter und Gerold Otten vertreten den Landkreis im Bundestag. Das ist auch die einzige Gemeinsamkeit. Ansonsten gibt es zwischen den Abgeordneten von CSU, Grünen und AfD große Unterschiede.

Von Stefan Galler, Michael Morosow und Martin Mühlfenzl

Es ist noch gar nicht lange her, da hatte der Landkreis München in Berlin fünf Abgeordnete. Künftig werden es nur noch drei sein: der zum vierten Mal direkt gewählte Florian Hahn (CSU), Anton Hofreiter (Grüne) und Gerold Otten (AfD). Bei allen Unterschieden ist allen drei gemein, dass sie nach dem Wahlkampf sofort wieder in den Bundestags-Modus schalten müssen. Berlin lässt seinen Abgeordneten keine Zeit zum Innehalten. Die SZ hat nachgefragt, was Hahn, Hofreiter und Otten in den kommenden Tagen erwartet.

Die Last des Favoriten: Am Wahlabend hat sich Florian Hahn ein bisschen rar gemacht, dann aber doch noch das ein oder andere Interview gegeben. (Foto: Claus Schunk)

Florian Hahn

Zwischen der Sitzung des CSU-Parteivorstands und der Zusammenkunft des Kreistags, der am Montag in Ismaning tagt, hat Florian Hahn ein paar Minuten Zeit. Und er gewährt Einblick in seinen weiter eng getakteten Terminkalender: "Es gibt jede Menge Gespräche, auf regionaler Ebene im Kreisverband und auch im Bezirk und ab Dienstag dann in Berlin in der Landesgruppe und der Unionsfraktion. Und dann muss man mal abwarten, wer sich wann zu welchen Koalitionsgesprächen trifft", sagt der Putzbrunner, der fest davon ausgeht, an Sondierungsrunden bezüglich einer möglichen Jamaika-Koalition teilzunehmen. Hahn hat mit seinem Ergebnis vom Sonntag zweifelsohne frisches Selbstvertrauen getankt. Zwar verlor auch er, doch sein Minus von 4,4 Prozent hält sich in Grenzen. So verbuchte etwa Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer in seinem Wahlkreis in Niederbayern Verluste von 16,8 Prozent, Digitalisierungsstaatsministerin Dorothee Bär bekam in Bad Kissingen in Unterfranken zwölf Prozent weniger und Landesgruppenchef Alexander Dobrinth musste sich in Weilheim/Garmisch immerhin mit sechs Prozent weniger zufrieden geben. "Schulterklopfen gibt es in der Politik von Kollegen nicht, wenn du besser abschneidest als sie selbst", sagt Hahn und lacht. Aber einige Glückwünsche habe er schon erhalten, etwa vom CSU-Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber, einem seiner Mentoren.

Dass er am Wahlabend einen reservierten Eindruck machte, erklärt Hahn nachträglich. Er habe "keine große Lust" gehabt, sich in der CSU-Parteizentrale unters Volk zu mischen. "Ich denke, es lag daran, dass eine gewisse Last aus den letzten Wochen abgefallen ist." Auch habe er schon für sich mit einer Analyse angefangen. Und diese hat ergeben, dass er seinen Erfolg, das Direktmandat nach 2009, 2013 und 2017 zum vierten Mal zu erobern, vor allem der kollektiven Anstrengung aller ehrenamtlichen Helfer zu verdanken habe. Seinen eigenen nimmermüden Einsatz auf der Straße und bei diversen Veranstaltungen erwähnt er nicht, räumt aber ein: "Wahlkampf ist Überzeugungsarbeit."

Was seine Ambitionen in der neuen Legislaturperiode angeht, hält sich der 47 Jahre alte Berufspolitiker bedeckt, schließlich sei ja noch nicht geklärt, ob die Union womöglich doch Regierungsverantwortung trägt. "Man muss auch erst einmal sehen, wie groß die Fachausschüsse sein werden und wie viele es gibt." Klar sei, dass er auch weiterhin in seinem Fachbereich, also Außen-, Sicherheits- und Europapolitik, tätig sein wolle.

Gerädert nach einem langen Wahlkampf, zufrieden mit seinem Ergebnis und dem seiner Partei: Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen. (Foto: imago images)

Anton Hofreiter

Als sich Anton Hofreiter am Montag im Morgenmagazin der ARD zu denkbaren Koalitionen nach der Bundestagswahl auslässt, sehen die Fernsehzuschauer einen sichtlich müden Vorsitzenden der Grünen-Fraktion. "Es war eine lange Nacht", berichtet der Unterhachinger. Erst um zwei Uhr habe er die Wahlparty in der Berliner Columbia Halle verlassen, um danach für eine Stunde bei einem Spaziergang mit sich alleine zu sein. Und um 5.30 Uhr klingelte bereits wieder der Wecker. So war es dem 51-jährigen noch gar nicht möglich, sich mit seinem Ergebnis als Direktkandidat und dem der Grünen in seinem Heimatwahlkreis genauer auseinanderzusetzen.

20,4 Prozent Erststimmen (2017: 13,7) konnte er für sich verbuchen, seine Partei verbesserte sich von 12,6 auf 18,5 Prozent. Allerdings blieben er und seine Partei ein ganzes Stück hinter den Erwartungen zurück, die noch vor wenigen Wochen durch Umfragehochs geschürt worden waren. Dennoch: Das sei durchaus ein gutes Ergebnis, "jetzt kämpfen und das nächste Mal noch besser werden", laute nun seine Devise. Dass Florian Hahn am Ende doch recht klar mit 39,1 Prozent der Erststimmen abermals das Direktmandat gewann, kann Hofreiter gut verschmerzen. Sein Wiedereinzug in den Bundestag war durch seinen vorderen Listenplatz gesichert.

Der Grünen-Fraktionschef war aber auch im Wahlkampf deutlich seltener im Landkreis präsent als Hahn. Als Fraktionsvorsitzender trage er Verantwortung im ganzen Land und in ganz Bayern, kontert Hofreiter Vorwürfe, er habe sich im Landkreis kaum blicken lassen. Immerhin zuletzt habe er im Landkreis Haustür-Wahlkampf betrieben und eine intensive Infostand-Tour gestartet.

Zu den anstehenden Koalitionsverhandlungen in Berlin gibt sich der Unterhachinger zurückhaltend. Die Sondierungsgespräche begännen erst, aber die Grünen würden mit jeder demokratischen Partei sprechen. Im ARD-Morgenmagazin widersprach Hofreiter einer Aussage der FDP, wonach eine Jamaika-Koalition nach dem aktuellen Wahlergebnis wahrscheinlicher geworden sei als eine Ampel-Koalition. "Am Ende kommt es darauf an, dass wir eine gute Koalition hinkriegen. Eine Koalition, die nicht auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner agiert." Eine Ampelkoalition sei für ihn deshalb wahrscheinlicher.

Das Personal werde zum Schluss verhandelt, antwortet der Fraktionschef auf die Frage nach seiner eigenen politischen Zukunft. Sollte die Ampel kommen, ist nicht auszuschließen, dass der 51-Jährige ein Ministeramt übernimmt, zum Beispiel das Verkehrsressort, um die Scherben des glücklosen Vorgängers Andreas Scheuer (CSU) zusammenzukehren.

Kann sich wieder einen Sitz im Verteidigungsausschuss des Bundestags vorstellen: Gerald Otten, im Bild mit seiner Ehefrau Christina Specht. (Foto: Claus Schunk)

Gerold Otten

Mit Sondierungsgesprächen wird sich Gerold Otten nicht lange aufhalten müssen, er weiß, dass bei den anderen Parteien kein Wille vorhanden ist, mit der AfD zu kooperieren. Für die AfD wird es daher zunächst darum gehen, sich intern aufzustellen. Bereits an diesem Dienstag kommt die bayerische Landesgruppe mit ihren neu und wiedergewählten Abgeordneten zusammen, am Mittwoch und Donnerstag wird sich die Fraktion konstituieren. Mit dabei sein werden auch die alten Abgeordneten, "auf ein Gläschen Sekt zum Abschied", wie Otten sagt. Dann aber gehe es gleich in die Vollen, so der Putzbrunner, der seit 2017 im Bundestag sitzt.

Auf eine führende Rolle an der Fraktionsspitze habe er keine Ambitionen, sagt der 65-Jährige. Aber als ehemaliger Offizier hat er einen Wunsch: Er könnte sich für sich wieder einen Sitz im Verteidigungsausschuss des Bundestags vorstellen, dem er bereits die vergangenen vier Jahre angehörte. Vielleicht sogar als Ausschussvorsitzender. Als Alternative käme für ihn der Auswärtige Ausschuss infrage.

Und noch etwas hält der Putzbrunner für denkbar: "Ich könnte mir schon vorstellen, dass unsere Fraktion künftig nicht mehr von einer Doppelspitze, sondern nur von einer Person geführt wird." Ob von Alice Weidel oder Tino Chrupalla, die als Spitzenduo gemeinsam den Wahlkampf angeführt haben, will Otten allerdings nicht verraten. In internen Chats, so Otten, werde schon deutlich, dass nicht alle in der Partei mit dem Abschneiden zufrieden sind. "Durchwachsen" nennt er es selbst. Ob es zu Verwerfungen kommen werde, könne er nicht sagen.

© SZ vom 28.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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