Grünen-Fraktion:Alte Bekannte und hungrige Neue

Die Grünen: Cem Özdemir zu Gast bei "Anne Will"

Erstmals direkt gewählt: Cem Özdemir, derzeit Vorsitzender des Verkehrsausschusses

(Foto: Müller-Stauffenberg via www.imago-images.de/imago images/Müller-Stauffenberg)

Die Grünen-Fraktion wächst auf 118 Abgeordnete, so viele wie noch nie. In ihren Reihen sitzen die ersten beiden transidenten Frauen des Parlaments. Und ein ehemaliger Co-Parteichef, der noch was werden will.

Von Claudia Henzler

67 Stühle im Plenarsaal des Bundestags waren bisher für Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen reserviert. Nun muss die Bundestagsverwaltung allein für diese Partei 51 zusätzliche Sitzgelegenheiten anschaffen, in der vom Star-Architekten Norman Foster patentierten Farbe "Reichstags-Blue". Die grüne Fraktion wächst auf 118 Mitglieder. Ein Rekord. Nach ihrem bislang besten Wahlergebnis im Jahr 2009 hatten die Grünen 68 Mandate.

Der starke Zuwachs hat vor allem mit dem Wahlergebnis der Grünen zu tun - sie bekamen am Sonntag 14,8 Prozent der Zweitstimmen und damit 5,9 Prozentpunkte mehr als bei der Bundestagswahl 2017. Doch auch die CSU ist für den Stühlekauf verantwortlich: Weil sie in Bayern viele Überhangmandate hat, werden im Bundestag künftig 735 Abgeordnete sitzen statt zuletzt 709. - Das Parlament ist größer geworden, hat sich allerdings nicht so stark vergrößert, wie von manchen Wahlrechtsexperten erwartet worden war.

Auch viele Grüne hatten vor der Wahl vor einem aufgeblähten Bundestag gewarnt, einige von ihnen warben mit diesem Thema gezielt um Erststimmen, wie Claudia Roth in Augsburg oder Dieter Janecek in München. Von einer bestimmten Größe an, so ihre Befürchtung, sei das Parlament nicht mehr arbeitsfähig, seien Ausschusssitzungen zu groß, um noch effektiv zu sein. Vor der Wahl waren viele Parlamentarier skeptisch gewesen, ob sich genug Sprecher- und andere Posten finden würden, um alle Neuzugänge mit Aufgaben zu versorgen.

Viele der Neuzugänge auf den Landeslisten sind jung und ehrgeizig - so wie die beiden Spitzenkandidaten der Grünen Jugend in Baden-Württemberg, die mit guten Listenplätzen starteten. Dem weiblichen Teil dieser Doppelspitze, Zoe Mayer, gelang es dann allerdings sogar, in Karlsruhe das Direktmandat zu holen.

Auch Habeck nun im Bundestag

Bemerkenswert ist auch, dass erstmals zwei transidente Frauen in das Parlament eingezogen sind. Sie kommen aus den Reihen der Grünen. Nyke Slawik aus Leverkusen und Tessa Ganserer aus Nürnberg werten dies selbst als historischen Erfolg. "Mich haben mittlerweile Glückwünsche aus Polen, UK und den USA erreicht. Unser trans Wahlerfolg geht um die Welt", schrieb Slawik in der Wahlnacht auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Ganserer twitterte unter dem Hashtag #QueerRepräsentanzMatters: "Ich bin noch ganz überwältigt, freue mich aber riesig auf meine neue Aufgabe in Berlin!" Die beiden ziehen über die Landeslisten von Nordrhein-Westfalen beziehungsweise Bayern in den Bundestag ein.

Der neuen Fraktion gehören auch viele altbekannte Parteigrößen an. Über ihre jeweiligen Landeslisten ziehen Jürgen Trittin und Renate Künast ein, Claudia Roth, Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter. Neu ist, dass neben Annalena Baerbock nun auch ihr Co-Parteivorsitzender Robert Habeck dem Bundestag angehört. Er war 2017 nicht zur Wahl angetreten, nachdem ihn Cem Özdemir in einer Urwahl zum Spitzenkandidaten besiegt hatte.

Özdemir selbst ist ebenfalls weiterhin dabei, er kehrt erstmals als direkt gewählter Wahlkreisabgeordneter nach Berlin zurück und dürfte sich von einem nicht nur für die Grünen außergewöhnlichen Erststimmenergebnis von 40 Prozent in dem Anspruch bestätigt sehen, dass er künftig wieder eine wichtigere Rolle spielen sollte als zuletzt als Vorsitzender des Verkehrsausschusses. Schon im Wahlkampf war dem 55-jährigen Realo aus Baden-Württemberg die Aufgabe zugefallen, möglichen Skeptikern die Angst vor einer grüngeführten Regierung zu nehmen.

In absoluten Zahlen gesehen war der Kölner Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann allerdings noch etwas erfolgreicher als Özdemir. Der 41-Jährige war in der Fraktion bisher Sprecher für Queerpolitik und für Sozialpolitik. 70 657 Wählerinnen und Wähler hatten ihr Kreuz am Sonntag hinter Lehmanns Namen gesetzt. Das entspricht zwar nur 34,6 Prozent der Erststimmen im Wahlkreis Köln II, doch Özdemir kam in Stuttgart "nur" auf 62 594 Stimmen.

Und niemand aus dem Saarland

Aus Baden-Württemberg kamen in der vergangenen Legislaturperiode 13 grüne Abgeordnete - mehr als aus jedem anderen Bundesland. Nun wird Nordrhein-Westfalen statt bisher zwölf künftig 28 Abgeordnete nach Berlin schicken und damit die größte Gruppe in der Fraktion stellen. Auch Bayern holt auf: In den beiden südlichsten Bundesländern wurden jeweils 18 grüne Abgeordnete gewählt. Die bayerischen Grünen erzielten mit 14,1 Prozent der Zweitstimmen ihr bislang bestes Ergebnis.

Etwa doppelt so viele Grüne wie bisher werden aus Hessen (neun), Niedersachsen (13) und Schleswig-Holstein (sechs) nach Berlin kommen. In Thüringen bleibt Göring-Eckardt dagegen die einzige grüne Bundestagsabgeordnete. Auch ihre Kolleginnen aus Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sind die einzigen, die es von ihren Landeslisten ins Parlament geschafft haben. Aus dem Saarland wird gar kein Grüner dem neuen Bundestag angehören: Der Bundeswahlausschuss hatte die Landesliste wegen Unregelmäßigkeiten bei der Aufstellung nicht zugelassen. 2017 war ein grüner Abgeordneter aus dem nach den Stadtstaaten kleinsten Bundesland ins Parlament eingezogen.

In einer früheren Version dieses Textes stand, dass auch Margarete Bause, frühere Landeschefin der Grünen in Bayern, wieder der Fraktion angehört. Tatsächlich hat sie auf Listenplatz 22 den Einzug in den Bundestag verpasst.

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