Medizin-Nobelpreis:Ein Rätsel

Nobelpreis

Der Nobelpreis hat eine große Tradition. Wozu aber verpflichtet diese?

(Foto: dpa)

Die Erfinder von Corona-Impfstoffen gehen in Stockholm leer aus. Aber sollte der Nobelpreis nicht eigentlich an jene gehen, "die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben"?

Kommentar von Christina Berndt

So angesehen die Nobelpreise auch sind: Sie wirken mittlerweile reichlich angestaubt. Fast in jedem Jahr werden die drei Preise in den Naturwissenschaften für Forschungen verliehen, die man, freundlich ausgedrückt, nicht gerade als die heißesten Innovationen des Jahres bezeichnen kann. Auch in diesem Jahr hat der Nobelpreisreigen genau so begonnen: Zwei US-Wissenschaftler erhalten den Preis für Physiologie oder Medizin für ihre Forschung zur Sinneswahrnehmung. Der Preis ist ohne Frage verdient. Die beiden haben schon vor Jahren grundlegend zum Verständnis dessen beigetragen, weshalb der Mensch fühlen und mit seiner Umgebung interagieren kann. Es ist wirklich tolle Forschung.

Und doch ist die diesjährige Entscheidung eine Enttäuschung, die mehr noch als sonst den Willen des Stifters konterkariert. Alfred Nobel wollte, dass die Preise an jene Wissenschaftler gehen, "die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben". Was anderes sollte das im Pandemie-Jahr 2021 sein als die Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid-19 auf der Grundlage der innovativen mRNA-Technologie?

Aktualität und Exzellenz gehen ja nicht immer zusammen - aber in der Pandemie schon

Es ist zweifelsohne oft schwierig für die Juroren, die Preise nach den Vorgaben Nobels zu vergeben. Denn Aktualität und Exzellenz bedeuten häufig einen Zwiespalt; oft genug erweist sich der Nutzen von Wissenschaft erst im Nachhinein. Doch die Entschuldigung gilt in diesem Jahr nicht. Nichts hat die Welt zuletzt so erschüttert wie das Coronavirus. Und nur weil in kürzester Zeit effektive Impfstoffe entwickelt wurden, kann die Menschheit auf ein baldiges Ende der Pandemie hoffen.

Diese Forschung lässt sich direkt in gerettete Menschenleben umrechnen. Dem Zwiespalt zwischen Innovation und Absicherung hätte die Jury dabei leicht begegnen können - indem sie jene Persönlichkeiten auszeichnet, die einst die Grundlagen der mRNA-Forschung legten und die dabei gegen heftige Widerstände kämpfen mussten. Es wäre ein Preis gewesen, der für Forschung begeistert; der die Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit abholt; und der noch dazu ein Zeichen für die so nötigen Impfungen setzt.

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