Klimaschutz:Umweltschädliche Subventionen in Milliardenhöhe angeprangert

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Viel los auf Deutschlands Straßen. Das hat auch mit Subventionen zu tun, zum Beispiel dem Dienstwagenprivileg. (Foto: Thomas Trutschel/Imago)

Das Umweltbundesamt mahnt den Abbau von Vergünstigungen an, die Klima und Natur schaden - und liefert damit eine Vorlage für die Ampel-Verhandler.

Von Roland Preuß, Berlin

Das Umweltbundesamt (UBA) fordert den Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen in Milliardenhöhe. Damit könnte der Staat Mehreinnahmen erzielen und zugleich den Wandel hin zur Klimaneutralität beschleunigen, so die Botschaft einer Studie, welche die Behörde am Donnerstag vorstellte. "Es ist paradox, wenn der Staat mit vielen Milliarden den Klimaschutz fördert und gleichzeitig klimaschädliche Produktions- und Verhaltensweisen subventioniert", sagte der Präsident des UBA, Dirk Messner.

Die Studie beziffert die umweltschädlichen Subventionen im Jahr 2018 auf geschätzte 65,4 Milliarden Euro, unter ihnen die Pendlerpauschale (sechs Milliarden Euro), die Steuerbefreiung für Flugbenzin (8,4 Milliarden) oder staatliches Geld für Regionalflughäfen (mindestens 40 Millionen). Als gewichtige Posten nennt das Papier auch die Steuer auf Diesel, die im Vergleich zu Benzin niedriger ausfällt (8,2 Milliarden), die Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge (vier Milliarden) sowie den günstigeren Mehrwertsteuersatz für tierische Produkte, also etwa Fleisch oder Butter (5,2 Milliarden). Tatsächlich aber sei die Summe noch höher, weil vor allem Vergünstigungen des Bundes berücksichtigt seien, also einige von Ländern und Kommunen fehlen - und sich andere gar nicht seriös in Zahlen fassen ließen.

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Was sich die Ampel-Partner vorgenommen haben, wird teuer. Die Pläne wollen sie durch verstärkten Kampf gegen Steuerhinterziehung finanzieren - und durch den Abbau von Subventionen wie zum Beispiel der Pendlerpauschale. Politisch ist das explosiver Stoff.

Von Roland Preuß

Gegen die Subventionen führt die Behörde, die dem Umweltministerium unterstellt ist, einige gewichtige Argumente ins Feld. So bremse der Staat mit einer solchen Förderung umweltfreundliche Produkte aus, da diese so schwerer umweltschädliche Konkurrenzangebote ersetzen könnten. Mitunter müsse der Staat sogar beides fördern, um einen Ausgleich zu erzielen. "Ein Beispiel dafür ist das unsinnige Nebeneinander von Dieselprivileg für Verbrenner und Kaufprämien für Elektroautos", sagte Messner. Es entstehen also gleich doppelt Kosten für die Allgemeinheit.

Digitale Aufbereitung der SZ-Grafik (Foto: SZ-Grafik)

Die Subventionen entlasten laut der Studie zudem ausgerechnet den Verursacher von Umweltschäden, seien also "ungerecht", behindern die Entwicklung grüner Zukunftsmärkte und begünstigen vor allem Unternehmen und Leute mit hohem Einkommen. Ein Beispiel ist das sogenannte Dienstwagenprivileg, das vielen Führungskräften eine steuervergünstigte Karosse beschert, unter Lärm und Schadstoffen des Autoverkehrs aber leiden vor allem Menschen, die an viel befahrenen Straßen wohnen, also oft Leute mit niedrigerem Einkommen.

Subventionsabbau könnte "erheblichen Beitrag leisten"

Die Studie liest sich teilweise wie eine Vorlage an die Ampel-Politiker, die gerade Koalitionsverhandlungen führen. Denn sie scheint einen Weg aufzuzeigen, gleich zwei Hauptprobleme eines möglichen rot-grün-gelben Bündnisses zu lösen: Den Umbau hin zur Klimaneutralität rasch voranzutreiben und zugleich die nötigen Milliarden aufzubringen, welche dieser Umbau sowie weitere Pläne der potenziellen Koalitionäre, etwa Sozialleistungen und Digitalisierung, kosten dürften. Das UBA verweist auf eine Untersuchung, wonach allein im Bundeshaushalt jedes Jahr zusätzliche 30 Milliarden nötig sind, um die deutschen Klimaziele zu erreichen. Der Abbau solcher Subventionen könnte zur Finanzierung dieser Maßnahmen "einen erheblichen Beitrag leisten", heißt es in der UBA-Studie. Das klingt nach einer eleganten Lösung.

Allerdings dämpfen Messner und seine Mitarbeiter die Erwartungen. So müssten viele Maßnahmen sozial abgefedert werden, beispielsweise Fernpendler bei Wegfall der Pendlerpauschale einen Ausgleich erhalten, ein "beachtlicher Teil" der Einnahmen durch das Streichen von Subventionen müsste an die Bürger zurückgehen, sagte Messner. Damit könne man einen Gewinn gerade für Menschen mit niedrigeren Einkommen erreichen, also der Subventionsabbau mit sozialer Gerechtigkeit verbunden werden - was doch "eine interessante Nachricht an die Bundesregierung" sei, wie Messner sagte.

Erfahrungsgemäß ist dennoch mit erheblichem Widerstand derer zu rechnen, denen die Vergünstigungen entzogen werden sollen. Subventionsabbau soll bei den anderen stattfinden, während es für die eigenen Rabatte und Zuschüsse stets gute Gründe gibt - so das bewährte Argumentationsmuster der Interessenverbände.

Zudem gibt es internationale Abkommen, die berücksichtigt werden müssen: So ist die Steuerbefreiung für Flugbenzin international vereinbart worden, das müsste also erst in einem voraussichtlich zähen Prozess geändert werden.

Verschärfend kommt der aktuelle Anstieg der Gas- und Spritpreise hinzu, der bereits zu einer Debatte über Gegenmaßnahmen geführt hat. Eine höhere Steuer auf Diesel durchzusetzen, während der Preis ohnehin schon steil angestiegen ist, dürfte besonders viel Widerstand hervorrufen.

Und dann sind da noch die unterschiedlichen Ansichten bei den Ampel-Partnern. Während die Grünen in ihrem Wahlprogramm die umweltschädlichen Subventionen ausdrücklich auf die Streichliste setzten, hat FDP-Chef Christian Lindner bereits seine schützende Hand über größere Posten gehalten. Vorvergangenes Wochenende sagte er, er lehne es ab, die Pendlerpauschale und die Vergünstigung für Diesel abzuschaffen, da dies den "Charakter einer Steuererhöhung für die breite Mitte der Gesellschaft" hätte. Laut Bundesumweltamt sind gerade dies zwei Subventionen, die sich schnell und im nationalen Alleingang streichen ließen.

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