SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":"Unsere Ortsschilder sind nicht größer als anderswo"

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Raynald Boulenger, Bürgermeister von Saint-Quentin-la-Motte-Croix-au-Bailly, hadert mit den neuen Personalausweisen. Vielleicht sollte er mal bei seinem Kollegen im walisischen Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch anrufen und nach einem Tipp fragen. (Foto: privat)

Der Name des Dorfs Saint-Quentin-la-Motte-Croix-au-Bailly ist zu lang für die neuen französischen Personalausweise. Bürgermeister Raynald Boulenger über die Crux mit den vielen Buchstaben - und welche Vorteile das Bandwurm-Wort hat.

Von Kathrin Müller-Lancé

32 Buchstaben und sechs Bindestriche sind einfach zu viel: Der Name des Örtchens Saint-Quentin-la-Motte-Croix-au-Bailly passt nicht auf die neuen Personalausweise in Frankreich. Das kleinere Bankkartenformat sollte das Leben der Französinnen und Franzosen eigentlich erleichtern. Jetzt sorgt es in der 1300-Einwohner-Gemeinde im Norden des Landes für Frust. Bürgermeister Raynald Boulenger über die Probleme, die der neue Ausweis so mit sich bringt.

SZ: Herr Boulenger, haben Sie selbst schon einen neuen Ausweis beantragt?

Raynald Boulenger: Nein, mein Ausweis ist schon länger abgelaufen. Seit dem Jahr 2015, glaube ich. Im Moment nutze ich nur meinen Reisepass. Der gilt noch bis 2022. Wenn ich den Ausweis neu beantragen würde, würde ich wohl auf dieselben Probleme stoßen wie manch anderer in meiner Gemeinde.

Die da wären?

Die neuen Ausweise, die im August eingeführt wurden, sind ein paar Zentimeter kleiner als die alten. Da passt unser Ortsname nicht mehr ganz drauf. Für alle, die ihren Ausweis dringend erneuern wollen, ist das ein echtes Problem. Ein junger Mann musste seine theoretische Führerscheinprüfung schon zum dritten Mal verschieben. Er hatte alle Unterlagen bei der zuständigen Behörde eingereicht - aber es kam nichts zurück. Als er nach einiger Zeit nachfragte, hieß es, der neue Ausweis könne ohne den vollständigen Ortsnamen nicht ausgestellt werden.

Wie viele Leute in Ihrer Gemeinde betrifft das aktuell?

Ich würde sagen fünf bis sechs. Es gibt zum Beispiel noch den Fall eines älteren Herrn, der seinem Sohn ohne gültigen Ausweis keine Vollmacht für Bankgeschäfte ausstellen kann.

So sieht der neue französische Personalausweis von vorne aus, für gebürtige Croisiens wird es schon hier eng, denn in Zeile 4 ist der Geburtsort gefragt. Da Saint-Quentin-la-Motte-Croix-au-Bailly aber kein Krankenhaus hat, dürfte die Zahl der Betroffenen sich in Grenzen halten. (Foto: Ministère de l'Intérieur)

Was macht man da als Bürgermeister?

Ich habe mit den zuständigen Behörden gesprochen. Man will an einer Lösung arbeiten. Erst einmal gibt es provisorische Ausweise, auf denen der Ortsname abgekürzt wird. Eigentlich sind Abkürzungen auf offiziellen Dokumenten nicht erlaubt. Für uns hat man eine Ausnahme gemacht. Es gibt sogar mehrere Varianten: Bei dem jungen Mann mit dem Führerschein steht eine Version ohne Artikel, also "Saint-Quentin-Motte-Croix-Bailly", bei dem Herrn mit der Vormundschaft die Kurzform "Saint-Quentin-Lamotte".

Haben andere Orte das gleiche Problem?

Soweit ich weiß, gibt es in Frankreich mehrere Dutzend Gemeinden, die genauso lange oder noch längere Ortsnamen haben. Ich habe mich mit denen noch nicht ausgetauscht, aber die müssten das gleiche Problem haben.

Auf der Rückseite muss die Wohnadresse angegeben werden, die 32 Buchstaben und sechs Bindestriche sprengen den Rahmen. (Foto: Ministère de l'Intérieur)

Wie nennt man eigentlich die Einwohner Ihres Dorfs? "Saint-Quentin-La-Motte-Croix-au..."?

Ganz einfach: Croisiens. Deshalb gefällt vielen auch die Abkürzung Saint-Quentin-La-Motte nicht. Da fehlt ein Teil unserer Identität. Die Geschichte unserer Gemeinde reicht bis ins neunte Jahrhundert zurück. Im Laufe der Zeit wurden die drei Dörfer Saint Quentin, La Motte und La Croix au Bailly zusammengelegt.

Sie sagen also immer den ganzen Namen?

Im Alltag verwenden wir zugegebenermaßen schon auch mal die Abkürzung "Saint-Quentin-La-Motte".

Sorgt der Name Ihrer Gemeinde noch für andere Probleme? Haben Sie ein Ortsschild in Übergröße?

Nein, unsere Ortsschilder sind nicht größer als anderswo. Da passt der ganze Name drauf. Ansonsten haben wir eigentlich keine Probleme. Wenn der Ortsname auf Briefen abgekürzt ist, kommen die in der Regel trotzdem an. Manchmal reichen die Kästchen auf Formularen nicht aus, dann hört man halt auf, wenn keine Buchstaben mehr reinpassen. Voilà.

Hat so ein langer Ortsname auch Vorteile?

Wir sind die Gemeinde mit dem längsten Namen in unserem Département Somme. In diesem Département liegt zufällig auch die Gemeinde mit dem kürzesten Namen Frankreichs, sie heißt Y. Das finden natürlich viele lustig. Da gibt es immer mal wieder Berichte in den Medien. Was zunächst wie ein Nachteil wirken mag, ist letztlich Werbung für unseren Ort und unsere Region. - Durch Sie sind wir ja jetzt sogar im Ausland bekannt.

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