Reaktionen auf Erdoğan:"Unglaubliche außenpolitische Eskalation"

Reaktionen auf Erdoğan: Norbert Röttgen

Norbert Röttgen

(Foto: MICHAEL KAPPELER/AFP)

Politiker von CDU, FDP und Grünen verurteilen Präsident Erdoğan scharf für die geplante Ausweisung der Botschafter Deutschlands und anderer Staaten - und fordern Konsequenzen.

Von Roland Preuß, Berlin

Politiker von CDU, FDP und Grünen haben das Vorgehen des türkischen Staatschefs gegen den deutschen, den amerikanischen und weitere Botschafter scharf kritisiert. Die angekündigte Ausweisung der Diplomaten "ist eine unglaubliche außenpolitische Eskalation", sagte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen am Samstag der Süddeutschen Zeitung. "Er führt sein Land damit weiter in die umfassende Abwendung von Europa und dem Westen."

Präsident Recep Tyyip Erdoğan hatte am Samstag in einer Rede in der anatolischen Provinzhaupstadt Eskişehir gesagt: "Ich habe unserem Außenminister den Befehl gegeben. Ich sagte, kümmern Sie sich darum, diese zehn Botschafter so schnell wie möglich zur 'Persona non grata' zu erklären." Auf solch eine Einstufung als "unerwünschte Person" folgt in der internationalen Diplomatie üblicherweise die Ausweisung.

Die zehn Botschafter, unter ihnen der deutsche, der US-amerikanische, der französische, der niederländische und der kanadische, hatten sich in einer gemeinsamen Erklärung für den seit vier Jahren ohne Schuldspruch inhaftierten Kulturmäzen Osman Kavala stark gemacht und gefordert, dass er ein faires Verfahren bekomme. Kavala, 64, ist Geschäftsmann und Förderer von Bürgerrechtsbewegungen und zivilgesellschaftlichen Projekten.

"Erdoğans skrupelloses Vorgehen gegen seine Kritiker wird zunehmend enthemmt"

Röttgen, der dem Auswärtigen Ausschuss im Bundestag vorsitzt und als möglicher Kandidat für den CDU-Vorsitz gilt, verteidigte den Schritt der Diplomaten. "Der Protest der Botschafter gegen die mehrjährige Inhaftierung einer Person ohne Gerichtsverfahren ist gerechtfertigt und geboten. Menschenrechte sind keine inneren Angelegenheiten der Staaten", sagte er. Das gelte gerade auch für Staaten, die der Nato angehörten wie die Türkei. Jetzt komme es auf die uneingeschränkte Solidarität der anderen Mitgliedstaaten der EU an. "Wenn es tatsächlich zu den Ausweisungen der Botschafter kommt, dann ist es die Entscheidung der Türkei, die Beziehungen auf Botschafterebene einzustellen." Das müsse von allen EU-Staaten einheitlich mit derselben Maßnahme beantwortet werden.

Alexander Graf Lambsdorff von der FDP schrieb auf Twitter: "Die mögliche Ausweisung von zehn Botschaftern, darunter die Vertreter von Deutschland und vieler NATO-Verbündeter der Türkei, wäre unklug, undiplomatisch und würde den Zusammenhalt des Bündnisses schwächen." Und weiter: "Daran kann Erdoğan kein Interesse haben."

Auch von den Grünen kam scharfe Kritik. "Das ist komplett indiskutabel und muss Konsequenzen haben", sagt Omid Nouripour, der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, der SZ. Man werde sich davon nicht abhalten lassen, für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einzutreten, sagte Nouripour. Er verlangte eine Antwort der amtierenden Bundesregierung. Man werde aber "auch in Zukunft einen sehr deutlichen Ton" Erdoğan gegenüber anschlagen müssen. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) forderte Sanktionen: "Erdoğans skrupelloses Vorgehen gegen seine Kritiker wird zunehmend enthemmt", sagte Roth der Deutschen Presse-Agentur. Man müsse dem "autoritären Kurs Erdoğans international die Stirn bieten", Sanktionen erlassen und Rüstungsexporte in die Türkei stoppen.

Aus dem Auswärtige Amt hieß es am Samstagabend, lediglich, man berate sich derzeit mit den Regierungen der anderen Länder. Die Äußerungen Erdoğans habe man "zur Kenntnis genommen".

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