DFB-Team spielt in Israel:Eine Reise mit gesellschaftlichem Auftrag

EM Qualifikation Laenderspiel Frauen: Deutschland - Irland; 19.09.2020 Katie McCabe (Frauen Nationalmannschaft Irland, 1; Fußball - Giulia Gwinn DFB Frauen Deutschland

Ihr bisher letzter Auftritt im Nationaltrikot: Giulia Gwinn (rechts) erlitt während dem EM-Qualifikationsspiel gegen Irland im September 2020 einen Kreuzbandriss.

(Foto: Wunderl/Beautiful Sports/imago)

An diesem Donnerstag spielt das deutsche Fußball-Nationalteam der Frauen zum ersten Mal in seiner Geschichte gegen Israel. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg betont, dass es nicht nur um Punkte geht.

Von Anna Dreher

Die Reise nach Israel hat für das deutsche Nationalteam der Frauen eigentlich schon zwei Tage vor dem Abflug begonnen. Die Mannschaft hörte sich einen Vortrag an, es ging darum, die Sprache, Geographie, Kultur und natürlich die Geschichte des Landes besser kennenzulernen. Und schon daran zeigt sich, dass es eine besondere Reise ist, die am Mittwochvormittag vom Flughafen Düsseldorf dann auch offiziell startete. Zum ersten Mal treffen Deutschland und Israel in einem Frauen-Länderspiel aufeinander. Hierbei kann und soll es nicht allein darum gehen, Punkte für die Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2023 zu sammeln.

Die Partie findet am Donnerstag (18 Uhr, sportschau.de) im HaMoshava Stadion in Petach Tikwa in der Nähe von Tel Aviv statt. Am Freitag geht es nach Jerusalem, wo ein Teil der Mannschaft mit Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und anderen Teammitgliedern Yad Vashem besuchen wird. Auch über die 1953 auf dem Herzlberg im Westen Jerusalems eröffnete Holocaust-Gedenkstätte wurde bei dem Vortrag gesprochen. Umgeben von Bäumen ragt der lange dreieckige Museumsbau heraus, eindrücklich aber ist vor allem, was unterirdisch zu sehen ist: Bücher, Kleidung, Fotos, Erzählungen von Millionen von Opfern des Nationalsozialismus, deren Geschichte hier gewürdigt wird. Diese Eindrücke werden bei den deutschen Nationalspielerinnen vermutlich lange nachwirken.

Als Franz Beckenbauer 1987 mit der deutschen Nationalmannschaft beim ersten von bisher vier Länderspielen der Männer nach Israel reiste, sagte Lothar Matthäus nach dem Besuch von Yad Vashem: "Es war gut, dass alle mitgekommen sind. Es war für uns alle sehr beklemmend." Seither sind Juniorinnen und Junioren mit Delegationen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ebenfalls dort gewesen - nun also auch die DFB-Frauen. Voss-Tecklenburg ist dies ein wichtiges Anliegen, der Rückflug wurde auf Samstag gelegt.

Nach langer Pause kehren Torhüterin Almuth Schult und Giulia Gwinn zurück

"Wir wollen unserem gesellschaftlichen und sozialen Auftrag Rechnung tragen", sagte Voss-Tecklenburg vor der Abreise. "Für uns als Deutsche ist es ein besonderer Ort. Mit dem Holocaust in Verbindung zu kommen, Dinge zu erleben, die wir vor allem aus Geschichtsbüchern und Filmen kennen: Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es eindrücklich ist, und dich nochmal wacher macht und sensibilisiert." Ein gegenseitiges Verständnis zu entwickeln, darin liege der Mehrwert einer solchen Reise. Auch aufgrund der Covid-19-Hygienebestimmungen wird die Gruppe jedoch kleiner sein. Wahrscheinlich fünf Spielerinnen werden mitgehen, wer das dann sei, hänge auch von Einsatzzeiten ab, sagte die 53-Jährige: "Wir versuchen, beides zu verbinden: Den sportlichen Fokus und die Chance, uns kulturell auszutauschen, weiterzubilden."

Hoffenheim, Germany, October 5th 2021: Martina Voss-Tecklenburg (Head coach of national team, Nationalteam Germany) dur

Bisher ungeschlagen in der WM-Qualifikation mit dem deutschen Team: Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.

(Foto: Daniela Porcelli /Sports Press Photo/imago)

Voss-Tecklenburg muss weiterhin auf wichtige Kräfte wie Angreiferin Alexandra Popp (VfL Wolfsburg) und Abwehrchefin Marina Hegering (FC Bayern) verzichten, zwei Spielerinnen kehren dafür nach langer Pause zurück: Torhüterin Almuth Schult und Giulia Gwinn. Erstere stand für den DFB letztmals am 29. Juni 2019 auf dem Platz, bei der Niederlage im WM-Viertelfinale gegen Schweden. Schult laborierte danach an einer Schulterverletzung und brachte Zwillinge auf die Welt. Sie ist inzwischen in Wolfsburgs Bundesliga-Kader zurückgekehrt - und will im Nationalteam ebenso wieder fest dazugehören, auch wenn nun Merle Frohms (Eintracht Frankfurt) zur Nummer 1 aufgestiegen ist. In Laura Benkarth (Bayern) und der derzeit verletzten Ann-Katrin Berger (FC Chelsea) kommen für die EM 2022 zwei weitere starke Keeperinnen in Frage.

Für Gwinn ist es die erste Nominierung, seit sich die 22-Jährige im EM-Qualifikationsspiel gegen Irland am 19. September 2020 das rechte Kreuzband riss. Im August gab sie beim FC Bayern ihr Comeback, nun womöglich auch im Nationaltrikot, es wäre ihr erster DFB-Einsatz nach 397 Tagen. "Ich darf nicht zu hohe Erwartungen an mich haben, ich hatte lange Zeit keinen Ball am Fuß und es hat sich einiges verändert im Team", sagte Gwinn. "Aber ich glaube, ich bin auf einem guten Weg."

Gegen Bulgarien und Serbien haben die DFB-Frauen Schwächen gezeigt

Die beiden stoßen zu einem Team, das rein von den Ergebnissen her optimal in die WM-Qualifikation gestartet ist. Im September folgte auf das 7:0 gegen Bulgarien ein 5:1 gegen Serbien. Mit sechs Punkten führt Deutschland die Gruppe H vor Portugal, der Türkei, Serbien, Israel und Bulgarien an. Verbesserungswürdig ist das Spiel des zweimaligen Welt- und achtmaligen Europameisters dennoch. In beiden Partien wirkte die Mannschaft anfangs unsicher und nervös. Es fehlte an Präzision, Ruhe und Struktur im Spiel nach vorne, erst später fand die Mannschaft ihren Rhythmus.

Den für ihre Fußballerinnen weitgehend unbekannten nächsten Gegner - wo in Sharon Beck vom 1. FC Köln auch eine Bundesligaspielerin aufläuft - beschreibt die Bundestrainerin als physisch und zweikampfstark: "Wenn wir den Ball zu lange am Fuß haben, wird es weh tun, weil die fighten können. Wir müssen ihnen die Energie nehmen." Das Kredo für die Premiere und das Rückspiel kommenden Dienstag in Essen (16 Uhr, ARD) laute: Einfach und schnell spielen, mit viel Dynamik und einer hohen Torgefahr. Ganz ausblenden lässt sich der Wettbewerb schließlich nicht.

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