Streit um Justizreform:EuGH verurteilt Polen zur Zahlung von Zwangsgeld

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg

Der Europäische Gerichtshof hat Polen zu einer täglichen Zwangszahlung verurteilt.

(Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa)

Weil das Land sich weigert, höchstrichterliche Entscheidungen zu Justizreformen umzusetzen, muss es nun eine Million Euro Zwangsgeld zahlen - pro Tag.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Polen zur Zahlung eines täglichen Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro verurteilt. Grund für den Schritt ist nach einer Mitteilung des Gerichtshofs vom Mittwoch die bisherige Weigerung des Landes, höchstrichterliche Entscheidungen zu umstrittenen Justizreformen umzusetzen. Konkret geht es dabei insbesondere um die Anordnung, die Arbeit der umstrittenen Disziplinarkammer zur Bestrafung von Richtern zu stoppen. Die Tätigkeit ist nach EuGH-Entscheidungen nicht mit EU-Regeln zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz vereinbar.

Die Finanzsanktionen gegen Polen waren am 9. September von der für die Überwachung der Rechtsstaatlichkeit in der EU zuständigen EU-Kommission beantragt worden. Sie werden nun so lange fällig, bis Polen den Anordnungen des EuGH Folge leistet. "Die Justizsysteme in der gesamten Europäischen Union müssen unabhängig und fair sein", hatte Kommissionschefin Ursula von der Leyen damals kritisiert. Polens Justizminister Zbigniew Ziobro sprach hingegen von einer "Aggression gegen Polen" und von einem "juristischen hybriden Krieg".

Eine offizielle Stellungnahme Polens zur jetzigen Entscheidung liegt bisher nicht vor. Der stellvertretende Justizminister Sebastian Kaleta schrieb auf Twitter aber, das Urteil komme einer "widerrechtlichen Übernahme und Erpressung" gleich.

Die Justizreformen sind seit Langem ein Streitpunkt zwischen der EU und der Regierung in Warschau. Wie groß das gegenseitige Unverständnis ist, wurde in der vergangenen Woche im Europäischen Parlament in Straßburg deutlich. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte der EU-Kommission und den anderen Mitgliedstaaten in seiner Rede vorgeworfen, mit zweierlei Maß zu messen. Auch in Deutschland und Frankreich behielten sich die jeweiligen Verfassungsgerichte vor, den Einfluss des Europäischen Gerichtshofes zu beschränken. Dieser versuche seine Kompetenzen in unzulässiger Weise immer weiter auszuweiten. Das höchste Recht der Polnischen Republik sei und bleibe aber die polnische Verfassung. Wer anderen seine eigene Entscheidung ohne Rechtsgrundlage aufzuzwingen versuche, sei "ein Erpresser", sagte Morawiecki, jene Wortwahl, die sein Justizminister nun wiederholte.

Die Abgeordneten warfen Morawiecki im Gegenzug vor, die Tatsachen zu verdrehen. Die Politik seiner Regierung gefährde einen der Grundpfeiler der Europäischen Union. "Wer das Primat des Europäischen Gerichtshofs ablehnt, wer die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft ablehnt, wer die Unabhängigkeit der Justiz ablehnt, der tritt faktisch aus der Europäischen Union als Rechtsgemeinschaft aus", hatte etwa der deutsche CSU-Politiker Manfred Weber gesagt, der der konservativen EVP-Fraktion vorsitzt.

Merkel will vermitteln, Ungarn steht fest an der Seite der Regierung in Warschau

Der Streit war auch Thema beim EU-Gipfel vergangene Woche. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dabei für einen Dialog mit Polen geworben, um den Streit zu schlichten. Vor allem Frankreich, Belgien, die Niederlande und Luxemburg plädieren dagegen für eine harte Haltung der EU und schließen dabei auch den Entzug von Fördergeldern an das Land nicht aus. Dagegen steht vor allem Ungarn fest an der Seite der Regierung in Warschau, was es für die EU schwierig macht, Beschlüsse gegen Polen zu fassen, da dafür eine Einstimmigkeit erforderlich ist.

Die Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner begrüßte das Urteil des EuGH. "Dies zeigt, dass es Konsequenzen gibt, wenn jemand die Rechtsstaatlichkeit untergräbt", sagte Brantner. Das Urteil sei ein "Stoppschild für diejenigen, die die Axt an die Demokratie in Europa legen". Brantner forderte die EU-Kommission auf, nun ihrerseits Polen erst dann Geld aus dem Corona-Wiederaufbau-Fonds zu zahlen, wenn das EU-Land die Unabhängigkeit der Justiz und den Vorrang des europäischen Rechts zusichert.

Bereits Mitte Juli hatte der EuGH entschieden, dass Polen mit der Disziplinarkammer gegen europäisches Recht verstößt. Zudem wurde das Land mit einer einstweiligen Anordnung aufgefordert, die Bestimmungen auszusetzen, mit denen die Disziplinarkammer ermächtigt wird, über Anträge auf Aufhebung der richterlichen Immunität sowie über Fragen zur Beschäftigung und Pensionierung von Richtern zu entscheiden. Der Beschluss betraf zudem noch weitere Bestimmungen des polnischen Rechts, die die Unabhängigkeit von Richtern betreffen.

Polen hatte daraufhin angekündigt, dass die umstrittene Disziplinarkammer in ihrer derzeitigen Form abgeschafft werden soll. Sie arbeitete zuletzt aber weiter alte Fälle ab. Die Kammer galt bislang als das Herzstück der von der rechtskonservativen PiS-Regierung initiierten Justizreformen. Die Kammer kann jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen. Kritiker befürchten, sie könne dazu dienen, Richter für unliebsame Entscheidungen zu maßregeln.

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