Stefan Kuntz in der Türkei:Drei Endspiele für ein bisschen Hoffnung

Berkan Kutlu and Coach Stefan Kuntz during the World Cup 2022 Qualifaction group G match between Turkey and Norway at U

Da geht's lang: Stefan Kuntz bei seinem ersten Spiel als Coach der Türkei.

(Foto: Seskimphoto/imago)

Nach einem 1:1 beim Debüt von Stefan Kuntz als Nationaltrainer kann die Türkei die WM nicht mehr aus eigener Kraft erreichen. Doch der deutsche Coach plant sowieso langfristig.

Von Sebastian Fischer

Die Erinnerungen von Stefan Kuntz an Fußballspiele in hitziger Atmosphäre lagen schon länger zurück. Bei der deutschen U21-Nationalmannschaft ging es in den vergangenen Jahren schließlich meistens auf den Rängen eher gemächlich zu, selten kamen mehr als 20 000 Zuschauer, auch schon vor der Pandemie. Und so sprach der Trainer beeindruckt über die trommelnden und singenden Fans im immerhin halbvollen Stadion von Fenerbahce Istanbul. Das sei "sehr aufregend" gewesen, sagte er. "Das ist das, was ein Trainer möchte."

Trommeln, Gesänge, viele Zuschauer und große Aufmerksamkeit, das steht allerdings nicht nur für den aufregenden Teil seines neuen Jobs, sondern genauso für den komplizierten: Wenn seine neue Mannschaft nicht gewinnt, wie beim 1:1 am Freitagabend gegen Norwegen bei seinem Debüt, dann ist die Kritik auch um einiges vielstimmiger als bei einer Nachwuchsauswahl. "Der deutsche Impfstoff hat nicht gewirkt", schrieb die Zeitung Fanatik am nächsten Morgen. Und für Aksam Spor sind nun bereits alle Träume von der Weltmeisterschaft in Katar "geplatzt".

Seit knapp drei Wochen ist Kuntz, 58, nun Coach der Türkei, es ist der bislang größte Trainerjob für den mit der deutschen U21 so erfolgreichen früheren Nationalspieler und Europameister von 1996. Er hat einen Vertrag bis 2024 unterschrieben, bis zur EM in Deutschland, das ist die langfristige Perspektive. Doch kurzfristig ist die Aufgabe, es vielleicht doch noch zur WM 2022 zu schaffen, noch schwerer geworden, als sie ohnehin schon war. Aus eigener Kraft können die Türken als Gruppendritter hinter Norwegen und den Niederlanden nun nicht mehr Platz zwei und die Qualifikations-Playoffs erreichen.

"Wir sind ein kleines bisschen enttäuscht", sagte Kuntz dementsprechend. Und: "Wir hätten unseren türkischen Fans und allen anderen auch gerne einen Sieg geschenkt, um diese Pflanze der Hoffnung ein bisschen schneller wachsen zu lassen. Die ist jetzt noch ein bisschen klein." Doch er wirkte dabei gelassen. Er habe seinen Job in der kurzen Zeit so gut gemacht, wie es gehe, erwiderte er auf eine Nachfrage nach seiner Verantwortung für die Situation. Ein "kleines Wunder" - so hatte er eine mögliche Qualifikation schon bei seiner Vorstellung genannt.

Gegen Norwegen hatte er einiges gesehen, was es zu verbessern gilt. Seine Spieler müssten Torchancen noch besser nutzen, es mangele an Überzeugung und Selbstvertrauen, sagte er. Nach der frühen Führung in der sechsten Minute durch Kerem Aktürkoglu übernahmen immer mehr die Gäste das Spiel. Es traten ein paar Defizite in der Abwehr zutage, beim Ausgleich durch Kristian Thorstvedt etwa, als die türkischen Verteidiger im Anschluss an einen Eckball nicht geschlossen aus dem eigenen Fünfmeterraum vorrückten.

Und obwohl bei den Gästen Erling Haaland fehlte, das türkische Aufgebot in der Offensive um Profis wie Hakan Calhanoglu, Cengiz Ünder oder Burak Yilmaz also zumindest nominell verheißungsvoller klang, vergab kurz vor Schluss der Partie Norwegens Mohamed Elyounoussi die beste Chance des Abends auf einen Siegtreffer.

Zufrieden sei er trotzdem, sagte Kuntz. Weil das Team "aus meiner Sicht alles gegeben" habe. Und dass die Türkei beginnend mit der Partie in Lettland an diesem Montag praktisch jedes der verbleibenden drei Spiele gewinnen muss, um einen möglichen Patzer der um zwei Punkte besseren Norweger noch auszunutzen, muss vielleicht nichts Schlechtes heißen: Gerade in K.o.-Spielen als Außenseiter, wenn auch ohne Trommeln im Publikum, hat sich Kuntz bei zwei gewonnenen U21-Europameisterschaften ja profiliert. Ein spannendes Finale am letzten Qualifikationsspieltag ist nicht ausgeschlossen. Norwegen spielt dann beim Tabellenführer Niederlande.

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