Jolanda:Wenn der Wirt was Schönes bringt

München Westend: Weinbar Jolanda, 2021

Runde Sache: Das Tartar in der Weinbar Jolanda.

(Foto: Robert Haas)

Das Jolanda in der Schwanthalerhöhe ist ein Weinlokal , in dem man auch eine anständige Grundlage bekommt.

Von Iwan Lende

Will man die Ohnmacht der Medien im Kampf gegen manch zeitgeistige Unsitte veranschaulichen, so sei auf den wortstark, aber nahezu ergebnislosen geführten Feldzug dieser Zeitung gegen die Unsitte von 0,1-l-Weingläsern in der Gastronomie verwiesen, deren Minifüllung zwar nicht den Durst löscht, aber das Bugdet fürs abendliche Ausgehen empfindlich minimiert. Lende hat sich, nach einschlägigen Erfahrungen, eine These für den Businessplan solcher 0,1-l-Wirte zurechtgelegt, die lautet kurz: "Aschowurscht!" Man kann das schlecht ins Schriftdeutsche übersetzen, aber "Es ist jetzt auch schon egal" kommt der Sache nahe, klingt aber negativer als "Aschowurscht", was man ja auch sagt, wenn man beim Schafkopfen ein Solo ohne drei und einen blanken Gras-Siebener spielt (und natürlich gewinnt).

Jolanda: Weiß um Weiß und Rot: Thomas Hertlein, der Boss in der Weinbar Jolanda.

Weiß um Weiß und Rot: Thomas Hertlein, der Boss in der Weinbar Jolanda.

(Foto: Robert Haas)

Bezüglich Jolandas Vinothek, welchselbige bis vor Kurzem unter dem Rubrum "Schönfärber" an gleicher Stelle in der Kazmairsraße (und mit sehr ähnlichem gastronomischem Ansatz) residierte, gilt das bairische "Aschowurscht" zunächst für den Wirt Thomas Hertlein. Nicht nur, weil er aus Niederbayern stammt, sondern vor allem, weil er als stadtbekannter Weinfreak eine so formidable wie außergewöhnliche Auswahl anbietet, dass, so Lendes Logik, es ihm auch schon egal ist, ob der Zweigelt jetzt 7 oder 8 Euro kostet (es bleibt bei 7,00); und dass auch nur Ignoranten diese Preispolitik bemängeln. Wobei beim Barolo für 20 Euro das 0,1-l-Glas der Spaß mit der Wurscht sich dem Tatbestand der räuberischen Erpressung nähert. Denn irgendwas muss der Kunde ja trinken.

Ein solches "Aschowurscht"-Gefühl schleicht sich auch bei Lende & Co im Laufe des Abends ein, was sich daran festmachen lässt, dass sich allesamt zur Nachspeise (Marias Bio-Schokokuchen 10,00, Creme Brûlée 6,50) die Gläser noch mal füllen ließen. Warum? Weil's aschowurscht war. Man kann an dieser Stelle vorwegnehmen, dass man trotzdem bei guter Planung auch unter 100 Euro pro Nase gut gesättigt und zufrieden die Jolanda verlassen kann.

Es ist jedenfalls so, dass dieses kleine Lokal auf sehr entspannende Art den Geist des Chefs atmet, die rotweiß karierten Tischdecken sind von Schönfärbers Zeiten geblieben, die Musik ist dezenter geworden, die Erläuterungen von Herrn Hertlein zu seinen Vintage-Weinen sind immer noch sehr charmant. "Der Zweigelt? Des is a Rarität, da gibt's bloß no oa Fassl in ganz Deutschland." Nun denn, selten schmeckte ein Zweigelt so rund und tief. Aber er kommt ja auch nicht aus Österreich.

Jolanda: Ein Bild von einer Bar: Jolanda in der Kazmairstraße.

Ein Bild von einer Bar: Jolanda in der Kazmairstraße.

(Foto: Robert Haas)

Jetzt wird aber endlich gespeist. Die Karte ist sehr übersichtlich, variiert ein bisschen nach Lust und Saison. Aber wer zum Beispiel mit dem 35 Monate alten Schinken vom Iberischen Schwein startet, wird schon mal angenehm vorgesättigt. Wobei die beigelegten feinen Taggiaschen Oliven Lendes Vorurteile gegenüber diesen Ölbaumfrüchten nahezu auslöschten (10,00). Das alte Problem mit feinst geschnittenem Schinken trat allerdings auch hier zutage: Letztlich verklumpen die Scheiben dann doch, wodurch der Feinschnitt natürlich obsolet wird.

