Eishockey:T-Rex brüllt nicht mehr

Eishockey: "Wir werden da durchkommen, auch wenn es nicht einfach wird." - Tom Rowe.

"Wir werden da durchkommen, auch wenn es nicht einfach wird." - Tom Rowe.

(Foto: Thomas Hahn/Sportfoto Zink/Imago)

Tom Rowe, 65, hat schon so ziemlich jeden Posten bekleidet, den es im Profi-Eishockey gibt, in den unterschiedlichsten Ligen von der NHL bis Österreich. Nun ist er Trainer der Nürnberg Ice Tigers.

Von Christian Bernhard

Der Moment, in dem einem Menschen klar wird, dass sein Arbeitsumfeld ihm den Spitznamen "T-Rex" verpasst hat, ist nicht unbedingt ein schmeichelhafter. Tom Rowe entschied sich für den humorvollen Umgang damit. Vielleicht habe er nach dem ein oder anderen verlorenen Spiel so ausgesehen, sagte er lachend. 2014 war das, Rowe war damals Trainer der San Antonio Rampage in der nordamerikanischen AHL. Warum genau seine Spieler sich für diesen Spitznamen entschieden, fragte er nicht nach, öffentlich sagte er, er habe ihm nichts ausgemacht. Seinem Karriereweg stand er jedenfalls nicht im Weg, zwei Jahre später war Rowe General Manager und interimsmäßig auch Cheftrainer der Florida Panthers in der NHL.

Mittlerweile ist Rowe 65 Jahre alt und immer noch Trainer - und zwar bei den Nürnberg Ice Tigers. Vergangene Woche trat er den Job beim Tabellenvorletzten der Deutschen Eishockey Liga (DEL) an. Gleich bei seiner ersten Trainingseinheit stellte er klar, dass er sich nicht wie 65 fühle und weit weg davon sei, in Rente zu gehen. Rowe ist nun der älteste Trainer der Liga, Münchens Rekordtrainer Don Jackson ist drei Monate jünger als er. Dass der US-Amerikaner in Nürnberg gelandet ist, war aus diversen Gründen alles andere als selbstverständlich. Primär deshalb, da er lange Zeit nicht einmal daran dachte, überhaupt Trainer zu werden. "Das ist mir zu verrückt", habe er seiner Frau früher gesagt, erzählte er, "und nun, 18 Jahre später, bin ich es immer noch - und liebe es."

Rowes Eishockey-Vita ist spektakulär. Trainer, Sportdirektor, Scout, General Manager, Berater: Rowe hat so ziemlich jeden Posten, den es im Profi-Eishockey gibt, schon bekleidet. Und das in den unterschiedlichsten Ligen, von der NHL und AHL in Nordamerika bis in die russische KHL und zuletzt im österreichischen Linz. Auch als Spieler hat er höchstklassige Erfahrungen gesammelt, 360 Mal lief er als Stürmer in der NHL auf, und das ziemlich erfolgreich: Rowe war der erste US-Amerikaner, dem in einer NHL-Saison mehr als 30 Tore gelangen. Direkt nach seiner Spielerkarriere arbeitete er als Rundfunkmoderator.

Dass er schon so lange im Geschäft ist - seine NHL-Spielerkarriere startete er in den 1970er-Jahren -, kam ihm nicht immer nur zugute. Er wisse, dass er den Ruf habe, ein alter Dinosaurier zu sein, sagte er 2016 zu seiner Zeit bei den Florida Panthers, doch davon sei er weit entfernt. Rowe bezeichnete sich damals als "ziemlich progressiv denkenden Menschen", der neuen Ideen gegenüber prinzipiell aufgeschlossen sei. Definitiv progressiv war er Anfang der 2000er-Jahre, als er ein gerade erschienenes Buch in die Hand nahm, das den nordamerikanischen Profisport revolutionieren sollte: "Moneyball." Dieses handelt davon, wie der Baseball-Klub Oakland A's sich mithilfe von Datenanalyse und Statistiken nach oben arbeitete. 2011 wurde daraus sogar ein Hollywoodfilm mit Brad Pitt in der Hauptrolle.

"Wenn du nicht mehr dazulernst, dann stirbst du. Tom hat sich das zu eigen gemacht."

Rowe kontaktierte nach der Lektüre des Buches den Studiendekan der University of Massachusetts-Lowell und kam so an einen Studenten, der für ihn Statistiken erstellte. Rowe tauchte mit ihm tief in die Zahlenwelt ein und verwendete die Statistiken zur Gegnervorbereitung und zur Gestaltung des eigenen Trainings. Mike Thibault, der Student an seiner Seite, schaffte so auch den Sprung in die NHL, wo er mehrere Jahre als Equipment Manager arbeitete. Als nach und nach immer mehr Profiklubs auf den Analytik-Zug aufsprangen, "musste ich schon etwas lachen", erzählte Rowe zu seinen Florida-Panthers-Zeiten, da sein Team und er das schon seit 13 Jahren eingesetzt hätten. Seine Offenheit Neuem gegenüber kam gut an. Dass ein 60-Jähriger jeder Hilfe gegenüber offen sei, "ist sehr ungewöhnlich", sagte sein damaliger Florida-Manager-Assistent Eric Joyce. "Wenn du nicht mehr dazulernst, dann stirbst du. Tom hat sich das zu eigen gemacht."

Und er hat sich über die Jahre weiterentwickelt. Die Panthers-Spieler seien seinerzeit schon nervös gewesen, "nun T-Rex zu sehen", sagte Joyce. Rowes Ruf, ein kompromissloser Trainer der alten Schule zu sein, der im Umgang mit seinen Spielern gerne mal lauter wurde, war ihm vorausgeeilt. Doch er weiß, dass diese Herangehensweise heute nicht mehr funktionieren würde. "Die Zeiten, in denen man die ganze Zeit herumbrüllte oder jemanden anschrie, sind vorbei", betonte Rowe in seinen ersten Nürnberger Tagen. "Fordernd" werde er aber definitiv sein. Seine neuen Spieler würden auch schnell feststellen, dass er sehr direkt sei: "Mentale Spielchen wird es keine geben." Rowe möchte in Nürnberg seine vielfältigen Erfahrungen einbringen. "Was ich in der NHL gelernt habe, ist, es einfach zu halten", sagte er.

Sein Debüt am vergangenen Freitag, als die Ice Tigers gegen die Krefeld Pinguine zu Hause 2:3 nach Verlängerung verloren, ist misslungen. Nun bekommt er an diesem Dienstag bei den Grizzlys Wolfsburg (19.30 Uhr) die nächste Gelegenheit, seine Ankündigung, erst einmal den Hauptfokus auf die Abwehr zu richten, umzusetzen: "Wir werden zuerst in der Defensivzone saubermachen."

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