Nachtleben in München:Warum die Party draußen weitergeht

Party in München: Junge Leute sind lieber draußen als in den Clubs

Saskia und Luise sind Draußenbleiberinnen. "Wenn man draußen sitzt", sagt Saskia, "ist die Abwechslung am größten, es gibt am meisten zu schauen."

(Foto: Philipp Crone)

Clubs, Bars und Restaurants sind längst wieder geöffnet - und trotzdem treffen sich abends immer noch viele junge Menschen gerne im Freien, auch wenn es immer kühler wird.

Von Philipp Crone

Sie haben sich das auch gerade gefragt. Warum eigentlich noch immer so viele Menschen abends draußen bleiben, auf den Plätzen der Stadt. Saskia und Louisa sitzen am Dienstagabend um 21.40 Uhr mit zwei Getränkeflaschen und einem Essen aus dem Pappkarton auf dem Wedekindplatz und sehen sich um. Saskia, 29, arbeitet im Club Rote Sonne, und Louisa, 21, als Barkeeperin. Sie kennen sich allein schon beruflich aus mit dem Weggehen. Und an diesem halblauen Abend sind sie nicht die einzigen Draußenbleiber in Schwabing. Warum sind nicht alle wieder in den Bars, Restaurants und Clubs, wie vorher? "Zum einen ist es gerade noch einfach schön draußen", sagt Saskia. Zum anderen gibt es noch andere handfeste Vorteile.

"Man kann sich ohne einen Test draußen treffen", sagt Louisa. "Und die drei Raucher in der Gruppe sind dann auch zufrieden." Raussetzen, ganz ohne Anstehen und ohne etwas vorzeigen zu müssen. Saskia piekt mit der Gabel in ihren Karton und sagt: "Draußen bekommt man auch viel mehr Flair mit." Nun hat die Stadt ja sogar eigens Container aufgestellt, um das Draußenbleiben angenehmer zu machen. Der erste Abhäng-Kasten steht am Ackermannbogen. Ein nach zwei Seiten offener Raum mit Holzbänken. Das ist auf jeden Fall gut gemeint vom Münchner Rathaus, aber worum geht es denn da eigentlich bei diesem Draußenbleiben? Neben Sonne, Flair und einem G-freien Abend?

Nachtleben in München: Viel los: Der Wedekindplatz ist einer der beliebten Orte für Draußenbleiber.

Viel los: Der Wedekindplatz ist einer der beliebten Orte für Draußenbleiber.

(Foto: Stephan Rumpf)

Saskia schaut sich weiter um und sagt: "Wenn man draußen sitzt, ist die Abwechslung am größten, es gibt am meisten zu schauen." Sie lacht und sticht die Gabel ins Gemüse. "Und einige", sagt Louisa, "kennen das Clubleben schlicht noch gar nicht." Die Corona-Generation ist mit dem Wegbier, Wegwerf-Verpackungen und Parkbanksuche sozialisiert, nicht mit Gästeliste, VIP-Lounge-Reservierung und Parkplatzsuche. Und dann ist da auch noch die Sache mit dem Geld.

Ein Draußenabend kostet weniger als ein Drinnenabend. Dazu kommt eine Komponente, die wohl nur nach jahrelanger Disko-Abstinenz entstehen kann: "Reizüberflutung", sagt Louisa. Als sie neulich wieder im Bahnwärter Thiel gearbeitet hat, sei sie froh gewesen, eine Theke zwischen sich und den Gästen zu haben. "Aber manche Dinge fehlen mir auch, zum Beispiel das Vorbereiten aufs Weggehen." Wenn man sich draußen trifft, muss sich niemand Sorgen machen, nicht reinzukommen, weil man das Falsche an hat. Man kann höchstens zu luftig für einen Oktoberabend angezogen sein. Da hilft dann allerdings auch kein Container mehr.

Nachtleben in München: Kein Licht und ein Abfallcontainer als Nachbar: Die Stadt will Jugendlichen mehr Unterschlupfmöglichkeiten bieten. So ganz überzeugt das Konzept aber (noch) nicht.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Der erste von der Stadt aufgestellte ist gar nicht so leicht zu finden, was nicht nur daran liegt, dass er kein Licht hat. Er unterscheidet sich auch nicht groß von anderen Containern, etwa dem orangefarbenen des Abfallwirtschaftsbetriebs, der am Ackermannbogen gleich nebenan steht. Um 22 Uhr ist hier zumindest niemand mehr.

Am Geschwister-Scholl-Platz verlassen um 22.10 Uhr die letzten vier den Brunnen, ein Pärchen ist dann auf einer Bank noch übrig, drei junge Männer schlendern mit Softeis vorbei. Das Café an der Uni hingegen ist gut besetzt. Je kälter und dunkler, desto mehr überlegen sich die Rausgeher wohl, doch in ein Helles aus dem Glas und nicht aus der Flasche zu investieren, denn dazu gibt es die Wärme aus dem Heizstrahler oder sogar geschlossene Räume. Oder man geht gleich in einen der aufgeheizten Innenstadtclubs.

Am Maximiliansplatz sind auch am Dienstagabend Warteschlangen zu besichtigen. Und auch der Gärtnerplatz ist belebt, obwohl gegen 22.30 Uhr die Temperaturen dann doch ins leicht Ungemütliche fallen. Lara und Amilia sitzen auf einer Bank. Hier könne man eben auch ganz ohne Geld bleiben, sagt die 23-jährige Lara, die Kommunikationswissenschaften studiert. Ihre Freundin hat sich die XXL-Kapuze ihres Hoodies über den Kopf gezogen. Immerhin kommen diese Accessoires, die sonst nur schlapp am Nacken hängen, nun ausnahmsweise zum Einsatz. "Draußen ist es entspannter, es ist weniger los, fast friedlich und man kann bleiben, so lange man will", sagt Amilia.

Nachtleben in München: Abhängen im Licht von Scheinwerfern und Laternen: In diesem Herbst ist das in München für viele eine beliebte Freizeitbeschäftigung.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Ein paar Bänke weiter sitzen vier Frauen mit Getränken. "Wir treffen uns ohnehin immer erst draußen", sagt die 19-jährige Sarah. Und dann entscheide man, wo und ob man eventuell noch reingehe, sagt die Studentin. Nur an der Isar sitzen sie nicht mehr so gerne, "da ist es noch ein paar Grad kälter". Da hocken an diesem Abend nur noch sechs abgehärtete Jura-Erstsemester um Julius herum, einem mit der Umgebung vertrauten Münchner, der sein Abitur am Pestalozzigymnasium gemacht hat. Julius zeigt den Auswärtigen die Stadt, und dass die Isar nicht mehr so belebt ist, stört keinen. Man will erstmal die Ausgeh-Orte besichtigen, und da ist die Isar rund um die Reichenbachbrücke fast so bekannt wie früher das P1.

Eigentlich hätten die sechs Fußball schauen wollen, seien aber in eine Kneipe nicht mehr reingekommen. Außerdem stehen auch die angehenden Juristen nicht auf Schlangen oder teure Getränke. Das Bild an diesem Abend ist eindeutig: Die Draußen-Saison könnte bis zum ersten Schnee oder Dauerregen durchaus noch ein wenig anhalten.

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