Lufthansa-Hotline:"Das muss eine Comedyshow sein"

Flugreisende am Flughafen Frankfurt am Main

Die Lufthansa erleidet gerade einen Imageschaden - aber nicht aufgrund ihrer Leistung am Rollfeld, sondern weil die Call Center für Kunden kaum erreichbar sind.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Die Lufthansa macht sich gerade bei ihren Kunden unbeliebt. Viele berichten von stundenlangen Warteschleifen in der Hotline. Die Fluggesellschaft versucht gar nicht erst, das Problem zu leugnen, gelobt aber Besserung.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Gerade erst hat es Claus Kleber erwischt. Der Heute-Journal-Moderator wollte zu einem Termin fliegen. Lufthansa strich seine Verbindung - kann passieren. Doch dann? Drei Mal wählte er sich in die Hotline-Warteschleife ein, drei Mal flog er nach gut einer Stunde aus der Leitung. Kleber fand das gar nicht witzig: "Hallo, liebe Lufthansa. Lebt Ihr noch?", fragte er auf Twitter.

Klebers Geschichte ist eine, die sehr viele Lufthansa-Kunden aus eigener Erfahrung kennen. Die einschlägigen Beschwerde-Foren im Internet sind voll von Klagen. Praktisch jeder hat im Bekanntenkreis jemanden, der über die Fluggesellschaft schimpft. Manchmal sind es Ärgernisse wie höhere Buchungsklassen, die das Umbuchen in Corona-Zeiten trotz flexibler Tickets teuer machen. Manchmal finden sich keine passenden Ziele oder Zeiten im weiterhin pandemiebedingt ausgedünnten Flugplan. Das mit Abstand größte Problem jedoch: Man kann Lufthansa als Normalkunde nur mit viel Glück und noch mehr Geduld erreichen.

So verbrachte etwa ein Kunde, der einen Multistopp-Flug umbuchen und eine Wiege für sein Baby reservieren wollte, eigenen Angaben zufolge insgesamt zehn Stunden in der Telefonschleife. Die deutsche Hotline war gar nicht zu erreichen, aus der englischen flog er fünf Mal nach einer Stunde heraus. Und als er dann endlich zu einer Mitarbeiterin durchkam, brach die Verbindung während des Gesprächs ab. Immerhin: Irgendwann klappte es. Ein anderer schreibt: "Insgesamt habe ich sechs Stunden in der Hotline gewartet und hatte immer noch keinen Erfolg dabei, meinen Flug umzubuchen." Eine Kundin berichtet, sie habe wegen eines Krankenhausaufenthalts binnen fünf Tagen einen Flug verschieben müssen, sei in der Zeit trotz stundenlanger Versuche aber nicht ins Callcenter durchgedrungen; online sei es nicht möglich gewesen, den Flug umzubuchen. Und ein Kunde schreibt, er sei beim dritten Versuch nach fast zwei Stunden in der Warteschleife zwar durchgestellt worden. Die Mitarbeiterin habe dann aber behauptet, sie würde ihn nicht hören - und aufgelegt. Anschließend sei er aufgefordert worden, an einer Zufriedenheitsumfrage teilzunehmen. "Das muss eine Comedyshow sein", so der Mann.

Die Lufthansa versucht erst gar nicht, das Problem zu leugnen. "Ich kann den Unmut unserer Kunden verstehen", sagt Carsten Wirths, Leiter der Abteilung Kundenservice der Lufthansa Group. "Wir werden unserem eigenen Anspruch leider aktuell nicht gerecht." Schon im vergangenen Jahr, während der diversen Lockdowns, waren die Callcenter dem Ansturm der vielen Kunden, die stornieren oder umbuchen wollten, nicht gewachsen. Immerhin verpasste damals kaum jemand einen Flug, denn über Monate fielen die meisten Flüge ohnehin aus. Ärgerlich war für die meisten Kunden eher, wie lange die Lufthansa brauchte, den Berg an fälligen Rückerstattungen abzutragen.

80 Prozent mehr Anrufe als vor der Corona-Krise

Doch seit dem Frühjahr 2021 ist die Lage eine andere. Der Luftverkehr hat wieder Fahrt aufgenommen, und viele wollen die Tickets, die sie seit Ausbruch der Pandemie im März 2020 nicht nutzen konnten, endlich einlösen. "Wir wurden ab Mai aufgrund der vielen sich ändernden Reiserestriktionen überrannt von einer Menge an Anrufen, mit der wir so nicht gerechnet haben", sagt Wirths. Derzeit hat die Lufthansa 80 Prozent mehr Anrufe als vor der Corona-Krise, und das, obwohl immer noch nur etwa halb so viele Passagiere unterwegs sind. Hinzu kommt, dass die Anrufe deutlich länger dauern. Denn oft, so Wirths, hätten die Passagiere ihre Tickets schon mehrfach umgebucht, und die Mitarbeiter bräuchten schlicht länger, um sich ein Bild von der Lage zu machen.

Das setzt aber voraus, dass die Passagiere überhaupt durchkommen. "Das Problem, dass die Verbindung plötzlich abbricht, hat sich in den letzten Tagen leider gehäuft", so Wirths. "Es hat ganz verschiedene Gründe. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, sie zu lösen." Doch nicht an allen ist Lufthansa auch wirklich schuld: Viele Mobilfunkanbieter kappen nach einer bestimmten Zeit die Verbindung, weil sie davon ausgehen, dass sie aus Versehen hergestellt wurde.

Die Ursachen, die bei Lufthansa liegen, will die Fluggesellschaft innerhalb der kommenden Wochen zumindest angehen. "Wir gehen davon aus, dass sich die Situation im November deutlich verbessert", sagt Wirths. 1600 Mitarbeiter beschäftigen die Callcenter des Konzerns aktuell, bis zum Jahresende sollen 500 weitere eingestellt werden. Darüber hinaus soll es bald möglich sein, Umbuchungen auf der Lufthansa-Homepage oder in der App selbst zu tätigen. Das hat schon einmal funktioniert: Nutzer der Lufthansa-App bekamen damals Vorschläge für Umbuchungen und konnten einfach eine neue Verbindung wählen, wenn einmal eine Flug wegen eines Streiks oder schlechten Wetters ausgefallen war. "Das bekommen wir im Moment für die komplexen Fälle noch nicht optimal gelöst", räumt Wirths ein.

Der Imageschaden ist mittlerweile beträchtlich. Vor der Corona-Pandemie rühmte sich Lufthansa, eine der wenigen Fluggesellschaften zu sein, die von der Qualitätsratingagentur Skytrax mit fünf Sternen bewertet wurde. Kundenservice auch bei Flugausfällen, eine übersichtliche Website, eine funktionierende Hotline - all das spielt in die Bewertung hinein.

Sich selbst eine gute Bewertung in Sachen Verbraucherschutz gibt übrigens die Europäische Kommission: Nach dem Chaos des vergangenen Jahres haben sich die Airlines nach vielen Sitzungen mit der Institution nun dazu verpflichtet, die Ticketpreise bei Stornierungen innerhalb von sieben Tagen zu erstatten. Bei Lufthansa würde das allerdings voraussetzen, dass die Kunden ihren Anspruch über die Hotline überhaupt erst geltend machen können.

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