Bauprojekt in Sendling:Reiter stellt Ultimatum für Neubau der Großmarkthalle

Obstgroßhändler in der Münchner Großmarkthalle, 2016

Besonders morgens wuselt es in der denkmalgeschützten Halle, doch die Stadt muss kräftig investieren, um den Betrieb aufrecht erhalten zu können.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Firma UGM soll im Auftrag der Stadt das riesige Bauprojekt realisieren. Nun löst ein Bericht des Kommunalreferats enormen Unmut im Stadtrat aus - denn es geht um viel Geld.

Von Sebastian Krass

Kaum Fortschritte seit dem Frühjahr 2020 und eine lange Liste von Fragen, die für den Vertrag zum Bau einer neuen Großmarkthalle zu klären sind: Angesichts dieses Sachstands stellt die grün-rote Rathauskoalition dem privaten Partner für eines der wichtigsten und spektakulärsten Bauprojekte der Stadt ein Ultimatum. "Wir haben eineinhalb Jahre verloren, weiter zuzuwarten ist für uns nicht akzeptabel. Wir erwarten bis spätestens Ende des ersten Quartals 2022 belastbare Aussagen", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Mittwoch der Süddeutschen Zeitung.

Anna Hanusch, Fraktionsvorsitzende von Grünen/Rosa Liste, betonte, man müsse bis dahin "alle Fakten zusammenführen und die Frage beantworten: Ist für die neue Großmarkthalle ein Zieleinlauf absehbar oder nicht?" Wenn bis März keine Klarheit herrsche, so sind Reiter und Hanusch zu verstehen, dann könnte der Stadtrat die Notbremse ziehen und das Projekt stoppen.

Auslöser der Wortmeldungen ist eine nicht-öffentliche Beschlussvorlage von Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) für den Kommunalausschuss an diesem Donnerstag, in der sie "eine unvermeidbare zeitliche Verschiebung der Arbeiten am Projekt" darstellt und beantragt, dass die befristete Stelle einer damit betrauten Juristin um drei Jahre bis Ende 2024 verlängert und eine Stelle aufgestockt wird. Nur so könne man "neue rechtliche Fragen und Abstimmungsbedarfe" für den geplanten Erbbaurechtsvertrag mit dem Partner, dem Umschlagzentrum Großmarkt München (UGM), klären, schreibt Frank in der Vorlage, die der SZ vorliegt. Auslöser für die Verzögerung sei, dass man in den Jahren 2020 und 2021 nicht mit dem UGM habe verhandeln können wie geplant.

Die Firma, die heute schon große Flächen im Großmarkt von der Stadt angemietet hat, hatte 2018 den Plan vorgestellt, ein Grundstück auf dem Areal in Erbpacht zu übernehmen und den dringend benötigten Ersatz für die baufällige bisherige Großmarkthalle zu errichten. Anfang 2019 stimmte der Stadtrat dem Vorhaben im Prinzip zu und legte gut ein Jahr später mit einem Grundsatzbeschluss den Rahmen fest. Entstehen soll nicht nur ein neuer Großmarkt, sondern oben drauf auch ein Bürokomplex für 2000 bis 3000 Beschäftigte und große Freiflächen für die Öffentlichkeit. Insgesamt soll der Komplex bis zu 70 Meter hoch werden.

Die neue Halle kann wohl erst 2030 in Betrieb gehen, bis dahin sind viele Millionen Euro nötig

Allerdings habe das UGM das Projekt im Frühjahr 2020 "ausgesetzt", um Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit neu zu bewerten, schreibt Frank. Dann habe UGM sich "unter neuer Geschäftsführung und anwaltlicher Vertretung neu aufgestellt und ihre Planung entsprechend angepasst". Offen ist bisher zum Beispiel auch, wen das UGM - ein kleines Unternehmen, das das Projekt aus eigenen Kräften nicht stemmen könnte - als Investor an Bord holt.

Frank zählt etwa 20 noch ausstehende "Verhandlungsthemen" für einen Erbbaurechtsvertrag auf, darunter grundlegende Dinge wie "Inhalt und Dauer des Erbbaurechts" und "die Zahlung und Nachbesserung des Erbbauzinses". Wie hoch dieser Zins sein wird, das könne das Bewertungsamt erst ermitteln, wenn alle dafür relevanten "vertraglichen Regelungen fixiert sind". Zudem braucht es für das Bauvorhaben einen neuen Bebauungsplan, den das Planungsreferat erarbeiten müsste. Schon vor knapp einem Jahr hatte Frank verkündet, dass die neue Großmarkthalle erst 2030 in Betrieb gehen könne.

Bauprojekt in Sendling: Ambitioniertes Projekt: der geplante Neubau der Großmarkthalle, ursprünglich mit auf dem Dach geplanten Büroräumen.

Ambitioniertes Projekt: der geplante Neubau der Großmarkthalle, ursprünglich mit auf dem Dach geplanten Büroräumen.

(Foto: Henn Architekten)

Dass seitdem nicht viel vorangegangen sei, wie Frank schildere, das sei für sie überraschend, sagt Anna Hanusch von den Grünen, "im Frühjahr wurde uns noch versichert, dass sie rangehen und Verhandlungen führen wollen". Der Text der Vorlage mache ihr "wenig Hoffnung". Ähnlich skeptisch klingt Kathrin Abele, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von SPD/Volt: "Ich frage mich auch, ob das Projekt noch Zukunft hat, es scheint nicht zu funktionieren. Wir werden auf jeden Fall intensiv darüber reden müssen."

Am Mittwochmittag allerdings meldete sich auf Anfrage das UGM und ließ über einen Sprecher mitteilen: "Wir befinden uns seit einigen Monaten in Gesprächen mit einem Investor - und haben nun bereits die Phase der Exklusivität erreicht." Man könne und dürfe aber derzeit "leider keine weiteren Informationen" preisgeben, "um die Verhandlungen nicht zu gefährden". Aber auch wenn das UGM sich mit einem Investor geeinigt hat, sind die zahlreichen offenen Verhandlungsfragen mit der Stadt noch lange nicht gelöst.

Der Druck, bald Planungssicherheit zu bekommen, ist für die Stadt auch deshalb enorm, weil die Instandhaltung der baufälligen Hallen des Großmarkts Unsummen verschlingt. In einer zweiten Vorlage für den Ausschuss am Donnerstag schreibt Frank, dass man für das Jahr 2022 10,2 Millionen Euro einplanen müsse, um den Betrieb aufrechterhalten zu können. Bis 2024 seien etwa 30 Millionen Euro nötig, um "die Betriebserlaubnis der jetzigen Großmarkthalle zu sichern". Damit, heißt es aus dem Referat, wären die wesentlichen Punkte der nötigen Sanierung erledigt. Angesichts des maroden Zustands der Gebäude können aber auch neue Probleme auftauchen. "Wir müssen zig Millionen in Hallen stecken, die eh weg sollen", sagt SPD-Stadträtin Abele. "Es ist ein Wahnsinn."

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