Energieversorgung:Haimhausen unter Strom

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Die geplante Südtrasse würde zwischen Inhauser Moos und Inhausen verlaufen. Kritiker befürchten massive Eingriffe in die Natur. (Foto: Toni Heigl)

Der Teilflächennutzungsplan der Gemeinde für die neue Stromtrasse trifft auf heftigen Widerspruch: Naturschützer kritisieren das Vorhaben. Der Netzbetreiber Tennet indes will nicht einlenken und spricht der Kommune sogar das Recht ab, ein Planungsverfahren zu starten.

Von Horst Kramer, Haimhausen

Sie bleibt ein höchst umstrittenes Projekt: die neue 380-Kilovolt-Stärkststromleitung, die der Netzbetreiber Tennet im Auftrag der Bundesnetzagentur auf Haimhausener Grund errichten will. Die Problematik zeigte sich anhand der Tischvorlage im Gemeinderat: 19 Behörden und Verbände hatten ausführlich Stellung genommen zum Teilflächennutzungsplan, den die Kommune im Sommer verabschiedet hat. Ihre Kommentare addieren sich auf 68 Textseiten, Anhänge nicht gerechnet.

Eines ist nach der Sitzung jetzt schon klar: Wo auch immer die neue Tennet-Leitung verläuft, die Gemeinde Haimhausen wird der Verlierer sein. Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU) fasste die Situation mit den Worten zusammen: "Wir haben die Wahl zwischen Pest und Cholera." "Pest" ist Felbermeiers Metapher für die angedachte nördliche Führung der neuen Trasse, "Cholera" bezeichnet die südliche Variante. Die Nordtrasse wäre nur wenige Hundert Meter vom südlichen Ortsrand Haimhausen entfernt, sie unterbindet jegliche Erweiterung der Ortschaft nach Süden. Die Südtrasse würde wie bisher zwischen Inhauser Moos und Inhausen errichtet; sie erfordert allerdings Bauarbeiten im ökologisch sensiblen Moorgebiet, ein wichtiger CO₂-Speicher. Gegen die nördliche Route hat sich im vergangenen Jahr eine Bürgerinitiative formiert. Im Juli erhielt Felbermeier eine Unterschriftenliste mit fast 1500 Namen. Alle Parteien und Gruppierungen unterstützen die Bürgerinnen und Bürger. Schon zuvor hatte die Gemeinde hatte das Verfahren zur Erstellung eines Teilflächennutzungsplans auf den Weg gebracht, um eine Route zu definieren, die für die Gemeinde weniger Schaden anrichtet - die Südroute. Ganz im Sinne der BI.

Wie ökologisch verheerend dort ein Neubau von Masten, die bis zu 85 Meter hoch sein könnten, wurde den Kommunalpolitikern und der Verwaltung wohl erst jetzt klar. Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) hat die Knackpunkte in seiner Stellungnahme aufgeführt, der Bund Naturschutz (BN) schloss sich an. Der LBV wies auf etwa auf die "hochwertigen Moorwaldflächen mit Relikten eiszeitlicher Birkenwälder" im östlichen Bereich der Moorniederung hin, ein "prioritärer FFH-Lebensraumtyp" (Flora-Fauna-Habitat). "Die Biodiversität dieser Wälder ist für den waldarmen Landkreis Dachau von großer Bedeutung", so der LBV. Die Vogelschützer führen den Platzbedarf zur Errichtung eines Mastens an: rund 5000 Quadratmeter, dazu die Zufahrtswege. Die Fällungen und Rodungen würden dieses Waldstück "endgültig" zerstören, nicht zuletzt dessen Funktion als Rückzugsgebiet für Wildtiere, so der LBV weiter. "Ein Eingriff widerspricht zudem allen Plänen der Bayerischen Staatsregierung zum Thema Moorwaldrenaturierung." Die Vogelschützer befürchten Auswirkungen auf das Grundwasser, unter anderem durch die mehr als dreißig Meter tiefen Bohrungen für die Verankerung der Masten. Der LBV betont besonders die Bedeutung von Moorböden als CO₂-Speicher und rügt: "Hier ist die Bayerische Staatsregierung klar in ihren Vorgaben und offensichtlich weiter als die Planer".

