Lehrermangel:"Opernsängerinnen und Ethnologen sind eben keine ausgebildeten Lehrkräfte"

Erster Schultag nach den Sommerferien in Bayern

Die Bücher sind da, die Lehrerinnen und Lehrer könnten bald fehlen.

(Foto: dpa)

Der Lehrer- und Lehrerinnenverband schlägt Alarm: An manchen Schulen stellen Seiteneinsteiger bereits die Hälfte des Kollegiums. Und der Mangel droht sich zu verschärfen.

Von Maximilian Gerl

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) warnt vor einem "eklatanten Lehrermangel". Insbesondere an den Grund-, Mittel- und Förderschulen sei die Situation "dramatisch", sagte BLLV-Vorsitzende Simone Fleischmann am Montag in München. Mancherorts stellten nicht voll ausgebildete Lehrkräfte - Quereinsteiger aus anderen Berufen sowie Lehramtsstudierende - bereits die Hälfte des Personals, seien teils sogar mit der Klassleitung betraut. Natürlich sei es besser, es stehe ein Mensch vor jeder Klasse als gar keiner, so Fleischmann. Doch "Ergotherapeuten, Opernsängerinnen und Ethnologen sind eben keine ausgebildeten Lehrkräfte". Gerade in Corona-Zeiten benötigten Kinder und Jugendliche mehr individuelle Förderung durch ausgebildete Lehrkräfte, um zum Beispiel Lerndefizite aus dem Distanzunterricht aufzuholen. Man distanziere sich als Verband daher klar vom "Narrativ der Staatsregierung", dass Bayern in der Bildungspolitik super aufgestellt sei.

Der Lehrermangel gehört zum Schulstart schon fast dazu wie die Schultüten: Der BLVV beklagt ihn regelmäßig, während dem Kultusministerium der Begriff genauso regelmäßig zu weit geht. Doch die Pandemie und ihre Folgen scheinen den Konflikt nun noch einmal zu verschärfen. Laut BLLV ärgern sich Rektoren über unverständliche Ministeriumsschreiben, fühlen sich mit der Organisation von Corona-Tests und Hygienekonzepten allein gelassen. Auch die Klassengröße sind aus Verbandssicht inzwischen durch die Personalnot häufig zu groß, als dass sich auf die Bedürfnisse von Kinder und Jugendlichen individuell eingehen ließe. So haben von den bayernweit 8400 Realschulklassen rund 4400 mehr als 25 Schüler.

Wie groß der Lehrermangel in Zahlen ist, kann der BLLV indes nicht sagen. Stattdessen wünscht man sich hier mehr Transparenz durchs Kultusministerium. Dieses sieht laut einer Prognose aus dem Juni derzeit vor allem Bedarf an den Mittelschulen, während an den Gymnasien sogar ein potenzielles Überangebot an Lehrkräften bestehe.

Der Minister zieht eine erste positive Bilanz

Unterstützung erhielt der BLLV am Montag von der Bayern-SPD. Die Abgeordnete Margit Wild forderte Kultusminister Michael Piazolo (FW) auf, "alle Karten auf den Tisch" zu legen, welche Lehrkräfte in welchem Umfang unterrichteten und wie der Plan für die Zukunft aussehe. Piazolo wies die Kritik zurück. Es sei zwar Aufgabe von Verbänden, auf etwaige Probleme hinzuweisen; "es wäre aber wünschenswert, wenn man dabei auch die Realitäten im Blick behalten würde". Bayerns Lehrer seien hervorragend ausgebildet. Mittlerweile seien 100 000 staatliche Lehrkräfte an den Schulen tätig, so viele wie noch nie.

Über den Start ins neue Schuljahr selbst zog Piazolo eine "positive Zwischenbilanz". Auch drei Wochen danach laufe der Präsenzunterricht in ganz Bayern stabil, das "Sicherheitsnetz" aus unter anderem Corona-Tests und Hygienekonzepten funktioniere.

Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Matthias Fischbach, bewertete den Schulstart hingegen als "organisatorisches Totalversagen". So hätten 70 Prozent der Grund- und Förderschulen nicht an der für den 20. September geplanten Einführung der PCR-Pooltests teilnehmen können. Nur engagierten Schulleitern und Lehrern sei zu verdanken, dass der Schulstart "nicht völlig im Chaos geendet ist".

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