Kolumne "Eigener Herd":Viel mehr als Müsli

Two bowls of porridge with oats, flax seed, winter cherries and bananas EVGF03763

Porridge lässt sich vielseitig zubereiten - schon ein Zweig Rosmarin beispielsweise verleiht ihm eine besondere Note.

(Foto: imago images/Westend61)

Haferflocken gehören zu den meistverkauften Zutaten. Nur schade, dass man so selten wirklich mit ihnen kocht. Denn auch als Porridge oder in einer indischen Gemüsepfanne sind sie ein echter Gewinn.

Von Marten Rolff

Die Deutschen, so scheint es, ernähren sich bald nur noch von Getreide. Ein bisschen mehr im Körnerglück als andere waren sie ja immer schon, sind sie nun vielleicht auf dem Weg ins Getreideschlaraffenland?

Um auf diese Idee zu kommen, reicht es, in einem beliebigen Supermarkt einen Blick ins Regal mit den Haferprodukten zu werfen. Körner in jedem Mahl- und Schleifgrad, dazu Hafermilch und -sahne, unterschiedlich aromatisiert und aufbereitet für absolut alle Barista-Anforderungen. Zuletzt kamen noch Joghurt, Eis und andere Süßspeisen dazu.

Aber natürlich geht es dabei weniger um die große Rezeptvielfalt. Ein Grund für den neuen Sexappeal von Hafer ist schließlich, dass sich damit vor allem Milchprodukte gut ersetzen lassen. Ein zweiter ist die Gesundheit, denn Hafer ist glutenärmer als - der leider zu Unrecht so oft verteufelte - Weizen. Seine vielen Ballaststoffe machen ihn bekömmlich, und das Sättigungsgefühl hält nach Hafer besonders lange an.

Alles richtig, alles wichtig. Doch nun wäre es schön, wenn wir endlich anfangen würden, auch etwas mutiger mit dem neuen Lieblingsprodukt zu kochen. Ein gutes Beispiel sind Haferflocken. Eine Zutat, die es bekanntlich von zart bis kernig gibt und die nicht nur ein hervorragendes Frühstück abgibt, sondern sich ebenso gut zum Backen eignet (unschlagbar als Streuselzutat, etwa für Crumble), als Fleischbeilage oder als Zentrum einer herzhaften Bowl oder auch einer Gemüsepfanne. Für eine vermeintlich so unscheinbare und biedere Flocke sind das ja beachtliche Qualitäten, und doch landet sie bei uns in den allermeisten Fällen immer wieder am selben Ort: in der Müslischüssel. Kein Fehler, aber auf die Dauer eben etwas einseitig.

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Bleiben wir ruhig beim Frühstück. Da böte sich als Alternative - vor allem jetzt, wo es kühler wird - das schottische Nationalheiligtum Porridge an. Die deutschen Namen Haferschleim oder -brei darf man übrigens aus seinem Vokabular streichen. Sie haben sich für dieses wunderbar tröstliche Gericht als Karrierehemmnis erwiesen. Neun Jahre ist es her, dass sich unter den Schotten Entsetzen breitmachte, weil ausgerechnet ein im niedersächsischen Exil lebender Engländer die Porridge-Weltmeisterschaft für sich entschieden hatte. Doch was in Schottland - nur halb im Spaß - als nationale Schande betrauert wurde, fand in der neuen Heimat des Weltmeisters keine Beachtung. Bis heute hat sich der Porridge bei uns nicht durchgesetzt. Schade.

Der Einwand, es bliebe schlicht keine Zeit, sich morgens für ein Frühstück an den Herd zu stellen, gilt übrigens nicht, denn Porridge lässt sich gut vorbereiten. Nicht ohne Grund hatte früher jede schottische Küche eine sogenannte Porridge-Schublade, aus der darin gelagerten Hafermasse wurde die Tagesration einfach abgestochen. Heute geht es aber zum Glück auch weniger rustikal.

Ben Horsbrugh, der in Oldenburg lebende Porridge-Weltmeister, der eigentlich Literaturwissenschaftler und gelernter Bäcker ist, kam damals mit geschrotetem Hafer, Meersalz, Quellwasser und sehr viel Rühren zum Titel. Haferflocken wären bei der WM niemals zugelassen - undenkbar! Doch für den Alltag sind sie wunderbar praktikabel. Etwa 40 Gramm pro Person in einem Topf mit dickem Boden mit einer Prise Salz, Wasser, Milch oder Hafermilch bedecken, kurz aufkochen und unter gelegentlichem Rühren sanft köcheln lassen bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. Fertig.

Traumkombi: Haferflocken, Rosmarin, Nüsse, Honig und gebratene Birne

Dazu passen Zucker oder Honig und unbedingt ein großer Stich Butter, besser noch Nussbutter (Butter etwa drei bis fünf Minuten köcheln lassen, bis sie goldbraun wird, dann durch ein Sieb gießen) und gehackte Mandeln oder Nüsse. Aufwerten lässt sich Porridge immer und in jeder Form, ob mit Zimt, Nelken, Früchten, Rosinen, Kaffee oder Sauerrahm. Besonders effizient ist es, das Kochwasser oder die Milch mit Kräutern zu aromatisieren. Zum Beispiel einfach einen Zweig frischen Rosmarin mitgaren lassen und diesen am Ende entfernen. Rosmarinporridge schmeckt am besten mit Honig, einem Klecks griechischen Joghurt, gehackten Haselnüssen und ein paar Scheiben Birne, die kurz in der Pfanne angebraten werden. Und natürlich lässt sich der Hafer auch herzhaft abwandeln. Unter Beigabe von Knochenbrühe oder sogar Schnecken haben Starköche wie Magnus Nilsson oder Heston Blumenthal das Schottenrisotto schon vor zehn Jahren zur Edelbeilage geadelt.

Aber so weit muss man wirklich nicht gehen. Wie einfach und modern sich auch die gar nicht so biedere Flocke ins Zentrum eines Hauptgerichts rücken lässt, zeigen zum Beispiel Indrani Roychoudhury und Robi Banerjee auf ihrem empfehlenswerten Youtube Channel "Lucky Recipes", dessen Rezepte gerade auch als Buch erschienen sind ("Kochen wie in Indien"). Roychoudhury und Banerjee wandeln dafür das herzhafte indische Reisfrühstück Poha so ab, dass es als Mittag- oder Abendessen funktioniert. Für ihr Rezept kombinieren sie 50 Gramm grobe Haferflocken pro Person in der Pfanne mit viel frischem Gemüse wie Brokkoli, Beete, Karotten, Erbsen und Zwiebeln. Dazu kommen Kürbis- und Sonnenblumenkerne und Kokosflocken. Und Gewürze wie Ingwer, Koriander, Chili, Kreuzkümmel und schwarze Senfkörner. Wer hätte gedacht, dass die Fusionküche einmal derart gewinnbringend Curry und Müsli zusammenbringen würde?

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Geschmackssache
:Bircher Müsli

Auf Frühstückbuffets fristet die Mischung aus Haferflocken, Nüssen und Äpfeln meistens ein tristes Dasein. Dabei ist die Morgenspeise ganz einfach selbstgemacht.

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