Prantls Blick:Warum die Pressefreiheit viel wert ist

Weniger Deutsche populistisch eingestellt

Eine Welt ohne guten Journalismus wäre keine gute Welt: Dieses Schild hing 2017 vor dem Bischöflichen Ordinariat in Magdeburg.

(Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Ein eigenes Grundrecht nur für eine Berufsgruppe? Das haben eigentlich nur die Journalisten. Denn wenn sie keine gute Arbeit machen können, ist die Welt nicht gut. Das aber hat seinen Preis.

Die politische Wochenvorschau von Heribert Prantl

Es gibt eine Geschichte über den Journalismus, die ich immer wieder gerne erzähle. Als der Münchner Flughafen, der den Namen von Franz Josef Strauß trägt, vor 30 Jahren eingeweiht wurde, ging der damalige Ministerpräsident Max Streibl mit großem Tross und vielen Journalistinnen und Journalisten stolz und beseelt durch die großen Hallen. Alles war blitzblank, weitläufig, weltläufig und edel; am Boden glänzte der polierte Granit, an den Wänden prangte moderne Kunst, aus den Lautsprechern klangen die Weltsprachen.

Als die Besichtigung nach zwei Stunden zu Ende war, fragte ein Kollege den Ministerpräsidenten, ob er in all dieser Pracht und Herrlichkeit etwas vermisse. Streibl stutzte kurz und sagte dann: "Es ist alles wunderbar, nur: Wenn man hier ankommt, merkt man doch gar nicht, dass man in München ist. Es könnte sich genauso um den neuen Flughafen in Paris oder in Melbourne handeln. Woran soll man denn hier erkennen, dass man in München gelandet ist?" Ein Kollege schlug ihm daraufhin vor, man könne doch die nächste Landebahn "in Breznform" errichten. Das Gelächter war groß.

Prantls Blick: Der Flughafen München im Erdinger Moos, im Vordergrund der Domberg von Freising.

Der Flughafen München im Erdinger Moos, im Vordergrund der Domberg von Freising.

(Foto: Marco Einfeldt)

Und was, so fragen Sie mich jetzt, hat diese Geschichte denn mit dem Journalismus zu tun? Warum dieses Kuriosum? Wenn man dieser Geschichte nachhört, dann scheint hinter der vermeintlichen Provinzialität des Politikers etwas sehr Ernsthaftes, Wichtiges, Grundsätzliches auf. Die kleine schmunzelige Begebenheit führt uns nämlich zu einer Frage, die für den Journalismus viel wichtiger ist als für einen Flughafen: Was ist das Besondere, was ist das Erkennungszeichen, was ist das Unverwechselbare an einem guten Journalismus? Wie soll, wie muss der Journalismus seine Freiheit nutzen, auf dass sie Pressefreiheit heißen kann und darf? Warum ist der Journalismus so wichtig, dass er ein eigenes Grundrecht, das der Pressefreiheit, wirklich verdient?

Anregen und aufregen

Weil eine Welt ohne guten Journalismus keine gute Welt wäre. Weil Presse animiert, weil sie animieren soll. Wenn die Presse und die Pressefreiheit nicht wären, gäbe es keine Freiheit und keine Demokratie. Man kann die Presse nicht hinwegdenken, ohne dass die Lebendigkeit des Gemeinwesens entfiele. Journalismus ist dafür da, den Menschen zum Gespräch zu verhelfen. Guter Journalismus regt an und regt auf, er fordert auf zu Zuspruch und zu Widerspruch. Er liefert die Fakten, er liefert Analysen, er liefert Bewertungen; man kann sich daran reiben, man kann sich auch davon überzeugen lassen. Er ist ein Lebenselixier einer freien Gesellschaft. Systemrelevanz sagt man heute dazu.

Guter Journalismus ist ein Journalismus, bei dem wir Journalisten wissen, dass wir eine Aufgabe haben - und dass diese Aufgabe mit einem Grundrecht zu tun hat: Artikel 5 Grundgesetz, Pressefreiheit. Nicht für jeden Beruf gibt es ein eigenes, ein ganz spezielles Grundrecht, genau genommen nur für einen einzigen: Artikel 5. Das verpflichtet! Das verpflichtet zur Sachkunde, die sich mit Souveränität, Ausdauer, Neugierde, Sorgfalt und Aufklärungsinteresse paart.

Wie man Journalismus finanziert

Ich sage und schreibe das, weil es mir in meinem heutigen Brief um den Wert von Journalismus geht; und weil dieser Wert nicht von nichts kommt. Journalismus kostet. Als "creatio ex nihilo" funktioniert Journalismus nicht. Eine gute Redaktion kostet Geld, viel Geld. Guter Journalismus braucht eine gute Logistik, gute Leute, einen guten Apparat - zum Beispiel ein gutes Zeitungsarchiv. Das Archiv der Süddeutschen Zeitung schätze ich über alle Maßen. Und bei fast jedem Text, den ich schreibe, bei fast jedem meiner Letter, bin ich im Gespräch und im Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen vom Textarchiv, die mir beim Denken, Suchen und Finden helfen.

Hinter der Bühne der Zeitung

Das Zeitungsarchiv ist das Gedächtnis einer Redaktion. Es ist eine enorm politische Frage, was und wie viel in die Kammern dieses Gedächtnisses aufgenommen wird, wie gut das alles sortiert und wie schnell der Zugriff darauf ist. Archive sichern und erschließen die Vergangenheit für Gegenwart und Zukunft. Ohne Archive gibt es keinen Qualitätsjournalismus. Und die Qualität des Qualitätsjournalismus steht und fällt mit den Medienarchiven. Dies als Beispiel dafür, wie wichtig auch im Journalismus die intensive und kluge Arbeit im Backstage ist, hinter der Bühne also. Auch solche Arbeit soll und darf nicht eingeschränkt, nicht ausgedünnt, nicht reduziert werden, sie muss weiter finanziert werden können.

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Immer am Sonntag

Meine Sonntagskolumnen "Prantls Blick" widmen sich jeweils einem wichtigen gesellschaftlichen und/oder politischen Thema. Corona war mein häufigstes Thema in den vergangenen 19 Monaten. Viele meiner Kolumnen haben sich auch mit der Gegenwart der Vergangenheit beschäftigt; ich habe über die Weimarer Republik, die Hohenzollern, die NS-Verbrechen geschrieben, über die Demokratiegeschichte der Bundesrepublik. Das wird so bleiben.

Meine nächsten Kolumnen werden sich auch wieder mit Corona befassen, mit der Verlängerung der Verlängerung der Verlängerung der einschlägigen Gesetze und Maßnahmen. Es gibt da ein gewaltiges Problem, das Thorsten Kingreen, Professor für Öffentliches Recht und Gesundheitsrecht an der Universität Regensburg, so benennt: Die "epidemische Lage" wird de jure verlängert, obwohl sie de facto nicht mehr besteht. Es geschieht also das, was ich schon in meinen ganz frühen Corona-Kolumnen befürchtet habe: Aus dem Ausnahmezustand wird ein Normalzustand, aus den Notregeln werden Normalregeln. Das ist unnormal, unstatthaft und gesellschaftsschädlich. Demokratie ist das Gegenteil von social distancing.

Jeden Sonntag beschäftigt sich Heribert Prantl, Kolumnist und Autor der SZ, mit einem Thema, das in der kommenden Woche - und manchmal auch darüber hinaus - relevant ist. Hier können Sie "Prantls Blick" auch als wöchentlichen Newsletter bestellen - exklusiv mit seinen persönlichen Leseempfehlungen.

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