Ausstellung in Prien:Schrecklich schöne Landpartie

Ausstellung Paul Roloff, Heimatmuseum Prien

Den Blick auf den Chiemsee malte Paul Roloff ungezählte Male, hier "Am Badehaus". Das Gemälde entstand 1937, als sich "Die Welle" längst aufgelöst hatte.

(Foto: Heimatmuseum Prien)

Eine Ausstellung in Prien erinnert an den Maler Paul Roloff und die Künstlervereinigung "Die Welle". Die setzte darauf, ihre Werke außerhalb der Stadt besser verkaufen zu können - und begab sich dafür auf Kuschelkurs mit dem NS-Regime.

Von Sabine Reithmaier, Prien

"Bilder braucht in dieser Zeit keiner." Paul Roloff gab sich 1920 keinen großen Illusionen hin. Trotzdem gründete er ein Jahr später in Prien mit anderen Malern "Die Welle". Die Mitglieder der Künstlervereinigung hatten es satt, ihre Bilder und Skulpturen in bunten Massenausstellungen in München untergehen zu sehen. Vielleicht, so die Hoffnung der Gruppe, ließen sich die Arbeiten, exklusiv präsentiert, auf dem Land besser verkaufen. Touristen gab es am Chiemsee schließlich damals schon. Ein Irrtum, wie sich bald herausstellte.

Der 70. Todestag Roloffs und die 100 Jahre zurückliegende Gründung der "Welle" boten dem Heimatmuseum Prien den Anlass, in einer Doppelausstellung sowohl den Maler als auch seine Welle-Kollegen zu würdigen (bis 31.10.). Das Projekt ist nicht unproblematisch, denn Roloff arrangierte sich während der NS-Zeit mit den Machthabern. Die Forschungsplattform zu den Großen Deutschen Kunstausstellungen 1937 bis 1944 in München (www.gdk-research.de) verzeichnet für seinen Namen acht Treffer. Dort war er beispielsweise mit einem Porträt Paul Ludwig Troosts vertreten, dem Architekten des "Führerbaus" sowie des Hauses der Kunst in München. Sein Gemälde "Münchner Kellnerin", 1938 ausgestellt, gefiel Hitler so gut, dass er es für 2000 Reichsmark kaufte.

"Er war aber kein Nazi", sagt Elisabeth Waldmann und blättert durch die Fotoalben mit den Werken ihres Großvaters. Er sei nie in der Partei gewesen, dafür aber immer im evangelischen Kirchenvorstand. Aber ja, er habe versucht, seine Familie mit Kunst zu ernähren und sei daher auf Aufträge angewiesen gewesen.

Aktdarstellungen, biblische Szenen und Porträts begründen den Ruf des Malers

Seine Porträts waren gefragt. Die Enkelin kümmert sich seit vielen Jahren um den Nachlass Paul Roloffs. "Ich bin da reingewachsen", sagt sie. Ihre Mutter habe mit den Aufzeichnungen begonnen, da der Großvater selbst nie eine Werkliste geführt hatte. Inzwischen hat sie viele der weit verstreuten Gemälde dokumentiert und auch das Archiv der "Welle" übernommen, "es geht sonst alles verloren".

Ausstellung Paul Roloff, Heimatmuseum Prien

Paul Roloff in seinem Atelier um 1932.

(Foto: Heimatmuseum Prien)

Paul Roloff war erst 1921 nach Prien gezogen. Geboren in einem Gutshaus im altmärkischen Landkreis Stendal hatte er in München an der Akademie studiert und schnell erste Erfolge gefeiert. Vor allem die eigenwilligen Aktdarstellungen, die biblische Szenen und die Porträts begründeten den Ruf des Malers, der seit 1911 Mitglied der Münchener Sezession war. Der Krieg unterbrach die Karriere jäh, Roloff war als einer der Offiziere des bayerischen Heeres an der Westfront eingesetzt. Schwer gezeichnet von diesen Erfahrungen, schien es ihm nach seiner Rückkehr unmöglich, mit Malerei genügend Geld zum Leben zu verdienen. Ein Intermezzo als Gutsherr endete aber schnell, die harte Arbeit ließ ihm keine Zeit zum Malen. Nach München konnte er mangels Zuzugsgenehmigung nicht zurück. Daher griff er sofort zu, als ihm ein Münchner Geschäftsmann während einer Bahnfahrt sein Sommerhaus am Chiemsee zum Kauf anbot. 1921 zog er mit Frau und zwei Töchtern in die traumhaft verwinkelte, direkt am See gelegene Villa, die heute seine Enkelin bewohnt.

