Konzert in Gilching:Zwischen Leichtigkeit und Leid

Das Lenbach-Quartett in Gilching

Emotionalität mit Takt, Klarheit und Lebendigkeit: Das Lenbach Quartett beim Kulturkreis Gilching in der Aula des Gymnasiums.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Lenbach-Quartett zelebriert einen bewegenden Auftritt mit großen Emotionen

Von Reinhard Palmer, Gilching

Sich nach dem "Münchner Malerfürsten" zu benennen, verpflichtet wie Adel, auf dessen Stand er erhoben wurde. Es verpflichtet zu edler Haltung, feinstem Kolorit, empfindsamer Modellierung, Emotionalität mit Takt, Klarheit und Lebendigkeit. Franz von Lenbach bot der Kunstauffassung seiner Zeit eine entschiedene Individualität entgegen, die dem französischen Realismus näher stand als dem monumentalen Historismus der deutschen Schule. Man kann zwar nicht sagen, dass das Lenbach-Quartett in der Aula des Gilchinger Gymnasiums zu Gast beim Kulturkreis einen französischen Stil prägte. Doch das Ensemble aus den Reihen der Münchner Philharmoniker ist es gewohnt, feinsinnig zu modellieren und sowohl Klang wie Charakterisierung homogen auszubalancieren, selbst in weitesten Rücknahmen in ein zartes Pianissimo Piano.

Das Extreme war zunächst in Mozarts Streichquartett d-Moll KV 421 noch nicht nötig, ist doch die Dynamik der Zeit des jungen Mozart sehr begrenzt. Erst in Mendelssohns f-Moll-Streichquartett op. 80 sollte es um ein weites Spektrum in Dynamik und Agogik gehen, dann ausdrucksstark gesteigert in Joaquin Turinas "La oración del Torero". Emotional aufgeladen waren alle drei Werke - jeweils auf andere Art.

Für Mozart war sein Haydn gewidmetes Kompendium von sechs Streichquartetten quasi die Reifeprüfung in diesem Fach. Erst die Bestätigung des großen Vorbilds gab dem erst 26-jährigen Mozart seine Leichtigkeit und Schnelligkeit im Komponieren zurück. Das Ringen um Form und Ausdruck sollte im d-Moll-Werk für das Lenbach-Quartett kein Thema sein, denn genau das ist die große Leistung des Komponisten: Trotz mühsamer Arbeit bestach sein Werk mit selbstverständlicher Klarheit, Transparenz sowie entschiedener Formbildung. Das unentwegte Hell-Dunkel-Changieren, das spannungsvolle Phrasieren und nahtlose Wandern der thematischen Arbeit durch die Stimmen in einer ausgeprägten Polyphonie: Die größte Qualität der Interpretation. Ob ein fetziges Finale im Kopfsatz, eine klangschöne Balance im Andante, eine forsche Rhythmisierung im Menuetto oder eine so wunderbar beschwingte Melancholie im Schlusssatz. Das alles passte unter einen großen Bogen, der wohl auch Haydn beeindruckt hätte.

Die Emotionalität bei Mendelssohn ist tragischer Natur und von inniger Empfindsamkeit. Der Tod seiner über alles geliebten Schwester Fanny bestimmte das f-Moll-Quartett und stellte dem Ensemble die Aufgabe, den Grat zwischen schmerzlichstem Leid und großem formalem Pathos zu erspüren. Die Lenbach-Musiker hatten aber keine Mühe, mitzuempfinden und das aufgewühlte Innenleben des Komponisten hörbar zu machen. Das Auf und Ab zwischen Schmerz und Grollen einerseits, wehmütige Erinnerungen wie verzweifelte Trauer andererseits hatten hier nichts Konstruiertes, sprach direkt an und berührte. Insbesondere in den wenigen Aufhellungen von zärtlichster Feinheit.

Solche Momente gab es auch bei Turina, der eine selbst erlebte Situation in Musik setzte, wie Primarius Wolfram Lohschütz in seiner Einführung verriet. Auch diese geradezu szenische Darstellung des in der Kapelle betenden Stierkämpfers, während im Hintergrund das Publikum in Fiesta-Stimmung auf den blutigen Auftritt wartet, gefolgt von einer dramatischen Zuspitzung, ist ein hochemotionales Werk. Vor allem in Anbetracht dessen, dass der Kampf für den Stierkämpfer tödlich ausgehen kann. Etwa 80 Jahre nach Mendelssohn schuf Turina 1926 eine expressivere Musik. Dennoch ging es den Musikern nicht nur um ein Kontrastieren: Lohschütz, Iason Keramidis (2. Violine), Jannis Rieke (Viola) und Veit Wenk-Wolff (Violoncello) ließen sich vor allem auf das Seelenleben beim Zwiegespräch mit Gott ein. Eine deutlichere Differenzierung der Ebenen hätte mehr Eindringlichkeit bewirkt, vor allem beim ausgelassenen Pasodoble, doch das Lenbach-Quartett zog das psychologisierende Motiv vor und begeisterte einmal mehr mit feinsten Nuancen.

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