Der heutzutage weit verbreiteten Lust, Exotisches mit Regionalem zu verquicken, frönt man auch in Jolandas Küche, und zwar, was eher selten ist, mit großem Erfolg. Bestes Beispiel: Die hierzulande eher seltenen Fischpfanzerl (fälschlicherweise wie nahezu überall mit "l" nach dem "f" geschrieben, obwohl das Wort ursprünglich von der "Pfanne" kommt) waren an sich schon von wunderbarer Konsistenz (19,00). Zur Krönung aber geriet der Kartoffelsalat. Da hätte selbst Lendes Mutter anerkennend zugegeben: "Das kann ich auch nicht besser!"

Weil man in der Prä-Halloween-Zeit am Kürbis nicht vorbeikommt, orderten wir einen Hokkaido, um vielleicht auf neue Ideen für die heimische Küche zu kommen. Er kam hier gebacken mit einem Ziegenweichkäse aus der Loire-Gegend auf den Tisch, mit dezenter Zwiebelmousse und einem prächtigen Rote-Beete-Couscous, was Lendes These von der Vielseitigkeit dieser Feldfrucht wieder einmal bestätigte (15,00).

Und ein weiteres Vorurteil Lendes fiel an diesem Abend: das gegenüber dem Risotto. Der Safran-Risotto mit marinierter Burrata war sowohl optisch als auch kulinarisch ein Volltreffer (18,00). Da fiel das zweifelsfrei perfekt gewürzte Rindertartar mit den beigelegten Kapernäpfel als Kontrapunkt fast ab in die Kategorie "normal perfekt" ab (20,00). Insgesamt darf man die Küche wohl mit "Ambition erfüllt" loben.

Jolanda: Bei gutem Licht essen und trinken in der Weinbar Jolanda.

Bei gutem Licht essen und trinken in der Weinbar Jolanda.

(Foto: Robert Haas)

Jolanda ist also ein kleines Schmuckstück im arg und heftig gentrifizierten Westend. Die Freundlichkeit im Service ist eine angenehm und nicht übertriebene bairische, was sich beim Aussuchen des Weins zeigt, wo Thomas Hertlein gerne nach der Lieblingsrichtung fragt und dann mit "I bring da was Schön's" abzieht. Ein Versprechen, das wirklich nie gebrochen wurde. Auf den Preis schaut man da natürlich nicht mehr. Aber der ist dann ja "aschowurscht".

Adresse: Kazmairstraße 28, 80339 München, Telefon: 089/20930569, Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 17 bis 0 Uhr

Die SZ-Kostprobe

Die Restaurant-Kritik "Kostprobe" der Süddeutschen Zeitung hat eine lange Tradition: Seit 1975 erscheint sie wöchentlich im Lokalteil, seit einigen Jahren auch Online und mit einer Bewertungsskala. Etwa ein Dutzend kulinarisch bewanderter Redakteurinnen und Redakteure aus sämtlichen Ressorts - von München, Wissen bis zur Politik - schreiben im Wechsel über die Gastronomie in der Stadt. Die Auswahl ist unendlich, die bayerische Wirtschaft kommt genauso dran wie das griechische Fischlokal, die amerikanische Fastfood-Kette, der besondere Bratwurststand oder das mit Sternen dekorierte Gourmetlokal. Das Besondere an der SZ-Kostprobe: Die Autorinnen und Autoren schreiben unter Pseudonym, oft ist dies kulinarisch angehaucht. Sie gehen unerkannt etwa zwei- bis dreimal in das zu testende Lokal, je nachdem wie lange das von der Redaktion vorgegebene Budget reicht. Eiserne Grundregeln: hundert Tage Schonfrist, bis sich die Küche eines neuen Lokals eingearbeitet hat. Und: Nie bei der Arbeit als Restaurantkritiker erwischen lassen - um unbefangen Speis und Trank, Service und Atmosphäre beschreiben zu können. SZ

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