Hallenbad Kirchseeon:Eltern fordern Schwimmkurse

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In Glonn durften, nach langer Corona-Zwangspause, Hunderte Kinder bei Jürgen Puls schwimmen lernen. Eine Petition soll dies nun auch in Kirchseeon möglich machen. Der Bürgermeister jedoch verfolgt andere Pläne.

Von Michaela Pelz, Glonn/Kirchseeon

"Hände, Beine, pusten. Hände, Beine, pusten. Hände. Beine. Pusten", murmelt halblaut und hochkonzentriert ein etwa Vierjähriger in bunter Badehose, während er, die Schwimmnudel fest in den kleinen Händen, von einer Seite des Schwimmbeckens zur anderen eilt, um sich dort wieder ins Wasser zu werfen - vorbei an den im vorbildlichen Abstand auf ihren nummerierten Plätzen sitzenden Eltern.

Der Steppke gehört zur ersten der fünf Gruppen, die sich an diesem Nachmittag zum achten Mal im Glonner Hallenbad treffen, um donnerstags, freitags und samstags per Intensivkurs schwimmen zu lernen. Weitere fünf Gruppen dürfen von Montag bis Mittwoch trainieren.

Der Mann, dessen Hartnäckigkeit sie dies zu verdanken haben, ist der Betriebsleiter der Einrichtung, Schwimmlehrer Jürgen Puls. "Weder die Kurse für 160 Kinder im Juni und Juli, noch die jetzt wären möglich gewesen, wenn ich den Gemeinderat nicht hätte von der aktuellen Notwendigkeit überzeugen können", erklärt der Endfünfziger, dessen mehr als 44-jährige Berufstätigkeit im 50 Kilometer von der Nordsee entfernten Landkreis Ammerland begann, ihn aber schon 1990 als Leiter des Phoenix-Bades in Ottobrunn nach Oberbayern geführt hat.

Mittlerweile haben sich die kleinen Gestalten in ihren regenbogenfarbenen Bikinis, roten Badeanzügen und wild gemusterten Badehosen wie Perlen an einer Schnur an der Kopfseite auf den Beckenrand gesetzt und machen sich für die lange Bahn bereit, die sie, derzeit noch mit Unterstützung der bunten Nudeln sowie Schwimmscheiben an den Armen, schwimmend durchmessen sollen. Später werden sie noch über eine wacklige Matte laufen oder voller Wonne, Bauch voran, draufspringen, bevor sie ins Wasser gleiten.

Veronika Drewling ist besonders froh, einen der begehrten Kursplätze bekommen zu haben. Im Sommer musste ihr älterer Sohn, ebenfalls Ex-Schwimmschüler von Puls, seinen vierjährigen Bruder vom Dreimeterbrett eines Natursees pflücken. "So schnell konnte ich gar nicht schauen, da war er schon oben. Er dachte, er kann's", erzählt die Grafingerin. Dem war damals nicht so, zum Glück ist der kleine Tobias nun aber eines von 120 Kindern, die während der 15 Treffen in fünf Wochen lernen, wie sie ihre Bewegungen koordinieren, dabei das Atmen nicht vergessen und sich damit sicher über Wasser halten können. Ein Elternteil ist immer dabei, bei den ersten fünf Treffen sogar mit im Becken, auch Geschwisterkinder werden weitmöglich integriert.

"Ja, das Ganze ist aufwendig und intensiv, aber es lohnt sich", sagt Frieder Jahn, der mittlerweile das dritte Kind in einem der Kurse von Puls hat. Der Anzinger schätzt die "stabile Sicherheit", die das Erlernte biete, verglichen mit dem, was, wie man höre, andere Anbieter leisten könnten. Das muss man Steffi Weiss nicht erzählen. Sie kennt Puls schon vom vor Jahren besuchten offenen Babyschwimmen, machte dann aber mit ihrem großen Sohn anderswo einen Kurs. "Kein Vergleich!", sagt die Poingerin. Es gefällt ihr, dass die Anwesenheit der Eltern erlaubt ist, sie findet den Kursaufbau faszinierend, weil stets erklärt werde, warum man etwas macht, und mag die Art des Lehrers. "Jürgen hat die Kinder unter Kontrolle, bleibt dabei aber immer freundlich. Selbst, wenn er sie zur Räson bringen muss."

