Zoo von Los Angeles:Mehr Disneyland als Zoo

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Der Umbau des Tierparks soll die Besucherzahlen fast verdoppeln: Vom Prä-Pandemie-Level von 1,8 Millionen auf drei Millionen Besucher pro Jahr.

(Foto: Ringo Chiu/AP)

Der Zoo von Los Angeles soll für 650 Millionen Dollar umgebaut werden und mehr Attraktionen bieten - und möchte so Disneyland Konkurrenz machen. Die Aufregung ist immens.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es soll ja Menschen geben, die sich auf der ganzen Welt kaum etwas Zauberhafteres vorstellen können, als stundenlang ein paar Ottern beim Rumtollen zuzusehen; und es gibt dafür kaum einen schöneren Ort als den Zoo von Los Angeles. Wer da sitzt, an einem Dienstagnachmittag zum Beispiel, der sieht die Tiere laut grölend eine Wasserrutsche hinuntersausen. Was man aber auch bemerkt: Man ist ziemlich einsam hier, weil es eben auch Menschen gibt, die sich kaum etwas Spannenderes vorstellen können als die Achterbahnen in Six Flags, das Star-Wars-Abenteuer in Disneyland oder die Harry-Potter-Welt in den Universal Studios. Oder in Fahrradweite des Zoos: Sternegucken im Griffith Observatory, Konzerte im Hollywood Bowl, Ponyreiten im Griffith Park.

Der L.A. Zoo soll für 650 Millionen Dollar renoviert werden. Das ist sehr viel Geld für einen Ort, der pro Jahr 11,6 Millionen Dollar Zuschüsse von der Stadt Los Angeles braucht, um das Budget von knapp 25 Millionen Dollar zu finanzieren - aber es könnte sich lohnen: Der Umbau soll die Zahl der Besucher in den kommenden 20 Jahren vom Prä-Pandemie-Level von 1,8 auf drei Millionen pro Jahr steigern, und beim Zoo wissen sie genau, wie sie das anstellen wollen.

Die Zoodirektorin hat die Olympischen Spiele im Blick

Los Angeles ist ja immer auch Hollywood, und deshalb haben sie aus dem Ein-Fisch-namens-Wanda-Nachfolger "Fierce Creatures" mit Jamie Lee Curtis und John Cleese gelernt. Im Film geht es darum, einen Zoo zu retten und zwar dadurch, möglichst gefährliche Tiere zu präsentieren, welche die Besucher anlocken. Das geht ordentlich schief, und auch der Film selbst war ein künstlerischer wie finanzieller Flop. Es soll also keine extravaganten Tiere geben - Stars auf sozialen Netzwerken wären da, neben Ottern freilich: purzelnde Pandas -, sie wollen sich vielmehr an der Freizeitpark-Konkurrenz orientieren.

Zoo von Los Angeles: Erdmännchen zu beobachten macht Spaß, aber wäre es nicht noch viel attraktiver, wenn man anschließend mit einer Seilbahn über das Wolfsgehege gleiten könnte?

Erdmännchen zu beobachten macht Spaß, aber wäre es nicht noch viel attraktiver, wenn man anschließend mit einer Seilbahn über das Wolfsgehege gleiten könnte?

(Foto: Valerie Macon/AFP)

Was es also geben soll: eine Natur-Kletterwand für Besucher. Eine Seilbahn über das Gehege für Bären, Wölfe und Berglöwen. Ein Besucherzentrum mit Blick auf die Giraffen. Einen "Condor Canyon", in dem über den Köpfen der Leute Vögel fliegen sollen. Ein Restaurant über einem Weingut, in dem dann auch Weinproben abgehalten werden. Eine den Holzhäusern im Yosemite National Park nachempfundene rustikale Alm auf einem Hügel, in der Events stattfinden sollen. Auf gut Deutsch: mehr Freizeitpark als Zoo.

"Natürlich haben wir bei diesem Plan die Olympischen Spiele im Blick", sagt Direktorin Denise Verrett über das Sportspektakel, das 2028 in Los Angeles abgehalten wird: "Die Frage war: Wie sorgen wir dafür, dass die Besucher aus aller Welt unseren Zoo als Attraktion wahrnehmen, die man keinesfalls verpassen sollte? Wir wollen, dass dieser Zoo zu den besten im Land gehört, aber dafür braucht es ein Investment, und das ist unsere Vision dafür."

Kritiker sind überzeugt: Es geht hier nicht um die Tiere, sondern nur um die Menschen

Kritiker haben zwei Probleme mit diesem Plan. Erstens: Ist es wirklich notwendig, mehr als neun Hektar unberührtes Land zu roden und dabei auch Baumarten wie die erdbeerbaumblättrige Glanzmispel, die kalifornische Steineiche oder den südkalifornischen Walnussbaum abzuholzen? Und falls ja, dann zweitens: Ist es zielführend, nur 35 Prozent dieser neuen Fläche für die Tierpflege zu verwenden? Wird der Zoo dadurch nicht zum seelenlosen Freizeitpark? Wie soll ein Otter da noch fröhlich sein auf seiner Wasserrutsche?

Zoo von Los Angeles: Zwei Zebras im Zoo von Los Angeles. Wenn alles nach Plan läuft, bekommen sie bald fast doppelt so viele Menschen zu sehen wie bislang.

Zwei Zebras im Zoo von Los Angeles. Wenn alles nach Plan läuft, bekommen sie bald fast doppelt so viele Menschen zu sehen wie bislang.

(Foto: Frederic J. Brown/AFP)

Kritiker sagen, dass es bei dieser Expansion nicht um Tiere gehe, sondern vielmehr darum, noch mehr Geld aus dem Griffith Park im Norden von Los Angeles herauszupressen. Der beheimatet Wildtiere wie Rehe, Luchse, Adler, Falken, Eulen - und einen Berglöwen, der P-22 genannt wird. Naturschützern gilt der Park als Heiligtum, der durch den Bau von Golf- und Tennisplätzen, Verkaufsständen in Picknick-Zonen, Anlagen für Ponyreiten oder Zugfahren und nun die geplante Erweiterung des Zoos langsam zerstört werde. Es gehe nicht um die Tiere, so Kritiker, sondern nur um die Menschen.

"Die Geschichte von Zoos ist seit jeher: Es gibt sie, weil Menschen gerne hingehen; nicht wegen der Tiere", sagte der Historiker Nigel Rothfels der Los Angeles Times, die die Pläne veröffentlicht und damit die Debatte darüber angestoßen hatte. Hinter den Kulissen gebe es in fast jedem Zoo auf der Welt eine Debatte über Ausrichtung und Prioritäten, und freilich gehe es dabei fast immer ums Geld; Rothfels sagt deshalb recht nüchtern: "Die Frage, ob eine Kletterwand und ein Weingut auf lange Sicht und mit Blick aufs große Ganze gut für den Zoo sind, wird von Touristen beantwortet." Von Menschen also, nicht von Ottern, die doch nichts mehr wollen als ein paar Pfund Fisch und eine Wasserrutsche.

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