Mitten in der Region:Poetisches Behördendeutsch

In Schreiben von Ämtern finden sich oft Begriffe, die die schönsten Assoziationen hervorrufen

Glosse von Stefan Salger

Die deutsche Sprache ist auf Augenhöhe mit der deutschen Steuergesetzgebung: ein Dschungel, von der letzten Rechtschreibreform nur notdürftig eingehegt, in dem alles bis ins letzte Detail geregelt ist, um möglichst keinen Spielraum für Fehlinterpretationen jenseits der reinen Lehre zu lassen. Im Steuerrecht führt das bekanntlich dazu, dass die Gesetzeslücken nur noch von ausgefuchsten und entsprechend teuren Winkelakrobaten gefunden und schamlos ausgenutzt werden können.

Und auf dem Feld der Sprache? Die Deutschen als passionierte Substantiv-Zusammenschrauber verfügen über einen Schatz von 23 Millionen Wörtern - so hat das 2017 die Redaktion des Rechtschreibstandardwerks Duden ermittelt. "Typisch für das Deutsche ist auch eine hohe Anzahl von Präpositionen und ein reiches Inventar an Abtönungspartikeln (halt, eben, eh)", weiß das neunmalkluge Internet-Nachschlagewerk Wikipedia zu berichten. Die pubertierende Digital-Jugend ficht das nicht an, sie kommt mit einer Handvoll Wörter durchs Leben. In Whatsapp-Kurznachrichten wird es unter bewusstem Verzicht auf Grammatik und Interpunktion etwa so auf den Punkt gebracht: "Lass Döner gehen."

Raum für begriffliche Romantik und frei schwebende Gedanken bleibt dem einsilbiger werdenden Menschen eigentlich nur noch bei der Lektüre behördlicher Meldungen, die nicht selten mit einem beeindruckenden Arsenal an Metaphern aufzuwarten wissen. Glaubt man der Kreisstadt Fürstenfeldbruck im Nachbarlandkreis, dann ist Ende Oktober innerorts eine "Wanderbaustelle" unterwegs, die sich offenbar drei Wochen Zeit lassen darf beim Füßevertreten. Die Hoffnung der Anwohner auf weniger Verkehrslärm dürfte unerfüllt bleiben, soll in der Zeit doch "Schleichverkehr" ausdrücklich unterbunden werden. Deshalb werde eine "Sackgasse ausgeschildert". Drei von 23 Millionen Wörtern voller Poesie - viel schöner als das Döner-Trio. Aber das war einem halt eben eh klar.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: