"Halloween Kills":Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?

Lesezeit: 3 min

Er ist wieder da: Der Serienmörder Michael Myers in "Halloween Kills". (Foto: Ryan Green/Imago)

Der Horrorfilm "Halloween Kills" mit Jamie Lee Curtis ist ein fieser Spiegel der Gegenwart, in der Hass ein Selbstwert geworden ist.

Von David Steinitz

Zur Filmpremiere von "Halloween Kills" in Los Angeles kam die Hauptdarstellerin Jamie Lee Curtis Mitte Oktober standesgemäß verkleidet - und zwar als ihre eigene Mutter. Genauer gesagt in deren berühmtester Filmrolle.

Das war eine Verneigung vor dem schönen filmgeschichtlichen Zufall, dass ihre Mutter Janet Leigh als Hauptdarstellerin im Horrorfilm "Psycho" 1960 weltberühmt wurde, und Jamie Lee Curtis dann eine Generation später 1978 im Horrorfilm "Halloween" - für den sich die Macher kräftig bei "Psycho" bedienten.

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Die sehr simple Geschichte des Original-"Halloween"-Films (Messermörder jagt Mädchen) hatte der Erfinder der Reihe, John Carpenter, mit Hitchcock'scher Raffinesse aufgepeppt. Und zwar, indem er das Publikum nicht nur mit dem Monster konfrontierte, sondern es mit ihm gleichsetzte: So wie man als Zuschauer schon in "Psycho" per Kameraeinstellung aus der Sicht von Norman Bates mit dem Messer in der Hand zu Janet Leigh unter die Dusche stieg, presste einen auch Carpenter durch die Kameraführung in die Perspektive des "Halloween"-Serienkillers Michael Myers.

Ein Film über die Frage, was ein kollektives Trauma mit einer Gesellschaft macht

Die Idee, dass das Böse sich nicht im Anderen offenbart, sondern wenn man in den Spiegel schaut, hat das Horrorgenre sich aus der Geisteshaltung des 19. Jahrhunderts geliehen, von der Psychoanalyse natürlich, aber auch dem Darwinismus, jenen philosophischen Strömungen, in denen es ideologisch verankert ist. Der Trick, den Zuschauer zum Triebtäter zu machen, funktioniert an der Kinokasse aber natürlich nur, wenn man ihn nicht am Fließband ausschlachtet. Weshalb Teil zwei bis Teil elf von "Halloween" eher kein Stoff für die Filmgeschichte waren.

Deshalb ist man vorab natürlich erst mal von einer gewissen Messermördermüdigkeit beseelt, wenn nun mit "Halloween Kills" der zwölfte Teil der Reihe ins Kino kommt. Aber, liebe Kürbisfreundinnen und -freunde, es gibt gute Nachrichten: Das ist ein sehr guter Horrorfilm. Was daran liegt, dass der Regisseur David Gordon Green, der sich von der Hollywoodmainstreamkomödie ("Ananas Express") bis zum kleinen Indie-Film ("Prince Avanalche") schon in fast allen Genres ausgetobt hat, ein großer Verehrer von "Halloween" ist - und einen Masterplan hat, den Klassiker in die Gegenwart zu holen.

Zur Premiere von "Halloween Kills" in Los Angeles hat sich Haupdarstellerin Jamie Lee Curtis wie ihre Mutter verkleidet, als diese die Hauptrolle in "Psycho" spielte. (Foto: Valerie Macon/AFP)

Das Original war für Green so prägend, dass er schon vor Jahren ein Drehbuch für eine Fortsetzung schrieb, ohne dass ihn jemand damit beauftragt hätte. Das Skript wanderte in die Schublade, bis Green 2017 mit dem Hollywoodstar Jake Gyllenhaal das Drama "Stronger" drehte. Gyllenhaal ist zufälligerweise der Patensohn der "Halloween"-Heldin Jamie Lee Curtis. Er stellte den Kontakt her, und Curtis war einer Neuauflage durchaus zugetan.

Daraus entstand 2018 bereits eine erste gemeinsame Fortsetzung, die aber letztlich nur eine kleine Horror-Fingerübung war, eine Exposition für das, was David Gordon Green und Jamie Lee Curtis jetzt in "Halloween Kills" anstellen. Sie verneigen sich noch mal vor dem Original, mit Rückblenden, die Handlungsstränge von damals wieder aufnehmen, die man aber nicht kennen muss, um diesen Film zu genießen. Denn sie emanzipieren sich auch ein gutes Stück von der alten Leier, dem ewigen Mann-jagt-Frau-Spiel, indem sie die Geschichte öffnen für ein breiteres Personal, und das tun sie mit einem guten Gespür für gesellschaftliche Problemzonen.

"Halloween Kills" ist weniger eine One-Girl-Show von Jamie Lee Curtis als ein Film über die Frage, wie ein kollektives Trauma eine Gesellschaft verändern kann. Das exerzieren die Macher an der Kleinstadt Haddonfield durch, dem Schauplatz der "Halloween"-Filme. Einer Kleinstadt, in der nicht nur Jamie Lee Curtis als Laurie Strode unter dem Wiederholungstäter Michael Myers leidet, sondern alle Bewohner physische und seelische Wunden von seinen Taten davongetragen haben, Opfer, Polizisten, Augenzeugen, Hinterbliebene, eine ganze Gemeinschaft reif für den Psychiater.

Drei Generationen geschockt vom Serienkiller: Judy Gree, Jamie Lee Curtis und Andi Matichak in "Halloween Kills". (Foto: Ryan Green/AP)

Dass kollektives Leid aber nicht unbedingt zu kollektiver Heilung führt, sondern ganz gern auch mal zu individuellem Wahn, ist eine der Botschaften dieses Films, der ein gnadenloser Spiegel seiner Entstehungszeit ist. Während der Killer wieder wütet, formt sich ein Mob in der Kleinstadt Haddonfield, dessen Hass so existenziell ist, dass er seinen Auslöser gar nicht mehr besiegen kann, weil er sonst seine Existenzgrundlage verliert. Und das ist ein Horror, der wie bei allen guten Horrorfilmen leider weit über das Kino hinausgeht.

Halloween Kills , USA 2020 - Regie: David Gordon Green. Buch: Danny McBride, Scott Teems, David Gordon Green. Kamera: Michael Simmonds. Mit: Jamie Lee Curtis, Judy Greer, Andi Matichak. Universal, 106 Minuten. Kinostart: 21. Oktober 2021.

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