Regierungsbildung:Freundlich, aber bestimmt

Die stolze SPD beginnt es erst jetzt nach der Wahl so richtig zu realisieren: Olaf Scholz ist der Chef. Und er will es lange bleiben.

Kommentar von Mike Szymanski

Die SPD-Spitze bekommt in diesen Tagen eine Vorstellung davon, wo sie bleibt, wenn Olaf Scholz zum Kanzler gewählt ist: Erst kommt der Kanzler Scholz, dann die Partei. Die Sozialdemokratie am Wahlabend wieder zu einer relevanten politischen Kraft gemacht zu haben, verleiht Scholz die Autorität, die Machtverhältnisse in der Partei neu zu definieren. Damit hat er angefangen.

Die Verhandlungen mit möglichen Partnern zur Bildung der nächsten Regierung hat er freundlich, aber bestimmt zur Chefsache erklärt. Den Genossen, gerade den Parteilinken, schärft Scholz ein, dass die Liberalen, die er für ein Ampel-Bündnis braucht, gefälligst als "Freunde" zu betrachten seien. Er will von den Vorsitzenden Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans und auch von Parteivize Kevin Kühnert keine Schmähungen des politischen Konkurrenten mehr hören, solange verhandelt wird. So machtbewusst wie in diesen Tagen ist Scholz zu keinem Zeitpunkt des Wahlkampfes aufgetreten.

Noch sind alle beseelt vom Erfolg - aber wie lange?

Noch sind alle in der Partei zu beseelt vom Wahlerfolg, von der Aussicht, Kanzlerpartei zu werden, um sich groß daran zu stören. Aber es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis dieser Konflikt ausgetragen werden muss: Wohin steuert die SPD? Für Parteilinke wie Esken und Kühnert dürfte die Beteiligung der FDP an einer SPD-geführten Regierung eine Zumutung sein, für Scholz ist das eher die Zukunft.

Man muss bei Scholz genau hinhören, um zu verstehen, was er vorhat: Er arbeitet gerade nicht nur an der nächsten Regierung, er will tatsächlich die Grundzüge für ein Jahrzehnt sozialdemokratischer Führung schaffen. Dies wird deutlich, wenn er ankündigt, dass die nächste Regierungskoalition mit dem Anspruch antreten müsse, nach vier Jahren wiedergewählt zu werden. Das ist von ihm nicht nur so dahingesagt. Es bedeutet: Scholz sieht die FDP durchaus als Partner für eine feste Bindung.

Im Gegensatz zur Parteichefin Esken und zu Kühnert, die immer noch von Rot-Rot-Grün träumen, hat Scholz eine klare Vorstellung davon, warum eine Ampel gut funktionieren kann: Darin könnten sich die Grünen als Treiber des Umbaus zum klimaneutralen Wirtschaften profilieren. Aber sie würden andererseits zugleich auf ihre Kernkompetenz, den Umweltschutz, zurückgeworfen werden. Die Gefahr, dass die Grünen die SPD als moderne Mitte-links-Volkspartei ablösen, wäre vorerst gebannt.

Mit der FDP soll die SPD wieder die starke Kraft der Mitte werden

Mit der FDP in der Regierung bliebe die Koalition wiederum anschlussfähig für konservative Kreise. Das könnte ebenfalls Mehrheiten sichern. Aber das funktioniert nur, wenn alle Partner ans Gelingen glauben und zu Zugeständnissen bereit sind.

Bei Scholz ist jetzt schon klar, dass er große Kompromisse eingehen würde. Er setzt darauf, dass die gemeinsamen Erfolge am Ende vor allem ihm als Kanzler und damit der SPD zugeschrieben werden. So war es ja auch bei Angela Merkel. Das Problem ist nur: Bislang hat er einen solchen Kurs nur mit sich selbst ausgemacht. Mit der Partei ist nicht einmal ausgehandelt, dass sie sich überhaupt auf die FDP einlässt. Das ist Scholz' Risiko.

Die Parteiführung muss entscheiden, wie viel Freiheit sie Scholz lässt. Das wird auch eine Frage des Vertrauens sein. Zu bedenken ist auch: Die SPD ist zwar am Wahlabend als stärkste Kraft hervorgegangen. Aber hat sie mit 25,7 Prozent tatsächlich ihr Potenzial ausgeschöpft? Warum sollten, wenn die Partei die großen Aufgaben der Zukunft entschlossen anpackt, nicht auch wieder 30 Prozent und mehr drin sein? Sollte es Scholz gelingen, das Ampel-Bündnis zu schmieden, wird er damit ausgelastet sein, es zu führen. Die Parteiführung könnte sich den Wiederaufbau der Parteistrukturen zur Aufgabe machen. Bis zum Sommer war die SPD noch eine totgesagte Partei. Die Partei ist keineswegs intakt, da gibt es noch viel zu tun.

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