Bundesbank:Weidmann tritt als Chef der Bundesbank zurück

Deutsche Bundesbank - Jens Weidmann

Jens Weidmann

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Nach fast elf Jahren an der Spitze legt der Volkswirt das Amt zum Jahresende überraschend nieder. Er gilt als Verfechter einer strengen Geldpolitik und sagt, Europa dürfe die Inflationsgefahr nicht vernachlässigen.

Von Kassian Stroh und Markus Zydra

Bundesbankpräsident Jens Weidmann wird sein Amt zum Jahresende niederlegen. Er nannte "persönliche Gründe" für seine Entscheidung. "Ich bin zur Überzeugung gelangt, dass mehr als 10 Jahre ein gutes Zeitmaß sind, um ein neues Kapitel aufzuschlagen - für die Bundesbank, aber auch für mich persönlich", schreibt Weidmann in einem Brief an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bank.

Weidmann steht seit 2011 an der Spitze der Bundesbank. Der ehemalige Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) folgte damals Axel Weber nach. Dieser trat aus Frust zurück, weil er die lockere Geldpolitik der EZB nicht mehr mittragen wollte. Weidmann ging den seit der Finanzkrise 2008 schwelenden Konflikt in der Geldpolitik zwischen "alter Bundesbankschule" und "neuem EZB-Paradigma" konstruktiver an als sein Vorgänger Weber. Im Kern ging es immer um die Frage: Wie locker soll die Geldpolitik der EZB sein?

Der 53-jährige Volkswirt positionierte sich in den Folgejahren bei einigen geldpolitischen Grundsatzentscheidungen gegen EZB-Präsident Mario Draghi. Berühmt wurde sein Widerstand gegen Draghis "Whatever it takes-Versprechen". Der Deutsche stimmte im EZB-Rat 2012 als einziges Mitglied dagegen. Draghi schmollte damals und meinte, man könne nicht immer "Nein zu allem" sagen. Doch da tat er Weidmann unrecht. Der Bundesbankpräsident fürchtete sich von Anfang an davor, dass die EZB aus der Nullzinspolitik und dem Anleiheankauf nicht mehr herauskommen werde. Der Grund: Die Finanzmärkte und die Euro-Staaten würden sich an das billige Geld gewöhnen. Mit dieser Einschätzung sollte er Recht behalten, wie die Gegenwart zeigt, in der die EZB Billionen Euro in die Finanzmärkte pumpt.

Es fehlen die Mitstreiter im EZB-Rat

Das ist wohl auch der Grund für seinen Rückzug. Weidmann hat nicht genügend Mitstreiter im EZB-Rat, um die lockere Geldpolitik im Ernstfall schnell zu straffen. Das könnte aber nötig werden, wenn die Inflationsraten weiter auf hohem Niveau bleiben.

Die Bundesbank geht derzeit von einer länger anhaltenden Inflation aus und geht noch einen Schritt weiter: In ihrem jüngsten Monatsbericht warnte sie, dass auch der Klimawandel die Preisstabilität im Euro-System gefährde. Die Realwirtschaft und auch die Inflation würden als Folge von Extremwetterereignissen in Zukunft schwankungsanfälliger.

Weidmann möchte bei der Inflationsdebatte nach dem Streit mit Draghi nicht erneut in eine ausweglose Konfliktsituation geraten. Man kann diese Interpretation aus seinem Brief an die Mitarbeiter ableiten. Darin heißt es: "Dabei wird es entscheidend sein", so Weidmann, "nicht einseitig auf Deflationsrisiken zu schauen, sondern auch perspektivische Inflationsgefahren nicht aus dem Blick zu verlieren". Eine stabilitätsorientierte Geldpolitik werde dauerhaft nur möglich sein, wenn der Ordnungsrahmen der Währungsunion weiterhin die Einheit von Handeln und Haften sichere, die Geldpolitik ihr enges Mandat achte und nicht ins Schlepptau der Fiskalpolitik oder der Finanzmärkte gerate. "Dies bleibt meine feste persönliche Überzeugung genauso wie die hohe Bedeutung der Unabhängigkeit der Geldpolitik."

Weidmanns Entscheidung zum Rückzug ist dem Vernehmen nach in den vergangenen Monaten gereift. Er wollte mit der Bekanntgabe bis nach der Bundestagswahl warten. Der scheidende Bundesbankpräsident muss ab Januar in eine zweijährige Cooling-off-Periode. In der Zeit darf er keine Jobs in der Finanzwirtschaft annehmen. Weidmann wird dann wie ein politischer Beamter in den Ruhestand versetzt und erhält einen bestimmten Prozentsatz seiner Bezüge als Pension. Ein neues Jobangebot, so ist zu hören, liegt ihm nicht vor.

Über seine Entscheidung hat Weidmann am Morgen EZB-Präsidentin Christine Lagarde informiert. Die beiden verstehen sich persönlich gut, auch wenn es in der Sache Meinungsverschiedenheiten gibt. Lagarde würdigte Weidmann als guten, persönlichen Freund, auf dessen Loyalität sie habe zählen können. "Obwohl Jens klare Ansichten zur Geldpolitik hatte, war ich immer beeindruckt von seiner Suche nach einer gemeinsamen Basis im EZB-Rat, von seinem Einfühlungsvermögen für seine Kollegen im Eurosystem und seiner Bereitschaft, einen Kompromiss zu finden."

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bedauerte die Entscheidung. Sie habe zugleich großen Respekt für Weidmanns Entschluss, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Es wird nun die Aufgabe einer neuen, einer kommenden Bundesregierung sein, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu finden." Laut Bundesbankgesetz schlägt die Bundesregierung einen Kandidaten für das Amt vor, das letzte Wort bei der Besetzung hat der Bundespräsident. Ein Sprecher des Finanzministeriums wies darauf hin, dass der nach der Wahl lediglich geschäftsführenden Bundesregierung politische Zurückhaltung geboten sei. Daher wird davon ausgegangen, dass die kommende Bundesregierung sich der Personalie annimmt.

Nach Informationen der SZ will die FDP über die Personalie in den Koalitionsgesprächen mit Grünen und SPD verhandeln. Weidmann "stand für eine stabilitätsorientierte Geldpolitik, deren Bedeutung angesichts von Inflationsrisiken wächst", schrieb FDP-Chef Christian Lindner auf Twitter. "Mit ihm war die Deutsche Bundesbank eine wichtige Stimme in Europa." Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister und womöglich bald Bundeskanzler, dankte Weidmann für die Arbeit in den vergangenen gut zehn Jahren: "Er hat nicht nur die Geldpolitik in Deutschland und Europa in dieser Zeit maßgeblich geprägt, sondern auch die Weiterentwicklung der internationalen Finanzmärkte vorangebracht." Er habe sich um das Land "sehr verdient gemacht".

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