Auch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) spricht sich deutlich gegen einen Eingriff in die "Niedermoorwaldrelikte" aus, ebenso die Untere Naturschutzbehörde (UNB) im Dachauer Landratsamt. Die Kritiker plädieren daher für die Nordtrasse, weil dort weit weniger sowie weniger wertvolle Waldflächen betroffen wären. Wobei der LBV eine unterirdische Verlegung der Kabel präferiert: "Diese Lösung wäre für die große Mehrheit aller Betroffenen das geringste Übel und ein gangbarer Kompromiss." Die UNB sieht das ähnlich: "Vor einer endgültigen Entscheidung müsste unbedingt auch die Möglichkeit einer Erdverkabelung auf der Nordvariante geprüft werden."

"Erdkabel sind kein Gegenstand des jetzigen Verfahrens", sagt Felbermeier. Im anstehenden Raumordnungsverfahren gehe es ausschließlich um den Ersatzbau von Freileitungen. Nur in diesem Rahmen könne sich Gemeinde planrechtlich einbringen. "Wer sich jetzt gegen die Südtrasse ausspricht, votiert letztendlich zugunsten der Nordtrasse", warnte Felbermeier. Er zielte mit dieser Äußerung auf die Grünen-Fraktion, die in der Sitzung als einzige durchgängig gegen alle Abwägungen der Verwaltung gestimmt hatte. Die Fraktionssprecherin der Grünen, Bettina Ahlrep, machte die Position ihrer Fraktion anderntags in einer Presseerklärung deutlich. Die Grünen loben zwar den Einsatz des Bürgermeisters und der Verwaltung sowie das Engagement der BI gegen die Nordtrasse, die auch die Grünen nicht unterstützen. "Diese Entscheidung gegen die Nordtrasse ist für die Haimhauser Grünen aber kein Anlass, die Planungen der Südvariante nach den nun vorliegenden fachlichen Beurteilungen zu billigen", heißt es in der Presseerklärung. Eine Zustimmung widerspräche grundsätzlich "unseren grünen Werten". Die Grünen empfehlen der Gemeinde, Kontakt mit der Bundesnetzagentur und Tennet aufzunehmen und nach anderen Lösungen zu suchen.

Die Stellungnahme von Tennet zum Teilflächennutzungsplan deutet indes auf keinerlei Entgegenkommen hin. Das Stromnetz-Unternehmen spricht der Gemeinde schlichtweg das Recht ab, ein eigenes Planungsverfahren auf den Weg zu bringen. Der Erlass eines Flächennutzungsplans zur Darstellung von Konzentrationszonen für Höchstspannungsfreileitungen durch eine Gemeinde sei unzulässig. "Als Gemeinde sind Sie nicht berechtigt, im Flächennutzungsplan Vorrangflächen mit Ausschlusswirkung für überregionale Versorgungsleitungen darzustellen." Tennet argumentiert aber nicht nur pauschal gegen das Vorgehen der Kommune, sondern sehr detailliert gegen alle Punkte, die gegen eine Nordtrasse und für eine Südtrasse sprechen.

Felbermeier zeigt sich nicht überrascht, dass der Konzern mit allen juristischen Argumenten versucht, einen Präferenzfall zu verhindern. Enttäuscht ist er hingegen schon von den Tennet-Managern: "Wir haben von vorneherein mit offenen Karten gespielt und darauf hingewiesen, dass wir unsere Planungsmöglichkeiten ausschöpfen wollen." Es könnte sein, dass die Netzbetreiber die Hartnäckigkeit der Haimhausener unterschätzt und nicht damit gerechnet haben, dass die Gemeinde in der Lage ist, ein derart kompliziertes Verfahren in der Kürze der Zeit auf die Beine zu stellen.

Der Teilflächennutzungsplan wird überarbeitet und ein weiteres Mal ausgelegt. Je nachdem, wie die Reaktionen ausfallen, könnte die Gemeinde den Plan schon in der Dezembersitzung in Kraft setzen.

© SZ vom 25.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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