Schöngeising:Die goldene Ära des Kinos

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Der Katalog zur Jexhof-Ausstellung "Lichtspiele" erinnert an den Boom der Nachkriegsjahre und würdigt die Pioniere des Films. Fritz Umgelter etwa drehte am Olchinger See einen Film über das Massaker von Babyn Jar und erhielt dafür Drohbriefe

Von Peter Bierl, Schöngeising

Die große Zeit des Kino waren die Nachkriegsjahre. In Eichenau, Germering, Grafrath, Gröbenzell, Maisach, Olching, Puchheim und Türkenfeld gab es Lichtspielhäuser, dazu Wanderkino in den Wirtshäusern auf den Dörfern. Das Jexhof-Museum hat dieser Epoche eine Sonderausstellung gewidmet, dazu einen ansprechend gestalteten, informativen Katalog über das Kino und seine Stars und Macher.

In Bruck eröffnet 1912 das erste Lichtspieltheater, während des großen Gemetzels diente es der Kriegspropaganda, schreibt Stadtarchivar Gerhard Neumeier. Es folgten Gastspiele der Landesfilmbühne, die kulturell Wertvolles bieten wollte, aber oft "anspruchslose Heimatfilme" und schon vor "nationalistische Streifen" bot, wie Toni Drexler berichtet. Dann tourte der Gaufilmwagen der NSDAP durch die Gegend. Im Herbst 1938 lief "Der Berg ruft" von Luis Trenker.

Das Lichtspielhaus an der Maisacher Straße in Bruck wurde 1930 errichtet, heute wird es als Kulturhaus in städtischem Besitz betrieben. Über die Architektur des Hauses, das unter Denkmalschutz steht, schreibt Kreisheimatpflegerin Susanne Poller in dem Katalog. Wie beliebt diese Form der Unterhaltung war, zeigt sich auch daran, dass Drexler Aufführungen in den Wirtshäusern in Althegnenberg, Hattenhofen, Mammendorf, Türkenfeld, Moorenweis und Grafrath belegen kann. Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen Luise und Max Eyernschmalz mit ihrem Wanderkino durch die Region. Beim Alten Wirt in Wildenroth richtete sie schließlich ein stationäres Kino für fast 200 Personen ein.

Der Projektor aus den Gröben-Lichtspielen stammt aus der Blütezeit des Kinos. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Auch beim "Germeringer Kinostreit" hatten sie Erfolg, wie Museumsleiter Reinhard Jakob schildert. Der Kinobetreiber Alfred Fritz aus München beantragte 1947 eine Lizenz, wurde aber von Behörden abgeblockt. Zwar urteilte das Verwaltungsgericht zu seinen Gunsten, aber Fritz ging leer aus. Stattdessen entstanden die U-Lichtspiele in Unterpfaffenhofen und ein Kino von Eyernschmalz im Wirtshaus Hartl, dazu das Centraltheater (1956) in der Bahnhofstraße.

In Bruck entstanden die Amperlichtspiele (1950), die Mozart-Lichtspiele (1952) und das "Capitol" (1957), in Maisach die Bahnhof-Lichtspiele (1949), die Prinzess-Lichtspiele ( 1951) und das Filmtheater (1954). In Türkenfeld schuf der Kaufmann Georg Knoblauch das Melodie-Filmtheater, das von 1957 bis 1971 in Betrieb war, wie Dieter Hess schreibt. In Puchheim existierte ein Filmtheater bis mindestens 1958.

Die Blütezeit fiel mit einer Zeit zusammen, in der Heimatfilme und Schnulzen dominierten. Bei amerikanischen Western oder schwedischen Dramen von Ingmar Bergmann wetterte der Dorfpfarrer von der Kanzel gegen das Kino als "Kapelle des Teufels". Schon in den späten Sechzigerjahren führte die Konkurrenz durch den Fernseher zwar zum Kinosterben. Das Provinzkino schlummerte jedoch "mit seichten Lederhosenpornos und Draufhauerwestern" weiter dahin, wie Neumeier schreibt.

Für die Schonger-Filmproduktion in Inning arbeiteten Kameramann Wolfgang Schwan (links) und Regisseur Erich Kobler. (Foto: Gemeindearchiv Inning)

Zu den Ausnahmen gehören die Gröben-Lichtspiele, die sich über vier Generationen gehalten haben. Ludwig Mair senior, Metzger und Wirt, zeigte ab 1943 Filme in seiner Bahnhofswirtschaft, bevor er ein eigenes Gebäude mit bis zu 343 Sitzplätzen bauen ließ, das im Juli 1950 eröffnet wurde, schreibt Anton Kammerl.

Das zweite große Thema sind im Katalog diverse Protagonisten mit mehr oder weniger Landkreisbezug, etwa der Autor und Darsteller Reinhold Einacker, ein Pionier des Stummfilms aus Gröbenzell, oder Hubert Schonger, der in Inning Natur-, Zeichentrick- und Jugendfilme produzierte. Für seine Kurzfilme wurde er 1950 auf der Biennale in Venedig ausgezeichnet.

Renate Müller war ein Star wie Marlene Dietrich, wurde später von der Gestapo beobachtet, weil mit einem Mann jüdischer Herkunft liiert, der ins Exil musste. Sie erlitt Nervenzusammenbrüche, trank und schluckte Tabletten und starb 1937 nach einem Sturz aus dem ersten Stock. Elisabeth Lang würdigt Fritz Umgelter, einen Pionier des Fernsehspiels, der in Gröbenzell wohnte. Einige Szenen seines Film "Am Grünen Strand der Spree" über das Massaker in Babyn Jar wurden am Olchinger See aufgenommen. Umgelter erhielt Drohbriefe ("Euch haben sie vergessen zu vergasen"), sein Schlagerfilm mit Peter Kraus und Conny Froebess (1958) war eher nach dem Geschmack des deutschen Publikums.

Mit mobilen Vorführgeräten war Max Eyernschmalz in den Nachkriegsjahren unterwegs. (Foto: Gemeindearchiv Inning)

Reinhard Jakob (Hg.), Lichtspiele. Kino und Film im Brucker Land von den Anfängen bis zum Sigeszug des Fernsehens, 2021, 188 Seiten.

© SZ vom 26.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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