Bayer Leverkusen:Plötzlich wieder hochinteressant

Bayer Leverkusen: Bei Florian Wirtz wird es irgendwann um die Frage gehen, ob er nach München wechselt oder ins Ausland.

Bei Florian Wirtz wird es irgendwann um die Frage gehen, ob er nach München wechselt oder ins Ausland.

(Foto: Ina Fassbender/AFP)

Wie im vergangenen Jahr empfängt Bayer den FC Bayern früh zum Spitzenduell. Meister werden in den nächsten 700 Jahren wohl trotzdem die Münchner, aber: Die Leverkusener Talente wecken wieder Interesse beim Rivalen.

Von Ulrich Hartmann

Wer wie so viele gegnerische Fans den Fußballern von Bayer Leverkusen gern spöttisch vorsingt, dass sie "nie deutscher Meister" werden, der bedarf einer kurzen historischen Einordnung. Der FC Bayern etwa aus der im Jahr 1158 erstmals urkundlich erwähnten Stadt München gewann seinen ersten Meistertitel 1932. Die Stadt Leverkusen, benannt nach dem Chemiker Carl Leverkus, wurde 1930 gegründet.

Würde Bayer Leverkusen seinen ersten Meistertitel genauso wie Bayern München erst 774 Jahre nach der Stadtgründung gewinnen, dann bräuchte vor dem Beginn der Saison 2703/04 niemand zu spotten oder Ansprüche zu stellen. Dann hätte Bayer 04 noch knapp sieben Jahrhunderte Zeit. Man kann allerdings auch verstehen, dass die gegenwärtigen Verantwortlichen diesen Zeitrahmen nicht unbedingt ausschöpfen wollen.

Um auch den Fans eine siebenhundertjährige Wartezeit zu ersparen, akquiriert der Klub seit Jahren Fußballpädagogen unterschiedlichster Nationalitäten: den Finnen Sami Hyypiä, den Sauerländer Roger Schmidt, den Türken Tayfun Korkut, den Niederländer Peter Bosz und nun den Schweizer Gerardo Seoane. Der in Luzern geborene Sohn spanischer Eltern war neun Jahre alt, als Bayer Leverkusen 1988 den Uefa-Pokal gewann. Fünf Jahre später schloss sich mit dem Gewinn des DFB-Pokals der winzige Bayer-Kreis des Erfolgs. In Luzern wurden die Titel damals aber nicht groß gefeiert. Die Pokale stehen in den Räumlichkeiten unter der Leverkusener Westtribüne.

Kovac, Ballack, Zé Roberto, Lúcio: Eine Zeitlang war Bayern auf Bayer-Spieler abonniert

Nun sind Titel nicht alles. Die Qualität eines Bundesliga-Klubs bemisst sich immer auch daran, wie viele Spieler ihm der FC Bayern München wegkaufen will. Je mehr, desto ehrenvoller. Bei Bayer Leverkusen hatten die Münchner sogar mal kurz eine Art Abonnement. 2001 holten sie Robert Kovac, 2002 Michael Ballack und Zé Roberto sowie 2004 Lúcio. Dass seitdem kein gestandener Fußballer mehr aus Leverkusen an die Säbener Straße gewechselt ist (Arturo Vidal kam über den Umweg Juventus Turin), mag für die Rheinländer einerseits erfreulich sein, ist andererseits aber auch Ausdruck einer relativierten Attraktivität.

Dass die Leverkusener den FC Bayern am Sonntag als punktgleicher Verfolger empfangen, ist kaum der Rede wert. Vor zehn Monaten empfingen sie ihn sogar mit einem Punkt Vorsprung, verloren dann aber in letzter Sekunde und brachen tabellarisch ein. Wertvoller erscheint der Umstand, dass Bayern München nach all den Jahren wieder echtes Interesse an Leverkusener Spielern entwickeln könnte.

Da wäre zuvorderst der 18 Jahre alte Mittelfeldspieler Florian Wirtz, bei dem es irgendwann nur um die Frage gehen wird, ob er nach München wechselt oder ins Ausland. Aber auch der französische Flügelstürmer Moussa Diaby, 22, und der niederländische Rechtsverteidiger Jeremie Frimpong, 20, sind hochinteressant. Bayers Kader ist ein tiefer Fundus von Talenten, zu denen man den Trainer Seoane mit seinen 42 Jahren unbedingt hinzuzählen muss. Sollte es stimmen, dass Bayer Leverkusen nie deutscher Meister wird, dann nur deshalb, weil sie ihre großen Jahrgänge nie beisammen halten können.

Die Anti-Bayer-Polemik "Ihr werdet nie deutscher Meister!" wird übrigens nach der Melodie des alten kubanischen Liedes "Guantanamera" gesungen. Zufall oder nicht, nach dieser Melodie wurde vor einigen Jahren schon ein Evergreen des deutschen Fußballschlagers intoniert mit dem fabelhaften Refrain: "Es gibt nur ein' Rudi Völler." Dieser Eine absolviert gerade sein letztes Jahr als Bayer Leverkusens Sportchef. Es wäre angemessen, ihm zum Abschied den unmöglich anmutenden Titel zu schenken. Völler hat auch bereits durchklingen lassen, dass er im Mai 2704 keine Zeit hat.

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