SZ-Serie: Erfolgshungrig:Bau mir eine Garnele

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Vergangenen November seien sie kurz davor gewesen, alles hinzuschmeißen, erzählen Robin Drummond (links) und Julian Hallet. Doch nun haben sie bereits Pläne für die nächsten Future-Food-Produkte in der Schublade. (Foto: Florian Peljak)

Ein Tauchurlaub auf den Philippinen hat Julian Hallet dazu gebracht, sich mit überfischten Ozeanen auseinanderzusetzen. Nun wollen er und ein Freund Meerestiere auf pflanzlicher Basis herstellen.

Von Katrin Kurz

Über viele Stockwerke und Gänge, vorbei an couchgemütlichen Wohnzimmer-Lofts und Barista-Theken geht es in Julian Hallets sogenannten "Coworking Space". Rund 20 Quadratmeter hat der Jungunternehmer in dieser Art Büro-Wohngemeinschaft im Münchner Zentrum angemietet, um gemeinsam mit seinem dreiköpfigen Team die Start-up-Firma "Happy Ocean Foods" aufzubauen. Das Vorhaben des 31-Jährigen? Durchaus abenteuerlich: eine pflanzliche Garnele, gebaut aus Algen und Sojaprotein.

Die Idee für solch eine Variation des Krebstiers entstand vor rund zwei Jahren, auf einer Reise zu den Inselgruppen der Philippinen. "Eigentlich wollte ich zum Surfen und Tauchen", blickt er zurück, doch statt Bilderbuch-Strand und türkisfarbenem Meer sah er hauptsächlich vermüllte Buchten und abgestorbene Korallenriffe, was bei dem passionierten Sportler einen schockierenden Aha-Effekt auslöste. Umso mehr sich Hallet in die Problematik von überfischten Meeren, riesigen Aquafarming-Plantagen oder den Einsatz von Antibiotika bei der Zucht einlas, desto klarer wurde seine Vision.

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"Future Food" nennt sich der Trend, den er aufgreift, bei dem es mitunter um pflanzlichen Ersatz von Fleisch-, Milch- oder auch Fischprodukten geht. Bei Burger und Grillwürsten sind solche Alternativen schon seit Jahren in Speisekarten und Supermarktregalen etabliert - bei Fisch und Meeresfrüchten ist der Markt hingegen noch weitestgehend unerschlossen.

Gemeinsam mit Freund und Wegbegleiter Robin Drummond und der Ernährungswissenschaftlerin Viktoria von Beerfelde hat der ambitionierte "Food Enthusiast" begonnen, ein Krustentier auf reiner Pflanzenbasis zu entwerfen. Die Zutaten erschlossen sich recht schnell: Algenextrakte, Sojaprotein, Meersalz und eine Gewürzmischung - fertig war der Bauplan. Mit Hilfe eines 3-D-Modells, gegossen in eine Silikon-Form, entstand die passende Optik des Muster-Shrimps. Viel schwieriger gestaltete es sich, diesen Entwurf in die Herstellung größerer Mengen umzusetzen. Viele Produzenten winkten ab: Es gebe keine geeigneten Produktionsmaschinen, die Zutaten seien nicht ganzjährig verfügbar.

Rund eineinhalb Jahre hat es gedauert, bis die erste Testproduktion erfolgreich war, erst seit diesem September können die Gründer mit verlässlichen Mengen im mittleren 1000-Kilo-Bereich planen. Und tatsächlich, die "grüne Garnele" sieht ihrem tierischen Original erstaunlich ähnlich, beim Öffnen der Packung liegt sofort ein Hauch von Meer und Fisch in der Luft.

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Ob in all der Zeit Zweifel kamen? "Im November letzten Jahres waren wir kurz davor, hinzuschmeißen", sagt Hallet, "gleichzeitig wollten wir nicht wahrhaben, dass es nicht funktioniert". Der Glaube an die Idee habe schließlich zum Weitermachen motiviert - verstärkt durch eine "gute Finanzierungsrunde", wie er es beschreibt. Immerhin verspeisen die Deutschen laut Lebensmittelstudien rund 50 000 Tonnen Garnelen pro Jahr, der Markt an pflanzlichen Ersatzprodukten wachse stetig.

Die nächsten Schritte sind also klar: Die "Happy Ocean Garnele" soll als Marke bekannt werden. Doch noch bevor sie im Supermarkt-Tiefkühlregal zu finden sein wird, soll sie auf den Speisekarten von Münchner Gastro-Betrieben angeboten werden. Wo genau, will Hallet noch nicht verraten, nur so viel: Es handle sich bei den Partnern mitunter um Restaurants im Premium-Bereich und nicht-vegane Lokale. Mitte November soll es losgehen.

"Für uns war es bis jetzt schon ein ziemlich cooles Jahr", resümiert Hallet bei der Frage nach den gesteckten Zielen. Und so liegen schon neue Ideen in der Schublade, was man als Nächstes aus Alge oder Soja "bauen" könnte. Lachs beispielsweise wird in Deutschland noch häufiger verzehrt als Krebstiere.

© SZ vom 06.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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