Rathauskonzert Vaterstetten:Tragische Klänge

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Das "Schumann-Quartett München" kombiniert Mozart mit Schostakowitsch. Bei Intendant Kurt Schneeweis scheint sich angesichts seiner krisengebeutelten Reihe Resignation breit zu machen.

Von Oliver Fraenzke

Es schwingt Resignation mit, als der künstlerische Leiter der Rathauskonzerte Vaterstetten, Kurt Schneeweis, vor der Vorstellung am Sonntag das Programm für die kommende Saison ankündigt: Die ehemals zehn oder mehr Veranstaltungen schrumpfen - nach einem Beschluss der Gemeinde - auf vier zusammen; zudem müssen diese aus Kostengründen je ohne Klavier auskommen. Auch darf das namensgebende Rathaus weiterhin nicht als Veranstaltungsort verwendet werden, so dass nun die Konzerte zwischen dem Seniorenwohnpark in Vaterstetten und dem Bürgerhaus Neukeferloh aufgeteilt werden müssen. Hinzu kommt, dass künftig nicht einmal mehr Abonnements angeboten werden, um den Fortbestand durch das Stammpublikum zu sichern. Kurzum, die seit Jahrzehnten etablierte und weit über die Grenzen der Gemeinde Vaterstetten bekannte Reihe steckt inmitten einer Krise und bedarf dringend eines Wunders - was gerne als Aufruf verstanden werden darf.

Doch ungeachtet dessen möchte Schneeweis nicht auf Qualität verzichten, lädt weiterhin etablierte Musikerinnen und Musiker zu seiner Reihe ein, so an diesem Sonntagabend im Bürgerhaus Neukeferloh das Schumann Quartett München, bestehend aus vier Mitgliedern des Bayerischen Staatsorchesters: Barbara Burgdorf und Traudi Pauer an den Violinen, Stephan Finkentey an der Bratsche und den Cellisten Oliver Göske. Das Programm dieses Konzerts erscheint mehr als gewagt, denn die Musiker teilen das sogenannte "Dissonanzen-Quartett" C-Dur KV 465 von Wolfgang Amadeus Mozart entzwei und schieben nach den ersten beiden Sätzen das tieftragische Quartett Nr. 13 b-Moll op. 138 von Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch ein, bevor der Mozart fortgesetzt wird. Wie kann nach dem erdrückenden, ja apokalyptischen Schluss des Schostakowitsch-Quartetts überhaupt noch Musik erklingen? Andererseits, wenn überhaupt, dann Mozart.

Feines Zusammenspiel: Das "Schumann Quartett München" gestaltet das letzte Vaterstettener Rathauskonzert in diesem Jahr. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das b-Moll-Quartett op. 138 gehört zu den persönlichsten und tiefschürfendsten Werken des Russen, der es in Zeiten schwerer Krankheit und Unsicherheit geschrieben hat, seine Angst in die Noten projizierend. Die führende Rolle nimmt die Bratsche ein, die in der Quartettbesetzung als das klanglich abgerundetste, weichste Instrument gilt, und den Themen so besondere Melancholie verleihen kann. Kontrastiert wird dies durch herbe Passagen mit kratzigen Dissonanzen und fragmentierten Motiven, die so weit aufgebrochen werden, dass das Material an manchen Stellen bis auf Klopflaute reduziert werden muss.

Der Komponist selbst musste nach der Premiere den Saal verlassen, so überwältigt war er von seinem Werk. Und auch dem Publikum dieses Abends merkt man die erdrückende Wucht des Quartetts spürbar an: War es zuvor geräuschlos still im Bürgerhaus, so muss sich nun bewegt und artikuliert werden, um die unsägliche Stille nach dem Schlusston zu durchbrechen. Die Spannung wirkt noch ins Menuett von Mozarts Dissonanzen-Quartett weiter, beruhigt sich dann allmählich angesichts der wieder heiter gewordenen Musik. Denn trotz des Namens handelt es sich bei diesem sechsten und letzten der Joseph Haydn gewidmeten Quartette um fröhliche, unbeschwerte Musik, die nur in der abenteuerlichen Einleitung gegen alle Regeln der Zeit verstößt und Querstände wie Missklänge zelebriert, nach der Grundtonart zunächst suchen muss.

Gastgeber Kurt Schneeweis blickt besorgt in die Zukunft. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vor nahezu vollem und fokussiert hörendem Haus nimmt das Schumann Quartett München das Mozart-Quartett mit Schwung und Leichtigkeit, betont dabei besonders die aufsehenerregend modernen Passagen, um die Nähe zu Schostakowitsch vom ersten Ton an zu verdeutlichen. Der Abend ist als Einheit konzipiert, wird entsprechend lückenlos vorgetragen und in einem übergeordneten Bogen vermittelt. Das feinabgestimmte Zusammenspiel des seit 1994 in unveränderter Besetzung wirkenden Quartetts ermöglicht den Hörern, alle Stimmen gesondert sowie parallel in ihrer blendenden Kommunikation untereinander wahrzunehmen, die Musik in allen Facetten zu erleben.

Generell bevorzugt das Schumann Quartett rasche Tempi, wobei gerade bei Schostakowitsch ein noch ruhigerer Grundpuls den Schmerz und die Verzweiflung umso deutlicher hervorbringen würde. Schade, dass der letzte Satz Mozarts durch Tempofluktuationen und Betonungen auf den Aufschlag statt den Taktschwerpunkt zerfällt, da der Grundpuls nicht mehr einheitlich wahrgenommen werden kann. Umso beglückender dafür der riskante Übergang zwischen dem emotional kräftezehrenden Schostakowitsch und dem spitzbübisch-kecken Mozart, woraus eine wahre Symbiose entsteht.

Als Zugabe präsentieren die Musiker noch einen Dvorák-Walzer, dessen Zweiseitigkeit zwischen lebendigem Schwung und zarter Melancholie sie auszugestalten wissen und damit den Abend, der dem 2020 verstorbenen Staatsoperndirektor Sir Peter Jonas gewidmet war, einem Fazit gleich abrunden.

© SZ vom 19.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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