Tatsächlich fällt auf: Wohl entspricht der Chlor-Geruch voll und ganz den Erwartungen - der Geräuschpegel tut es nicht. Denn anfangs dürfen die Mädchen und Jungen zwar neben dem Becken hüpfen, winken und sich im Kreis drehen, doch sobald die Trainingseinheiten im Wasser beginnen, übertönt kein Kreischen, kein Plappern, kein Rangeln die ruhigen Anweisungen des Mannes, der in seinem Schwimmdress wie ein unerschütterlicher Fels im Wasser steht, bei Bedarf eine Hand reicht und ansonsten verbale Stütze und Stab der Schwimmanfänger ist. "Jeder soll sich sicher und wohlfühlen", sei seine Grundregel, um Nichtschwimmern den Erwerb dieser überlebenswichtigen Fähigkeit zu ermöglichen, so der ausgebildete Schwimmmeister, der als Zeitsoldat im Sanitätsdienst auch auf Intensivstationen arbeitete und die Auswirkungen von Ertrinkungsunfällen hautnah erleben konnte. Er sei ein Mann der "klaren Ansagen", sagt Puls, nicht mitzumachen sei keine Option, dennoch hole er jedes Kind da ab, wo es gerade stehe. Und wer sich nicht traue, dem mache er Mut.

Wie dem Sohn von Nadine Hofer. Der heute Siebenjährige hatte 2020 in einem anderen Bad zehn Schwimmstunden absolviert, dann kam Corona und alles machte zu. "Man konnte das Gelernte nicht vertiefen und er entwickelte Ängste. Jetzt ist er total aufgeblüht." Das gilt auch für die vierjährige Tochter der Baldhamerin, die anfangs skeptisch am Beckenrand stand, nun aber an den Kurstagen total vorfreudig ist.

Egal, mit wem man spricht, alle sind voll des Lobes für den "Jürgen, der unter Müttern bekannt ist wie ein bunter Hund".

Wahrscheinlich ist es darum auch kein Wunder, dass die seit knapp zwei Wochen auf der Plattform Openpetition gestartete Aufforderung "Herr Paeplow, lassen Sie unsere Kinder unter der Leitung von Jürgen Puls weiter schwimmen üben" große Resonanz erfährt. Sie richtet sich an den Kirchseeoner Bürgermeister - Auslöser ist die Tatsache, dass in der Marktgemeinde sämtliche Nachmittagskurse der Schwimmschule Puls ersatzlos gestrichen sind - Talentschwimmen ebenso wie Aquatriathlon. Lediglich das Babyschwimmen kann stattfinden. Puls, der mehr als zwanzig Jahre lang Betriebsleiter im Hallenbad Kirchseeon gewesen war, hatte diese Tätigkeit zwar 2018 beendet, seine Schwimmschule dort aber weitergeführt.

Nun wurden die Verträge gekündigt, denn, so Bürgermeister Jan Paeplow: "Wir wollen das Angebot des Hallenbads neu und breiter aufstellen und zwar mit dem Hauptaugenmerk auf die Kirchseeoner Familien, die ja mit ihren Steuern das jährliche Hallenbad-Defizit von 200 000 bis 300 000 Euro schultern müssen." Künftig wolle man den Eigenbetrieb der Gemeinde verstärkt in Kooperation mit der Wasserwacht betreiben. Vor allem Grundschule und Kitas sollen angesprochen werden, auch die VHS und eine neue Schwimmschule seien am Start. "Plus das Babyschwimmen von Herrn Puls." Was dieser in all den Jahren geleistet habe, stehe absolut nicht in Abrede und man sei ihm nach der Zusammenarbeit in all den Jahren sehr dankbar. Um den großen Bedarf an Schwimmkursen aber abdecken zu können, sei ein Umdenken notwendig und der Zeitpunkt für eine Änderung gekommen, so Paeplow. "Am Ende will ich noch mehr Schwimmkurse anbieten als jetzt."

Obwohl Puls, selbst wohnhaft in Kirchseeon, den Ansatz grundsätzlich verstehen kann, geht der für ihn an Realität und Bedarf vorbei: "Es geht nicht primär um Teilnehmerzahlen, sondern um Inhalte, Vertrauen und Perspektiven für die Schwimmsicherheit in den Familien. Dafür braucht es gute Konzepte mit kompetentem Personal, um den wichtigen ersten Schwimmkurs eines Kindes mit Nachhaltigkeit auszufüllen."

Durch seine langjährige Erfahrung wisse er, was Eltern wollen: einen gut durchdachten Kurs, aus dem die Kinder gestärkt hervorgingen. "Das schüttelt man nicht einfach so aus dem Ärmel." Als Beispiel für seine Expertise nennt der Wasserprofi das seit Jahrzehnten angebotene und regelmäßig ausgebuchte Babyschwimmen. Damit wolle er die Kinder frühestmöglich ans nasse Element gewöhnen, um zu erreichen, dass sie sich im Wasser wohlfühlen, ihre Motorik aktiviert wird, sie dabei den so wichtigen Auftrieb im Wasser erspüren und mit dem Widerstand gegen das nasse Element ihre ersten Erfahrungen machen. Kleiner Nebeneffekt: Zu den meisten Teilnehmern und ihren Familien baue sich so eine vertraute jahrzehntelange Bekanntschaft auf.

Wie wichtig ihm die Angelegenheit ist, bringt der Endfünfziger so auf den Punkt: "Es geht nicht um die Person Jürgen Puls, es geht hier ums Ganze!"

© SZ vom 07.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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