Den Blick auf die Fraueninsel hat er oft gemalt, in wechselnden Stimmungen und Farbtönen. Er war ein ausgezeichneter Maler, davon zeugen die Bilder in der Priener Ausstellung. Aber leicht zu verkaufen waren die Bilder in den Nachkriegsjahren nicht. Auch deshalb gründete er mit gleichgesinnten Chiemsee-Zuzüglern - den Malern Bernhard Klinckerfuß, Karl-Hermann Müller-Samerberg und Emil Thoma, dem Bildhauer Friedrich Lommel und Paula Rösler als einziger Frau - im Herbst 1921 "Die Welle" als freie Vereinigung Chiemgauer Künstler.

Ausstellung „Die Welle“, Heimatmuseum Prien

"Die Welle" finanzierte ihr Ausstellungshaus aus eigenen Mitteln. Als nach zehn Jahren der Pachtvertrag ablief, bestand die Gemeinde Prien auf einem Abriss.

(Foto: Heimatmuseum Prien)

Da es an Ausstellungsräumen mangelte, entschied sich die schnell wachsende Gruppe zu einem ungewöhnlichen Schritt: Sie beschloss, einen Pavillon in Prien-Stock direkt am Chiemseeufer zu bauen. Ein Grundstück wurde gepachtet, für die Baukosten sollte jedes Mitglied 10 000 Mark aufbringen, Paula Rösler nur 6000. Dafür pumpte sie im Februar 1922 sogar ihren ehemaligen Freund an, den Biene-Maya-Autoren Waldemar Bonsels.

Die Presse war von den Ausstellungen angetan

Die Chiemgau-Zeitung war im Juli 1922 begeistert von dem "schlichten formschönen, mit künstlerischem Takt in das Landschaftsbild eingefügten Ausstellungshaus". Die Münchner Neuesten Nachrichten merkten im Sommer 1930 an, dass der reizvolle Bau "mit persönlichen Opfern erhalten" werde. Überhaupt zeigte sich die Presse von den alljährlich stattfindenden Ausstellungen sehr angetan. Karl Aß, Leiter des Heimatmuseums, hat zwischen die Landschaften, Stillleben und Porträts der "Welle"-Künstler jede Menge Zeitungsartikel geschoben. Auch wenn die Lektüre mühsam ist, lässt sich mit ihnen die Geschichte der Gruppe gut nachvollziehen.

Ausstellung „Die Welle“, Heimatmuseum Prien

Paula Rösler war ein Gründungsmitglied der "Welle". Hier einer ihrer Scherenschnitte.

(Foto: Heimatmuseum Prien)

Die Maler selbst waren allesamt "Realisten", der gegenständlichen Darstellungsweise zugetan, wenn auch in ganz unterschiedlichen Schattierungen. Während sich Paula Rösler mit ihren hinreißenden Scherenschnitten dem Kunsthandwerk annäherte, malte Rudolf Sieck weite, lichte, romantische Landschaften. Der Freigeist verließ die Gruppe 1926 wieder, weil ihn ein Mitglied als "Kommunisten" gebrandmarkt hatte. Deutlich expressiver in ihrer Sprache sind die kraftvollen Gemälde Theodor Hummels oder die Bilder Lisbeth Lommels, der Schwester des Bildhauers, die zur gleichen Zeit wie Gabriele Münter an der "Damenakademie" des Künstlerinnenvereins in München studierte.

Dass sich in den Dreißigerjahren der Ton änderte, ist nicht zu überlesen. "Wiesch Pavillon stattfand. "Eine deutsche Kunst, wie wir sie wollen, kann nur getragen sein von Liebe zur deutschen Heimat und Landschaft und zum deutschen Menschen." Elisabeth Waldmann kennt die Zitate. Vermutlich sei ihr Großvater, Spross einer alten Offiziersfamilie, dankbar gewesen, dass es - aus seiner Sicht - einen Aufschwung gab, sagt sie. "Ich denke schon, dass er Hoffnung auf die Kunstpolitik der Nazis gesetzt hat."

1934 löst sich die Gruppe auf. Warum, das ist bis heute nicht exakt erforscht

Als der Pachtvertrag ablief, bestand die Gemeinde Prien auf dem Abbruch des kleinen Kunsttempels, angeblich um den Blick auf die Herreninsel wieder freizulegen. Daher ging die Welle für ihre letzte Ausstellung 1934 nach Rosenheim. Wieder wurde die Ausstellung hochgelobt. Der Völkische Beobachter etwa, das publizistische Parteiorgan der NSDAP, rühmte den ausgezeichneten Gesamteindruck. Und die auf Linie gebrachte München-Augsburger Abendzeitung freute sich, dass am Chiemsee nichts "gesäubert" werden musste.

Im selben Jahr löste sich die Gruppe auf. Warum genau, ist bis heute nicht exakt erforscht. Vielleicht stand sie als freie Gruppe tatsächlich der nationalsozialistischen Gleichschaltung im Weg. Vielleicht gab sie aber auch auf, weil sich die Hoffnung, Kunstwerke auf dem Land leichter zu verkaufen, als falsch erwiesen hatte.

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